Christliche Werte häufiger Ziel von verbalen Anfeindungen

Ein aktuelles Jahrbuch dokumentiert die Lage bedrängter Christen und der weltweiten Religionsfreiheit. Demnach ist Christenverfolgung im christlich geprägten Europa auch in Deutschland ein Phänomen.
Von Norbert Schäfer
Der Theologe Thomas Schirrmacher (Archivbild) ist federführender Herausgeber der Jahrbücher „Religionsfreiheit 2020“ und „Verfolgung und Diskriminierung von Christen“

Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) und die Weltweite Evangelische Allianz (WEA) haben zum Schutz von weltweiter Religionsfreiheit gemahnt. Ein Befund der am Mittwoch veröffentlichten Jahrbücher „Religionsfreiheit 2020“ und „Verfolgung und Diskriminierung von Christen“ ist: Christenverfolgung ist auch in Deutschland ein Thema. Mit Diskriminierung und Marginalisierung aufgrund der religiösen Überzeugung haben demnach in Deutschland vor allem Migranten zu tun. Dies gelte besonders im Kontext von Konversion. Die Jahrbücher, dabei handelt es sich um ein Wendebuch, sammeln auf mehr als 600 Seiten in Länderberichten und Analysen Fakten über die Lage der weltweiten Religionsfreiheit als zentrales Menschenrecht.

In dem Buch heißt es, dass auch in Deutschland der öffentliche Diskurs schärfer werde und dabei „Christen beziehungsweise christliche Werte häufiger Ziele von verbalen Anfeindungen“ würden. Die Schärfe von Diskursen lasse sich beispielsweise bei der Berichterstattung über Evangelikale und deren Meinung über Donald Trump oder Debatten über Homophobie erkennen. In ihrer Bilanz zur weltweiten Religionsfreiheit empfehlen die Autoren beim „Gebrauch des Begriffes Christenverfolgung im Zusammenhang mit der Lage in Deutschland“ jedoch Zurückhaltung. Der Einsatz für verfolgte Christen soll nach eigenem Bekunden in den Kontext von Religionsfreiheit als einem Teil aller Menschenrechte gestellt werden, um „die Lage – nicht nur – der verfolgten Christen zu verbessern“. Die aktuelle Ausgabe analysiert unter anderem die Hintergründe der Umwandlung der Hagia Sophia als Moschee und dokumentiert die Verfolgung der Bahá’í im Iran, der Sikhs in Afghanistan und der Ahmadi in Pakistan.

Schirrmacher: „Beim Thema Religionsfreiheit alle Weltanschauungen in den Blick nehmen“

Thomas Schirrmacher, Präsident des Internationalen Rats der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte, warnte vor der Annahme, dass es im christlich geprägten Europa keine Verfolgung von Christen gebe. „Es gibt Diskriminierung von Christen durch Christen“, erklärte Schirrmacher und mahnte, bei dem Thema Religionsfreiheit stets alle Weltanschauungen und sämtliche Menschenrechte in den Blick zu nehmen. Diskriminierung von Christen durch Christen ist nach Angaben von Schirrmacher am auffälligsten in den Ländern, in denen eine orthodoxe Kirche Mehrheitsreligion ist, da dort oft bereits andere orthodoxe Kirchen diskriminiert würden und dies abgestuft Katholiken und Protestanten treffe. In Griechenland sei das durch die EU-Mitgliedschaft abgefedert, aber ständig Thema von Urteilen des Europäischen Gerichtshofes gegen Griechenland. In Russland sei nach Schirrmachers Einschätzung „eine normale Entfaltung protestantischen Lebens kaum gegeben“ und auch die katholische Kirche werde schwer behindert und als Feind gesehen. Religionsfreiheit müsse wie die Pressefreiheit als ein Menschenrecht verstanden und gleichermaßen berücksichtigt werden. „Die Menschenrechte sind sehr miteinander verschränkt und wir dürfen kein Recht aussortieren“, erklärte der Theologe. Als Beispiel führte Schirrmacher die Türkei ein. In dem Land werde die Diskriminierung von Christen sehr leicht greifbar, aber auch Atheisten seien in dem Land ihres Lebens nicht mehr sicher.

Die Politik sei für Entscheidungen auf Fakten angewiesen. Diese wollen die Herausgeber Politikern und Parteien mit ihrem Jahrbuch an die Hand geben. Weil sich nach Worten Schirrmachers „die meisten Politiker in ihrem Privatleben alles andere als religiös“ zeigten, verstünden viele von ihnen kaum, worüber im Kern bei dem Thema Religionsfreiheit diskutiert werde. Der Politik wollen die Herausgeber auch deutlich machen, dass das Thema die Bevölkerung interessiert.

Lessenthin: „Haben lediglich moralische Argumente für Menschenrechte“

Der Politik-Beauftragte der Deutschen Evangelischen Allianz, Uwe Heimowski, begrüßte, dass die Bundesregierung sich des Themas Religionsfreiheit angenommen und dazu einen Beauftragten eingesetzt habe. Die Einsetzung von Markus Grübel (CDU) wertete Heimowski als ein Ergebnis jahrelanger Bemühungen der DEA. Der jüngste Bericht Grübels zeige, dass das Thema Religionsfreiheit nicht länger unter „ferner liefen“ in der Politik einsortiert werde. Der DEA-Politikbeauftragte forderte, dass bei Verhandlungen mit anderen Staaten der Dialog über Einhaltung und Umsetzung von Menschenrechten beständig gesucht werden müsse.

Martin Lessenthin, Sprecher des Vorstands der IGFM, verwies bei der Vorstellung der Jahrbücher darauf, dass Menschenrechtsorganisationen allein über das „friedliche Mittel“ des „Lautwerdens“ gegenüber der Politik verfügten und über „moralische Argumente“. Lessenthin wünschte vonseiten der deutschen Wirtschaft mehr Sensibilität im Umgang mit Religionsfreiheit und Menschenrechten. Firmen, wenn sie im Ausland tätig würden, dürften nicht die „Kultur der Verfolgung“ der Länder übernehmen, sondern sollten in Verhandlungen, in Produktionsstätten im Ausland und im Umgang mit den Mitarbeitern dort erkennbar zu den Werten des Grundgesetzes stehen. Nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie habe die Verfolgung von Christen und die Zerstörung von Gotteshäusern in der Volksrepublik China weiter angehalten. Lessenthins Angaben zufolge lege das Jahrbuch dar, dass die Kommunistische Partei Chinas um jeden Preis sicherstellen möchte, dass christliches Leben in der Öffentlichkeit nicht mehr existiert.

Die Jahrbücher Religionsfreiheit erscheinen seit 2014 jährlich. Thomas Schirrmacher ist federführender Herausgeber der Jahrbücher. Die Ausgaben 2015 bis 2020 sind zudem als Download verfügbar.

Von: Norbert Schäfer

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