Hinduismus bedroht Christen immer stärker

In Indien und Nepal geraten Christen immer mehr unter Druck. Das ergibt der Weltverfolgungsindex des christlichen Hilfswerkes Open Doors. In den vergangenen Jahren sind demnach hindu-nationalistische Bewegungen immer stärker geworden. In anderen Regionen der Welt bedrohe weiterhin zunehmend ein politischer Islam die Freiheit von Christen.
Von Jonathan Steinert
Indien

Die hindu-nationalistische Bewegung in Indien wird immer stärker – und mehr und mehr zur Gefahr für Christen und andere Minderheiten. Diesen Trend zeigt der diesjährige Weltverfolgungsindex des christlichen Hilfswerks Open Doors auf, den die Organisation am Mittwoch veröffentlichte. Vor vier Jahren lag Indien, das mehr als eine Milliarde Einwohner hat, auf Platz 28 derjenigen Länder, in denen Christen am meisten verfolgt werden. Seitdem ist es immer weiter nach vorn gerückt und liegt jetzt auf dem elften Rang. „Im Jahr 2017 wurde mit über 600 eine Rekordzahl an Übergriffen gegen Christen registriert“, heißt es im Bericht von Open Doors. Eingerechnet sind bei dieser Zahl Bedrohungen, gesellschaftliche Ausgrenzungen, Verhaftungen, Missbrauch und andere Formen der Diskriminierung.

Indien durchlaufe einen „Prozess der Hinduisierung“ in Verbindung mit wachsendem Nationalismus. Basis dafür sei die Hindutva-Ideologie, derzufolge jeder Inder ein Hindu zu sein habe. Radikale Hindus wollten das Land bis 2021 von Muslimen und Christen befreien. Auch der politische Arm der hinduistischen Bewegung, die Bharatiya Janata Partei (BJP), habe an Einfluss gewonnen. Sie regiert in mehreren Bundesstaaten, ist seit 2014 auch im Parlament die stärkste Partei und stellt den Premierminister Narendra Modi. Dieser leugne, dass Minderheiten in seinem Land verfolgt würden. „Gewalt gegen Christen wird vom Staat unterstützt, indem die Täter nicht zur Rechenschaft gezogen werden oder nur geringe Strafen bekommen. Das ermutigt die Anhänger von Modi, solche Übergriffe zu begehen, weil sie nicht viel zu befürchten haben“, erklärt Markus Rode, Leiter von Open Doors Deutschland, im Gespräch mit pro.

Nepal erstmals auf dem Index

„Sehr viele Dalits, die sogenannten Kastenlosen auf der untersten Ebene der gesellschaftlichen Hierarchie, sind Christen geworden. Der christliche Glaube wächst also“, erklärt Rode. Extremisten verfolgen jedoch einen konkreten Plan, wie Christen zurück in die Hindu-Gemeinschaft gebracht werden sollen, heißt es im Bericht der Organisation. Das beginne damit, dass der Pastor einer Gemeinde vertrieben werde. Christen würden dann daran gehindert, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, etwa Lebensmittel zu kaufen oder Handel zu treiben. Schließlich komme es auch zu gewaltsamen Übergriffen bis dahin, dass Christen gezwungen würden, in hinduistischen Tempeln zu beten, und sie mit den Fäkalien einer Kuh, dem heiligen Tier, „gereinigt“ würden.

Ähnliche Entwicklungen gibt es laut Open Doors auch in Nepal, dem nördlichen Nachbarland im Himalaya. Dieses Land steht dieses Jahr zum ersten Mal auf dem Index – an 25. Stelle. „2017 war ein schwarzes Jahr für Indien und Nepal, und wenn der Trend anhält, wird 2018 schlimmer“, resümiert der Bericht. Auch in vorwiegend buddhistischen Ländern wie Sri Lanka und Myanmar gebe es einen Trend zu religiösem Nationalismus. Christen würden zum Teil aus Dorfgemeinschaften ausgeschlossen oder bei politischen Entscheidungen benachteiligt.

Islamischer Staat breitet sich nach Asien aus

In zahlreichen Ländern – in Nordafrika, im Mittleren und Nahen Osten, in Zentralasien, Indonesien und auf den Philippinen – bedroht nach Angaben von Open Doors nach wie vor und in zunehmendem Maße der politische Islam die Freiheit und das Leben von Christen. Allein unter den zehn Ländern, wo Christen am stärksten verfolgt werden, sind acht wesentlich vom Islam geprägt. Die islamistische Bewegung mit ihrer politischen Agenda einer islamischen Herrschaft unter der Scharia-Gesetzgebung sei „eine Bedrohung für die Religionsfreiheit und auch für ganze Staaten“.

Die Terrororganisation Islamischer Staat etwa versuche, verstärkt in Asien Fuß zu fassen und ihre extremistische Ideologie zu verbreiten, etwa auf den Philippinen, in Afghanistan und Bangladesch. Jedoch seien fast alle Länder Asiens von der Zunahme des militanten Islam betroffen. Saudi-Arabien könne durch Investitionen seinen Einfluss in anderen Ländern wie den Malediven und Indonesien stärken. Das trage zur Verbreitung des fundamentalistisch geprägten wahabbitischen Islams bei. „So entstehen von Intoleranz geprägte Gesellschaften, die nur den Islam zulassen und somit Religionsfreiheit mit Füßen treten“, schätzt Open Doors diese Entwicklung ein. In Indonesien wollten Muslime Christen mit Kampagnen zum Islam bekehren, finanziell unterstützt von der Regierung.

Ein nigerianischer Pastor in den Trümmern seiner Kirche. Im Norden des westafrikanischen Landes sucht unter anderem die islamistische Terrormiliz Boko Haram die Bevölkerung heim. Foto: Open Doors
Ein nigerianischer Pastor in den Trümmern seiner Kirche. Im Norden des westafrikanischen Landes sucht unter anderem die islamistische Terrormiliz Boko Haram die Bevölkerung heim.
In den Resten eines Hauses im Irak sind Figuren der Weihnachtskrippe aufgebaut. Die Terrororganisation Islamischer Staat habe zwar an Einfluss verloren, aber nach wie vor verließen Christen das Land aus Angst und Perspektivlosigkeit, berichtet Open Doors. Foto: Open Doors
In den Resten eines Hauses im Irak sind Figuren der Weihnachtskrippe aufgebaut. Die Terrororganisation Islamischer Staat habe zwar an Einfluss verloren, aber nach wie vor verließen Christen das Land aus Angst und Perspektivlosigkeit, berichtet Open Doors.

Dass in diesem Jahr die muslimischen Rohingya aus Myanmar vertrieben wurden, könnte „für Dschihadisten auf der ganzen Welt wie ein Aufruf zum Kampf wirken. Das gilt umso mehr, je stärker im Nahen Osten der Druck auf sie steigt.“ Zudem beobachtet Open Doors in mehreren Ländern südlich der Sahara, beispielsweise im Sudan, in Nigeria oder im Nordosten Kenias, „eine ethnische Säuberung auf Basis von Religionszugehörigkeit“. Dahinter stehe die Auffassung, dass sich Christen auf „muslimischen Territorium“ befänden.

Nordkorea ist auf dem Index unverändert das Land, in dem Christen am stärksten unterdrückt werden. Insgesamt geht Open Doors von mehr als 200 Millionen Christen aus, die wegen ihres Glaubens ausgegrenzt, unterdrückt oder verfolgt werden. Gleichzeitig stellt das Hilfswerk fest, dass christliche Gemeinden im Untergrund wachsen. Auch Christen in Gefängnissen würden dort ihren Glauben bezeugen.

Abschiebepraxis „verantwortungslos“

Kritik übt Open Doors Deutschland daran, dass hierzulande konvertierte Christen aus Afghanistan und dem Iran abgeschoben werden. „Sie werden zurück in die Hände ihrer Henker geliefert“, sagte Rode zu pro. „Man weiß, dass gerade in den Gefängnissen im Iran viele Konvertiten auf brutalste Weise gefoltert werden.“ Dies zu ignorieren, sei „unfassbar verantwortungslos“.

Mit Blick auf die Situation von Flüchtlingen in Deutschland sagte Rode: „Man muss sehen, dass es in Deutschland massive Menschenrechtsverletzungen gegen christliche Flüchtlinge gegeben hat. Ich wünsche mir, dass Politiker dieses Thema mutiger in der Öffentlichkeit ansprechen und dass Menschenrechte nicht von Political Correctness überlagert werden.“ Zudem appellierte Rode an Christen, enger zusammenzustehen, um verfolgten Glaubensgeschwistern Beistand zu leisten.

Markus Rode, Leiter von Open Doors Deutschland Foto: Open Doors
Markus Rode, Leiter von Open Doors Deutschland

Open Doors veröffentlicht den Weltverfolgungsindex jedes Jahr. Mit dem Begriff der Christenverfolgung orientiert sich das Hilfswerk nach eigenen Angaben an der Definition der Vereinten Nationen. Jeder Mensch erlebe Verfolgung jedoch subjektiv. Die Organisation, die in 60 Ländern mit eingeschränkter Glaubensfreiheit tätig ist, versteht den Index daher auch nicht als Statistik, sondern als Instrument, die „persönliche Dimension der gegenwärtigen Christenverfolgung besser erfassbar zu machen“. Für den Index werden verschiedene Lebensbereiche analysiert, in denen Verfolgung erlebt werden kann: privates Leben, Familie, gesellschaftliches Leben, Leben im Staat, kirchliches Leben sowie die Erfahrung physischer Gewalt.

Von: Jonathan Steinert

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