Berliner Kirchengemeinde betet für Menschenrechtler in türkischer Haft

Der deutsche Menschenrechtsaktivist, Dokumentarfilmer und Trainer im Bereich der Gewaltlosigkeit, Peter Steudtner, sitzt seit drei Wochen in der Türkei in Haft. Die Kirchengemeinde, zu der der 45-Jährige seit vielen Jahren gehört, will regelmäßig für ihn beten.
Von Jörn Schumacher
Der Menschenrechtsaktivist und Dokumentarfilmer Peter Steudtner, der seit dem 5. Juli in der Türkei in Haft sitzt, ist langjähriges Mitglied der Gethsemanekirche in Berlin

Peter Steudtner arbeitete als Dokumentarfilmer bereits in Kenia, Angola, den Palästinensischen Autonomiegebieten, Nepal, Mosambik und anderen Krisengebieten. Steudtner, der Politikwissenschaften in Berlin studierte, ist zudem als Schulungsleiter im Bereich Gewaltfreiheit tätig. Seit 2014 befasst er sich mit dem Thema Digitaltechnologie in der Menschenrechtsarbeit.

Am 5. Juli 2017 wurde er gemeinsam mit neun Mitarbeitern von Amnesty International von der türkischen Polizei festgenommen. Wie das Auswärtige Amt mitteilte, war Steudtner in die Türkei gereist, um am Seminar einer Menschenrechtsorganisation auf einer Insel im Marmara-Meer teilzunehmen. Eine Sondereinheit der türkischen Polizei sei in das Seminar geplatzt und habe alle zehn Teilnehmer verhaftet – mit der Begründung, sie unterstützten den Terrorismus. „Die Vorwürfe sind offensichtlich unsubstantiiert und an den Haaren herbeigezogen“, erklärte Bundesaußenminister Sigmar Gabriel am Donnerstag. Er teilte weiter mit, insgesamt seien 22 deutsche Staatsangehörige seit dem gescheiterten Putschversuch aus politischen Gründen in türkische Haft genommen wurden. „Heute sitzen noch neun Deutsche in türkischer Untersuchungshaft.“ Darunter sind auch die Journalisten Deniz Yücel und Mesale Tolu.

Amnesty International ruft die internationale Staatengemeinschaft zum Handeln auf. Alle Staats- und Regierungschefs seien gefordert, Druck auszuüben, damit die „Menschenrechtsverteidiger“ freigelassen würden, sagte der Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, Markus Beeko. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte Steudtners Inhaftierung am Dienstag als „ungerechtfertigt“ verurteilt und seine Freilassung gefordert.

Evangelische Kirche fordert Freilassung Steudtners

Auch der Friedensbeauftragte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Renke Brahms, forderte die sofortige Freilassung Steudtners und der anderen Teilnehmer. „Dies ist augenscheinlich der Versuch der türkischen Regierung, die Arbeit von Menschenrechtsorganisationen im Land zu unterdrücken und Bürgerrechtler weiter einzuschüchtern“, kritisierte Brahms, der auch der Leitende Geistliche der Bremischen Evangelischen Kirche ist. Steudtner habe sich als Friedensarbeiter in vielen Regionen der Welt immer wieder für die Zivilgesellschaft und eine zivile Konfliktlösung eingesetzt, so auch für „Brot für die Welt“ und andere Organisationen.

Steudtner gehöre der Berliner Gethsemanekirche an und sei dort seit vielen Jahren ein engagiertes Mitglied, sagte der Geschäftsführer der Evangelischen Kirchengemeinde Prenzlauer Berg Nord, Frank Esch, dem Tagesspiegel. Die Gemeinde hielt am Donnerstag eine Andacht für ihn ab. Unter den rund 150 Gästen war auch Propst Christian Stäblein. Außerdem fand in der Kunstfabrik Schlot ein Solidaritätskonzert statt.

Der Journalist Sidney Gennies schrieb in einem Kommentar im Tagesspiegel: „Steudtner spricht fließend portugiesisch, half Kindersoldaten in Mosambik, wieder neuen Lebensmut zu finden. Seinen eigenen Lebensmut, hoffen Freunde, schöpft Peter Steudtner jetzt aus seinem Glauben.“

Die Kirchengemeinde teilte mit, regelmäßig für ihr langjähriges Mitglied beten zu wollen. „Wir wollen jeden Montag abends um 18 Uhr die Kirche für ein Gebet öffnen“, sagte Zeiske gegenüber pro. „Beginnend mit dem nächsten Montag wollen wir das Gebet ausweiten auf eine Fürbittenandacht, also auch mit liturgischen Elementen und Liedern.“ Weiter sagte der Pfarrer, er kenne Steudtner seit 17 Jahren und habe etwa einen seiner beiden Söhne getauft. In der Gemeinde sei Steudtner für die Kinder- und Jugendarbeit zuständig und zudem ein gefragter Mediator. „Er ist ein Mann, der die Bergpredigt, die Gewaltlosigkeit und den Frieden lebt“, sagt Zeiske. „Für mich und alle, die ihn kennen, ist die Vorstellung völlig absurd, dass ihm die Unterstützung von Terrorismus unterstellt wird.“

Die Gethsemanekirche war in der Wendezeit ein Treffpunkt für politisch Andersdenkende in der DDR. Im April 1990 kam die erste freigewählte DDR-Volkskammer vor ihrer konstituierenden Sitzung dort zum Gottesdienst zusammen. (pro)

Von: js

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