Ates bringt Feuer in Diskussion um Religionsfeindlichkeit

Ist Deutschland religions- und islamfeindlich? Wenn ja, woran liegt das und vor allem, was kann man dagegen tun? Über diese Fragen sprachen am Freitag auf dem Kirchentag Christen und Muslime. Darunter der Berliner Bischof Markus Dröge und die Rechtsanwältin und Autorin Seyran Ates.
Von Christina Bachmann
Diskutierten im Rahmen des Kirchentages über Religionsfeindlichkeit: die Autorin Seyran Ates und der Berliner Bischof Markus Dröge

„Ates heißt Feuer“, lautete der Kommentar der Berliner Rechtsanwältin und Autorin Seyran Ates, als der Moderator ihr bescheinigte, Feuer in die Gesprächsrunde gebracht zu haben. Der Applaus zeigte, dass die Frau mit dem grauen Kurzhaarschnitt die Sympathien vieler Zuhörer hatte. Die Muslima will in drei Wochen eine liberale Moschee in Berlin eröffnen, in der Männer und Frauen gemeinsam beten können. Sie werde dafür vor allem von Muslimen beschimpft, stellte Ates klar. „Ich kriege in diesen Tagen Briefe von Muslimen, die mich töten und auf meine Leiche spucken wollen.“

Ihre Vorredner hatten angemerkt, dass Islamfeindlichkeit in Deutschland besser als Muslimfeindlichkeit bezeichnet werden müsse. Laut Heiner Bielefeldt, ehemaliger Sonderberichterstatter für Religionsfreiheit des UN-Menschenrechtsrats, werde dabei stark polarisiert: „Wir sind modern und aufgeklärt – und der Islam hat die Moderne noch nicht erreicht oder ist vielleicht sogar prinzipiell aufklärungsresistent.“ Komme dann noch die Genderfrage hinzu, werde die Diskussion kompliziert. Schnell lande man dann bei dem Muster, die eigene „liberale Substanz“ in der Absicht zu beschwören, die anderen auszugrenzen.

Negative Assoziationen spielten Gewalttätern in die Hände

Die Islamwissenschaftlerin Riem Spielhaus ergänzte, dass Islamfeindlichkeit mit einem „Eigentlich“ argumentiere: So sei der „eigentliche Islam“ homophob, frauenfeindlich und gewaltbereit. Liberale Muslime seien dagegen „eigentlich“ keine echten Muslime. Laut Spielhaus belegt eine Studie vor allem in Deutschland eine stark ausgeprägte negative Einstellung gegenüber Muslimen. Mit dem Islam würden in erster Linie negative Begriffe assoziiert. Genau das spiele aber Gewalttätern in die Hände, die ja gerade eine Spaltung wollten.

Dass es Islamfeindlichkeit gebe, stehe für sie außer Frage, wandte wiederum Seyran Ates ein. Auch sie bekomme Post dahingehend, dass der Islam nicht demokratiefähig sei und nicht zu Deutschland gehöre. Aber gleichzeitig seien Hasspredigten in Moscheen auch in Deutschland eine Realität. „Leider Gottes werden im Namen des Islam Menschen in die Luft gejagt“, sagte die Rechtsanwältin. Ihr Appell an friedliche Muslime lautete deshalb, sichtbar zu werden. „Gibt es wirklich so viele friedliche liberale Muslime? Dann können sie ihr Gesicht zeigen und auf die Straße gehen, wenn Anschläge wie in Manchester passieren.“

Aiman Mazyek, Sprecher des Koordinierungsrates der Muslime, konnte das so nicht stehen lassen. Er vermisse Ates‘ Stimme bei Übergriffen auf Muslime oder Angriffe auf Moscheen. Muslime seien alles andere als demokratiefeindlich. „Wir wären mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn wir unser Grundgesetz mit Füßen treten würden“, fand Mazyek. Es gewährleiste schließlich auch die Rechte der Muslime. Auch wenn der Aspekt der Islamfeindlichkeit bei der Diskussion vorherrschte, war es Berlins Bischof Dröge wichtig, auch auf Religionsfeindlichkeit generell hinzuweisen. Bisher sei er von einem Desinteresse der Menschen an Religion ausgegangen. Nun aber erlebe er Ablehnung, die zum Teil auch aggressiv geäußert werde. Religion werde als etwas empfunden, was Menschen gegeneinander aufbringe. Außerdem habe er rund um den Kirchentag die Frage gehört, warum die Öffentlichkeit das eigentlich mitfinanzieren müsse. „Fragt das irgendjemand, wenn eine Woche später der Turnerbund kommt oder wenn wer weiß was für ein Aufwand getrieben wird, wenn Bundesligaspiele sind?“, merkte Dröge an.

Mehr Augenmerk auf das Gemeinsame

Was ist nun aber zu tun, wie kann die Gesellschaft „Feindlichkeiten“ entgegengewirken? Religionskritik sei durchaus sinnvoll, gab der Theologe Bielefeldt zu verstehen. Allerdings nur, wenn sie nicht ausgrenze, sondern das Gespräch suche. Bischof Dröge setzt auf das Miteinander ohne Vermischung. Er erwähnte den Gedanken eines „Campus der Theologien“ und verwies auf das in Berlin geplante „House of One“, das unter seinem Dach eine Kirche, eine Moschee und eine Synagoge beherbergen soll. „Es gibt noch nicht viele solcher Räume, aber wir müssen sie schaffen“, betonte Dröge. Seyran Ates warb für ihre liberale Moschee, Spielhaus wünschte sich von Seiten der Medien mehr Augenmerk darauf, wenn Christen, Muslime und Juden etwas gemeinsam täten. „Es besteht in unserer Gesellschaft trotz allem immer noch ein Grundvertrauen auch in die muslimische Bevölkerung“, glaubt Aiman Mazyek. Das sei allerdings fragil und müsse mit Veranstaltungen unterfüttert werden. (pro)

Von: Christina Bachmann

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