Tödliche Schüsse vor Synagoge in Halle

In Sachsen-Anhalt haben Unbekannte auf mehrere Ziele geschossen. Zwei Menschen starben bei den Angriffen unter anderem in der Nähe der Synagoge in Halle. Die Täter sollen auch versucht haben, gewaltsam in die Synagoge einzudringen, in der die Gemeinde das Jom-Kippur-Fest feierte.
Von PRO
Die Synagoge im Paulus-Viertel in Halle wurde offenbar Ziel eines Angriffes

Bei Angriffen mitten in Halle/Saale haben schwer bewaffnete Täter vor einer Synagoge und in einem Döner-Imbiss zwei Menschen erschossen. Die Stadt Halle sprach am Mittwoch von einer „Amoklage“. Die Polizei teilte am Mittag mit, mehrere bewaffnete Täter seien mit einem Auto auf der Flucht. Am frühen Nachmittag meldete die Polizei die Festnahme einer Person. Der Generalbundesanwalt zog die Ermittlungen an sich – wegen Mordes von besonderer Bedeutung. Ob es sich um eine antisemitische Tat handelt, sei noch unklar, sagte ein Sprecher in Karlsruhe.

Nach Angaben des Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde zu Halle, Max Privorozki, richtete sich der Angriff der Täter direkt gegen die Synagoge, in der zu dem Zeitpunkt 70 bis 80 Menschen den höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur feierten. „Wir haben über die Kamera unserer Synagoge gesehen, dass ein schwer bewaffneter Täter mit Stahlhelm und Gewehr versucht hat, unsere Türen aufzuschießen“, sagte Privorozki der Stuttgarter Zeitung und den Stuttgarter Nachrichten. „Aber unsere Türen haben gehalten.“ Der oder die Täter hätten außerdem versucht, das Tor des danebenliegenden jüdischen Friedhofs aufzuschießen, sagte der Vorsitzende. Ein Täter hatte auch selbstgebastelte Sprengsätze vor der Synagoge abgelegt, hieß es aus Sicherheitskreisen.

Schutz vor Synagogen erhöht

Auch Stunden nach den Taten gab die Polizei keine Entwarnung. Die Stadt rief die Menschen überall in Halle dazu auf, in Sicherheit in Gebäuden zu bleiben. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte in Berlin, die Hintergründe der Tat seien noch nicht bekannt. Die Polizei warnte vor Spekulationen.

Etwa 30 Meter vor der Synagoge lag am frühen Nachmittag ein Todesopfer auf einer Straße mit einer blauen Decke bedeckt gegenüber der Synagoge, wie ein dpa-Reporter berichtete. Zudem soll nach Augenzeugenberichten ein Täter in einem Kampfanzug mit einem Gewehr in einen Döner-Laden geschossen und einen Besucher getötet haben. Es gab mindestens zwei weitere Verletzte. Sie wurden in das Universitätsklinikum Halle gebracht. „Ein Patient hat Schussverletzungen und wird gerade operiert“, sagte ein Kliniksprecher.

Auch in Landsberg, rund 15 Kilometer östlich von Halle, gab es Schüsse, bestätigte eine Polizeisprecherin in Halle. Menschen sollen auch hier Gebäude und Wohnungen nicht verlassen, hieß es. Die Zufahrt zu dem Ortsteil Wiedersdorf war abgesperrt. Mehrere Mannschaftswagen der Polizei, darunter auch Fahrzeuge aus Sachsen, waren vor Ort. Auch zwei Krankenwagen waren zu sehen. Am Mittwochnachmittag gegen 16 Uhr landete auf einem Feld bei Wiedersdorf nach Angaben eines dpa-Reporters zudem ein Hubschrauber der Bundespolizei. Angaben zu den Hintergründen machte die Polizei nicht.

Die Stadt Halle berief einen Krisenstab ein. Alle Rettungskräfte der Feuerwehr seien in Alarmbereitschaft versetzt worden. Die Polizei zog seit den Mittagsstunden alle verfügbaren Kräfte in Sachsen-Anhalt ab und verlegte sie nach Halle. Im benachbarten Leipzig verstärkte die Polizei ihre Kräfte vor der Synagoge. Auch vor der Synagoge in Dresden wurde nach Angaben der Polizei der Schutz erhöht. In anderen deutschen Städten wurde der Schutz ebenfalls entsprechend verstärkt.

Politiker reagieren betroffen

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) zeigte sich entsetzt über die Tat. „Es wurden durch sie nicht nur Menschen aus unserer Mitte gerissen, sie ist auch ein feiger Anschlag auf das friedliche Zusammenleben in unserem Land.“ Er kehrte von einer Konferenz in Brüssel vorzeitig zurück. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte in Berlin, die Bundesregierung hoffe, dass der Täter oder die Täter schnell gefasst würden. Die Gedanken gingen „an die Freunde und die Familien der Todesopfer“, sagte er.

Der Grünen-Politiker Cem Özdemir twitterte: „Schreckliche Nachrichten aus Halle, heute am jüdischen Versöhnungstag Jom Kippur. Ich bin erschüttert & traurig.“ Allen Verletzten und Angehörigen wünschte er viel Kraft und dankte den Einsatzkräften. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch schrieb auf Twitter: „Am höchsten jüdischen Feiertag ein Anschlag auf jüdisches Leben in Deutschland – ekelhaft! Antisemitismus darf in unserer Gesellschaft keinen Millimeter Platz haben.“ AfD-Fraktionschefin Alice Weidel twitterte: „Meine Gedanken sind bei den Opfern und ihren Familien. Ich hoffe, die Polizei fasst den oder die Täter schnell, ohne dass weitere Menschen zu Schaden kommen.“ Auch aus dem Ausland kamen bestürzte Reaktionen. Das Europaparlament legte am eine Schweigeminute für die Opfer ein. In Gedanken sei man bei Deutschland, der deutschen Polizei und bei der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland, sagte Parlamentspräsident David Sassoli.

Die Angriffe ereigneten sich am Großen Versöhnungstag Jom Kippur, den Juden traditionell mit Fasten und Beten zubringen. Dabei halten sie sich viele Stunden in der Synagoge oder in Jerusalem auch an der Klagemauer auf. Ob die Schüsse speziell gegen Juden gerichtet waren und wer dahinter steckt, ist noch unklar. Da an Jom Kippur das öffentliche Leben ruht, gibt es bislang keine offiziellen Reaktionen aus Israel. Das Fasten endet am Mittwochabend mit dem Sonnenuntergang.

Von: dpa/Elisabeth Hausen

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