„Antisemitismus bedroht uns alle“

Der Politiker und Religionswissenschaftler Michael Blume hat auf dem Israelkongress in Schwäbisch Gmünd über die katastrophalen Folgen des Antisemitismus für die gesamte Gesellschaft gesprochen. Niemand könne gleichzeitig ein richtiger Christ und antisemitisch sein.
Von PRO
Der Antisemitismus-Beauftragte in Baden-Württemberg, Michael Blume, bei seinem Vortrag am Freitag auf dem Israelkongress in Schwäbisch Gmünd

„In unserem Parlament gibt es einen Abgeordneten, einen Arzt aus Bayern, der behauptet, die Protokolle der Weisen von Zion seien echt.“ Das erzählte der Antisemitismus-Beauftragte in Baden-Württemberg, Michael Blume, am Freitagvormittag auf dem Israelkongress in Schwäbisch Gmünd zu der bekannten antisemitischen Fälschung. Blume hielt einen Vortrag über „Antisemitische Traditionen im Christentum und Islam“ im Forumssaal des Gästezentrums Schönblick.

Dieser gewisse Abgeordnete, führte Blume weiter aus, könne laut eigener Aussage keiner Kirche angehören, weil die alle „verjudet“ seien. Mit dieser kleinen Geschichte wollte der 43-jährige Politiker darauf aufmerksam machen, dass heutzutage Antisemiten überall in der Gesellschaft zu finden seien. „Antisemitismus bedroht uns alle“, sagte Blume. Er verwies dabei auf die diversen weltweiten Amokläufe in den vergangenen Monaten – auch auf das Massaker im neuseeländischen Christchurch, wo ein Attentäter eine Moschee stürmte. Ob links oder rechts gerichtete Amokläufer – die Idee von einer jüdischen Weltverschwörung spiele dabei immer wieder eine Rolle.

„Das setzt automatisch Gott herab“

„Dieser Hass führt immer in den Abgrund“, sagte Blume. „Wer ein Volk oder eine Religion ablehnt und vernichten will, vor dem sind auch die anderen Völker nicht sicher.“ Für Blume, der sich erst als Erwachsener taufen ließ, können Antisemiten auch keine Christen sein. „Wenn sie glauben, dass die Welt von bösen Mächten beherrscht wird, setzen sie automatisch Gott herab. Es ist eine Frage des Herzens, ob wir an das Gute oder das Böse glauben.“

Nach der Minderheit der christlichen Araber in Israel gefragt, denen es laut eines Zuschauers aus dem Plenum schlecht ginge, antwortete Blume, dass Israel bei aller zulässiger Kritik an politischen Entscheidungen eine Demokratie sei. „Die Menschen können wählen und vor Gericht ziehen. Das kann ich nicht von Menschen im Westjordanland behaupten“, sagte Blume.

Blume referierte ohne Skript grob skizziert die Entwicklung des Antisemitismus im Christentum wie im Islam. Er warf immer wieder spannende Schlaglichter auf Zeitabschnitte, erklärte die Herkunft des Begriffs anhand von Noahs Sohn Sem. Der komme zwar in der Bibel nur kurz vor, sei aber von den Rabbinern im Talmud ausgearbeitet worden. Der darauf fußende Semitismus sei „die Grundlage unserer gesamten Kultur, Bildung und des Rechtssystems“. Wer sich dagegen wende, reiße der eigenen Kultur die Wurzeln aus.

Warum „N wie Nathan“ zurückgeholt werden muss

Aus diesem Grund setzten Extremisten wie Islamisten bei der Zerstörung auch immer erst bei der Bildung und dem Rechtssystem an. Als Beispiel nannte er die in Nigeria agierende Terrorgruppe Boko Haram, die es auf Mädchenschulen abgesehen hat. „Die wollen nicht, dass Frauen zur Schule gehen, weil Mütter die Bildung an ihre Kinder weitergeben.“

Bei seinem Rundumblick sprach Blume anhaltend über den christlichen Antisemitismus. Bei den späten Äußerungen Martin Luthers zur „Judensau“ sei dem Politiker beim Lesen schlecht geworden. Die Nationalsozialisten hätten im Jahr 1934 das Buchstabier-Alphabet geändert. Früher habe es „N wie Nathan“ und „D wie David“ gehießen. Wegen Hitler sei da ein „N wie Nordpol“ draus geworden. Blume setzt sich dafür ein, dass die Deutschen die Buchstabiermethode „N wie Nathan“ wiederbekommen.

Der Israelkongress in Schwäbisch Gmünd findet vom 19. bis 22. September statt. Unter dem Motto „Israel – Licht der Welt?!“ erzählen israelische Persönlichkeiten wie der messianische Jude und Pastor Samuel Smadja und die christliche Araberin Sara Sakhnini sowie deutsche Personen wie der Theologe Tobias Krämer von ihrer Perspektive auf das Thema. Inklusive der geladenen Gäste werden mehr als 350 Menschen auf dem Kongress als Besucher erwartet.

Von: Michael Müller

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