„Generation Internet“ zwischen Glück und Abhängigkeit

Das Internet ist für Jugendliche und junge Erwachsene Fluch und Segen zugleich. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI) sind digitale Infrastrukturen und Angebote für sie unverzichtbar. Trotzdem blicken vier von zehn Befragten skeptisch in eine rein digitale Zukunft.
Von PRO
Viele Jugendliche sind dauernd online. Trotzdem sehen vier von zehn Befragten dieser Zielgruppe skeptisch in eine rein digitale Zukunft.

Die junge Generation verbindet mit dem Internet hauptsächlich Chancen. Aber sie sieht verstärkt auch die Risiken. Persönliche Angriffe, Falschinformationen, eine zunehmende Komplexität und fehlendes technisches Verständnis sorgen für Unbehagen und einen grundlegenden Wandel in der Nutzung und Wahrnehmung sozialer Medien. Das geht aus der repräsentativen U25-Studie hervor, die das Deutsche Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI) in Berlin vorgestellt hat.

Digitale Infrastrukturen und Angebote erleichtern den Zugang zu Informationen erheblich, beschleunigen ehemals mühsame Vorgänge und inspirieren zu Neuem. 68 Prozent können sich ein Leben ohne Internet nicht mehr vorstellen. Vor vier Jahren lag dieser Wert sogar noch bei 73 Prozent. Das Netz ist aus der Sicht junger Menschen vor allem praktisch. 69 Prozent sagen sogar, dass es sie glücklich macht.

Jeder Fünfte ist „vom Internet genervt“

Gegenüber der Vorgänger-Studie ist auch die Angst vor der Veröffentlichung peinlicher oder intimer Posts (um 18 Prozentpunkte) gestiegen. 16 Prozent mehr Jugendliche haben Angst vor Fake-Profilen, also der Täuschung durch gefälschte Nutzerprofile. 44 Prozent der Befragten nehmen Fake-Profile als eines der größten persönlichen Risiken im Netz wahr.

Bei den 14- bis 17-Jährigen haben drei von zehn Befragten Angst davor, internet-süchtig zu werden. Bei der Altersgruppe zwischen 18 und 24 Jahren lag dieser Wert bei 26 Prozent. Sie nehmen das eigene Nutzungsverhalten bereits als problematisch wahr. 64 Prozent haben das Gefühl, im Internet Zeit zu verschwenden; 19 Prozent sind gar vom Internet genervt.

Zahl der Internet-Skeptiker verdoppelt

Die „Generation Internet“ fühlt sich laut der Studie unzureichend auf eine digitale Zukunft vorbereitet. Digitale Kompetenzen eignen sich die Befragten zumeist in Eigenregie an. 41 Prozent der jungen Menschen zwischen 14 und 24 Jahren macht die Vorstellung Angst, dass in Zukunft vieles nur noch über das Internet erledigt werden kann. Damit hat sich diese Zahl gegenüber 2014 fast verdoppelt. Fast die Hälfte der Befragten wünscht sich, dass man in Zukunft weniger online ist.

Die Vorstellung der älteren Generationen, junge Menschen seien qua Geburtsjahr digital kompetent, lehnen 14- bis 24-Jährige entschieden ab. „Digital Native“ zu sein, sei aus ihrer Sicht kein Selbstläufer, sondern erfordere vielfach Kenntnisse und Anstrengungen. An die Sicherheit persönlicher Daten im Internet glauben nur noch 30 Prozent der jungen Generation.

Die Direktorin der Sozialforschung und Studienleiterin beim durchführenden SINUS-Institut, Silke Borgstedt, bilanziert, dass junge Menschen im Gegensatz zur Vorgängerstudie deutlich mehr Risiken bei der Nutzung des Internets wahrnehmen. Viele junge Menschen stellen zudem eine starke „Verrohung“ der Umgangsweisen im Netz fest und verhalten sich entsprechend vorsichtig und zurückhaltend. Zwei Drittel der 14- bis 24-Jährigen nehmen das Internet als Raum wahr, in dem diejenigen, die sich äußern, damit rechnen müssen, beleidigt oder beschimpft zu werden. Für 38 Prozent ist dieser Befund ein Grund dafür, seine eigene Meinung im Internet nicht zu äußern.

Eltern benötigen mehr Transparenz

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey sieht darin ernüchternde Ergebnisse. Wenn keine freie Meinungsäußerung mehr stattfinde, sei das ein erschreckendes Signal. Die junge Generation brauche Unterstützer und Begleiter, um das Internet unbeschwert zu nutzen. Ihr Ministerium arbeite derzeit an einem modernen Jugendmedienschutzgesetz, das Teilhabe, Befähigung und Schutz sichere. Von den Anbietern erwarte sie ausreichende Sicherungs- und Meldesysteme. Eltern benötigten mehr Transparenz darüber, welche Angebote und Apps für ihre Kinder geeignet sind und welche nicht.

Die stellvertretende DIVSI-Direktorin Joanna Schmölz unterstreicht: „Wir müssen uns schon fragen, was es über den Zustand unserer demokratischen Gesellschaft aussagt, wenn junge Menschen ausgerechnet in dem für sie wichtigsten Raum des Austausches aus Angst vor Beleidigungen und ‚Shitstorms‘ aufhören, ihre Meinung zu äußern.“

Von: Johannes Blöcher-Weil

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