Filme über Israel und Kirche gewinnen bei Berlinale

Missbrauch in der Kirche, ein Israeli in Frankreich und der Kampf einer Frau gegen ihr religiöses Umfeld - das sind die Themen der Filme, die dieses Jahr bei der Berlinale Preise abgesahnt haben: „Synonymes" erhielt den goldenen Bären, „Grace à Dieu“ den silbernen und „God exists, her name is Petrunija“ den Preis der Kirchen.
Von Anna Lutz
Im Film „Synonymes" sucht der Israeli Yoav in Frankreich nach einem neuen Leben

Die Kritiker hatten diesen Film vorab hochgelobt, es war zu erwarten: Der goldene Bär der Berlinale geht in diesem Jahr an das israelische Werk „Synonymes“ von Nadav Lapid. „Ich bin ausgebrochen“, sagt Hauptfigur Yoav darin. Der junge Israeli möchte nichts mehr, als seine Nationalität ablegen. Deshalb ist er nach dem Militärdienst vor seiner Familie und dem Jüdisch-sein nach Paris geflohen und hat seine Muttersprache gegen Französisch eingetauscht. Kein Wort Hebräisch soll ihm mehr über die Lippen kommen. In seinem Rucksack trägt er alles bei sich, was er besitzt – und wird prompt am ersten Tag seines neuen Lebens beim Duschen bestohlen.

Lapid macht in seinem Film das Ankommen in einer fremden Kultur zum Thema. Frankreich bietet da einen denkbar spannenden Gegensatz zur Heimat Yoavs. Antisemitismus ist ein Thema, aber auch der französische Laizismus, wenn die Lehrerin des Einbürgerungskurses erklärt, dass der Staat kein Geld für religiöse Belande bereitstelle: „Weil es keine Religion gibt. Weil Gott nicht existiert“, fasst sie das Prinzip zusammen. Weiter weg könnte Frankreich nicht von Israel sein.

Silberner Bär für wahre Geschichte über kirchlichen Missbrauch

Während Religion schon in „Synonymes“ eine Nebenrolle spielt, ist sie in dem Werk, das den zweiten Platz bei der Berlinale-Jury belegte, das bestimmende Thema: Den silbernen Bären erhielt Francois Ozons Film „Grace á Dieu“. Bei der Preisverleihung sagte der Regisseur, er habe damit die Stille dokumentieren wollen, die beim Thema Missbrauch von Kindern in der Kirche herrsche. Sein Film begleitet die Missbrauchsopfer des französischen Priesters Bernard Preynat auf dem Weg von ihrer ersten Aussage bis zum Prozess. Schmerzhaft detailliert zeigt er, wie zermürbend der Kampf gegen die Institution Kirche für die Betroffenen ist. Die Geschichte ist wahr, sie wird derzeit in Frankreich verhandelt. Preynat verging sich im Laufe seines Lebens an mindestens 70 Jungen.

Ozon zeigt in seinem Film, wie der Missbrauch sich einem Krebsgeschwür gleich durch die Leben der Protagonisten frisst und sie über die Jahre begleitet. Vor allem aber dokumentiert er die Vertuschung innerhalb der Kirche, etwa, wenn einem der Opfer ein Kirchenoberer rät: „Die Wunde wird Gott heilen, wenn wir nicht daran kratzen.“ „Grace à Dieu“ zieht sich über zwei Stunden in die Länge. So schafft Ozon ein Sinnbild dafür, wie langwierig und belastend die Arbeit der Opfer war. Der in der Kindheit erlebte Missbrauch drängt so neu in ihr Leben, nimmt allen Raum ein, zerstört Beziehungen und sogar die Gesundheit.

Die Frau, die Glück haben will

Die Ökumenische Jury zeichnete den Wettbewerbsfilm „God exists, her name is Petrunija“ aus. Anhand einer bizarr-komischen Geschichte thematisiert er den Kampf um mehr Frauenrechte in der Kirche und kritisiert Seilschaften zwischen Religion und Politik. Petrunija lebt in Mazedonien, ihr Umfeld ist vom orthodoxen Christentum geprägt. Einmal im Jahr veranstaltet die Kirche einen Wettbewerb, an dem nur Männer teilnehmen dürfen: Ein Pfarrer wirft ein Holzkreuz in den Fluß, wer es als erstes aus dem Wasser zieht, dem soll es den Rest des Jahres Glück bringen. Als Petrunija das Schauspiel beobachtet, beschließt sie intuitiv, teilzunehmen – und gewinnt. Damit aber macht sie sich nicht nur die Kirche, sondern auch die Polizei und die örtliche Männerwelt zum Feind. Fortan ist sie ihres Lebens nicht mehr sicher.

Teona Strugar Mitevskas Film ist ein Schrei nach mehr Frauenrechten in der Kirche. Die Regisseurin prangert deutlich an, dass das orthodoxe Christentum Männern in vielen Fragen den Vorrang gibt – ein Vorwurf, den auch Katholiken und Freikirchler auf sich beziehen können. Nebenbei stellen die Macher die Frage danach, woher die Regeln der Kirchen eigentlich kommen: Aus der Tradition oder tatsächlich von Gott? Und welchem von beiden geben Christen den Vorrang?

Mit der Ökumenischen Jury sind seit 1992 die internationalen Filmorganisationen der evangelischen und der katholischen Kirche – Interfilm und Signis – bei der Berlinale vertreten. Laut Berlinale ehrt die Jury mit ihrer Würdigung Filmschaffende, die in ihren Filmen ein menschliches Verhalten oder Zeugnis zum Ausdruck bringen, das mit dem Evangelium in Einklang steht, oder die es in ihren Filmen schaffen, das Publikum für spirituelle, menschliche und soziale Werte zu sensibilisieren.

Von: Anna Lutz

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