Felix Nmechas LGBT-Aussagen: Junger Christ auf Abwegen? 

Der Fußballprofi Felix Nmecha wechselt zu Borussia Dortmund. Doch dem Transfer ging eine intensive Diskussion voraus, weil dem jungen Sportler „Homophobie“ vorgeworfen wurde. Ein Zwischenruf von Hanno Herzler.
Von PRO
Fans von Borussia Dortmund sprechen sich gegen einen Transfer von Felix Nmcha aus

Es ist schon ein Kreuz: Da will ein junger Christ auch als Profifußballspieler seinen bibeltreuen Glauben bekennen – und stößt auf Unverständnis, Ablehnung und Hass. Hat er etwas falsch gemacht – und wenn ja, was? 

Felix Nmecha hatte bei Instagram Posts aus der US-amerikanischen fundamentalistisch-bibeltreuen Szene geteilt, die als homophob und transfeindlich eingeordnet wurden. Das löste Kritik aus, um nicht zu sagen, einen Shitstorm. Ins Visier der breiten Gesellschaft gerieten die Veröffentlichungen, als sich Nmechas Wechsel vom VfL Wolfsburg zu Borussia Dortmund anbahnte – der mittlerweile erfolgreich vollzogen ist. 

Er hat die Posts bald wieder gelöscht; aber natürlich blieben sie im Bewusstsein der Fans. Zum Beispiel zweifelte jemand auf Twitter an, dass Nmecha durch das Löschen seine Ansichten geändert habe. Obwohl jeder Mensch das Recht hat, umzudenken, erst recht aber ein 22-Jähriger. 

Das sagt der BVB-Wertekodex

Bei jeder Bewertung des Vorgangs gilt es, sich klarzumachen: Für unsere heutige „westliche“ Gesellschaft stellt es eine Leitdifferenz dar, ob jemand die Berechtigung abweichender sexueller Verhaltensformen anerkennt oder nicht. Daran entscheiden sich heute Akzeptanz und Ablehnung. Entsprechend heißt es im Wertekodex des BVB: 

„Wir werden uns stets für das gesellschaftliche Gelingen einsetzen. Darunter verstehen wir ein Vereinsleben und eine Gesellschaft ohne Rassismus, Antisemitismus, LSBTI+-Feindlichkeit, Sexismus, Gewalt und Diskriminierung. (…) Wir verstehen uns als vielfältige, inklusive Gemeinschaft, sind Heimat für Borussen unabhängig ihres Alters, ihres Aussehens, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Identität und Orientierung, ihrer Kultur, ihres Glaubens, ihrer Hautfarbe, ihrer Nationalität oder ihrer sozialen Herkunft.“ 

Also: Wer die Vielfalt selbstverantwortlicher Lebensgestaltung, auch und gerade im Umgang mit der Sexualität, ablehnt, löst einen der gegenwärtig stärksten gesellschaftlichen Trigger aus und gerät ins Abseits. 

Umgekehrt existieren christliche Gemeinden, in denen es ein No-Go ist, das Ausleben von Homosexualität zu tolerieren oder gar zu akzeptieren. Mit dieser Haltung beruft man sich dort natürlich auf die Bibel. Offensichtlich unter diesen Eindrücken hat Felix Nmecha die fraglichen Einträge gepostet. 

Was aber, wenn es ganz oder großenteils biomedizinische Vorgänge in der Schwangerschaft sind, die bei einem Menschen zu homo- oder bisexuellen Neigungen führen? Kann man dann noch von bewusster Entscheidung zu einem sündigen Verhalten sprechen? 

Die Ursachenforschung, übrigens oft von LSBTI+-Vertretern eher behindert als gefördert, weil sie unerwünschte Konsequenzen aus den Resultaten befürchten, ist noch keineswegs zu einem einhelligen Ergebnis gekommen.

„Ihr seid Christen? Also seid ihr gegen Homosexuelle?“

Der medizinisch ausgerichtete Biochemiker i.R. Dr. Manfred Bühner schrieb indes 2017 in der Zeit: „Das ‚Gehirn-Geschlecht‘ wird in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft entwickelt; es wird bestimmt durch einen Hormon-Dialog zwischen Embryo und Mutter. Wenn der Embryo durch Testosteron-Produktion (das kann er ab Mitte der Schwangerschaft) signalisiert, dass er ein Junge ist, schaltet die Mutter durch mindestens einen sehr hohen Hormonstoß (auch wieder Testosteron) das Gehirn des Embryos um, von weiblich auf männlich. (…) Bei diesem komplizierten Prozess sind Störungen unvermeidlich.

Es kann sein, dass das Testosteronsignal des Embryos von der Mutter nicht wahrgenommen wird oder dass ihr eigener Umschalt-Hormonstoß zu schwach ist. So kommen wir von Normalos zu Bi, Homo, ‚im falschen Körper‘ und so weiter. Auch Umweltchemikalien (zum Beispiel PCBs) können Einfluss nehmen.“ 

Auf einer ganz anderen Ebene noch tiefer ins Nachdenken brachte mich ein persönliches Erlebnis. Eine junge Frau, die erstmals zu Besuch bei uns war, fragte ängstlich: „Ihr seid Christen? Also seid ihr gegen Homosexuelle?“ 

Da bin ich tief erschrocken. Denn ist das nicht fatal, dass die Gesellschaft diese Ablehnung weitgehend als Leitdifferenz, als Charakteristikum für das Christsein überhaupt wahrnimmt? 

Ich sprach mit ihr erstens darüber, dass die heutige Sehnsucht nach einem selbst verantworteten Lebensstil auch im Bereich der Sexualität gerade auf dem Boden des christlichen Weltbilds erwachsen ist und wohl nur dort verwirklicht werden konnte.

Der Mensch in Gottes Augen

Schau in Gesellschaften, die von anderen Religionen und Weltanschauungen geprägt sind! Fast überall muss man sich dort in viel strikterer Weise in eine bestehende Kultur und Struktur einfügen, sich quasi als „Herdentier“ benehmen – und bekommt entsprechend weniger Freiräume zur Individuation, also zu einer individuellen Lebensgestaltung.

So haben Frauen vielerorts kaum Rechte, ganze Gesellschaften richten sich rassistisch-antisemitisch aus – und beispielsweise werden auch zahlreiche Männer mit homosexueller Neigung in die Ehe mit einer Frau gezwungen, selbst in Deutschland. 

Zweitens versuchte ich ihr den Blick für das Evangelium zu öffnen, das den Menschen überhaupt nicht nach dem, was er tut, beurteilt. Jeder Mensch ist für unseren Gott wertvoll an sich, er ist bedingungslos geliebt, und das ist die erste, zweite und dritte Wahrheit der Frohen Botschaft. Da ist kein Raum für „Du musst erst …, bevor du akzeptabel bist.“

Die grundlegende Wahrheit des Evangeliums bleibt: Im Wesen Jesu hat die Verurteilung von Menschen keinen Raum. Wer begreift, von Gott angenommen zu sein trotz aller Selbstzweifel, aller Unvollkommenheit und Desorientiertheit, der kann aufatmen: Auf dieser Grundlage ist er tatsächlich frei, sein Leben selbstverantwortlich zu gestalten: „Liebe – und dann tu, was du willst“. So kann der Mensch aus der Masse heraus zu einem „Solo“ finden. 

Allerdings scheint heute eine wesentliche Unterscheidung verlorengegangen zu sein; oder sie ist überhaupt nie tiefer im Bewusstsein der Menschheit angekommen. Nämlich: Sich gegen ein bestimmtes Verhalten auszusprechen bedeutet nicht, den Menschen zu verdammen, der sich so verhält! Ich kann jemanden lieben und gerade deshalb etwas, was er tut, ablehnen. Charakteristisch zum Ausdruck kommt dies in dem zweifellos richtigen Satz: „Gott liebt den Sünder, aber er hasst die Sünde.“ Demgegenüber herrscht heute doch – und ich weiß nicht, ob es jemals anders war – die Einstellung: „Wenn du nicht akzeptierst, wie ich mich verhalte, bist du mein Feind!“ 

Das ist sicher eine natürliche Reaktion. Denn erst wo ein Klima tiefer gegenseitiger Annahme waltet, wo etwa zwei Menschen durch eine tiefe Freundschaft verbunden sind, wo also spürbar die Liebe herrscht – entsteht eine Offenheit auch für unangenehme oder gar schmerzhafte Mitteilungen. 

Deswegen, lieber Felix, sind Social Media wohl nicht der rechte Platz, um Überzeugungen darzutun, die dazu angetan sind, andere Menschen aufzuwühlen und gar in den Grundfesten ihrer Identität zu erschüttern. Du hast den Spagat versucht zwischen einer konkreten biblischen Verhaltensforderung und dem allergrundlegendsten Gebot der Heiligen Schrift: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Das ist ehrbar, geschah aber auf Instagram an einem gänzlich ungeeigneten Ort. 

Das beste Mittel, um einander schätzen und respektieren zu lernen, ist immer noch die persönliche Begegnung. Irritationen werden da oft wie nebenbei ausgeräumt. „Wenn dein Feind dürstet, so tränke ihn!“, fordert Paulus (Römer 12,20) – und man kann sich schwerlich vorstellen, dass dieser „Feind“ einen hinterher immer noch unbarmherzig verfolgen wird. 

Die persönliche Begegnung, die haben auch die Vereins-Oberen von Borussia Dortmund mit dir gesucht. Denn die wollten dich! Und so nimmt sich ihre Reaktion auf den Zinnober zugleich barmherzig und weise aus: Nmecha sei „sehr jung, seine Religion ist tief in ihm verwurzelt und er ist – wie wir alle – sicher nicht fehlerfrei. Aber er hat uns in intensiven Gesprächen absolut davon überzeugt, dass er kein transphobes oder homophobes Gedankengut in sich trägt“. 

Felix, vermutlich, nein, ganz bestimmt bist du selbst furchtbar erschrocken über das, was du da ausgelöst hattest. Und du hast auf deine Art Buße getan – so nennt man das doch, wenn jemand sich von seinem früheren Verhalten abkehrt!? Du musstest deine Überzeugungen ja gar nicht aufgeben, wohl aber hinterfragen – und vor allem in einen ganz anderen Kontext stellen; und so schreibst du jetzt: „Ich bin Christ, ich liebe alle Leute und diskriminiere niemanden. Ich hoffe, dass die Fans mir die Chance geben, um mich kennenzulernen.“ 

Das hoffen wir auch. 

Hanno Herzler, Evangelischer Theologe und Publizist, hat in seiner Serie „Andy Latte“ die authentischen Geschichten von Cacau (2007) und von Marcelo Bordon (2008) eingebaut in das fiktive Umfeld der Hörspielreihe rund um den „SV Klosterberg“. 

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