Facebook und Kirchengemeinden: Eine unheilige Allianz?

Der neue Geschäftsplan von Facebook, religiöse Gemeinschaften in den Fokus zu setzen, löst bei Vielen Sorgen aus. Kritiker sehen eine „unheilige“ Allianz zwischen zwei Welten, die eigentlich nicht zusammengehören.
Von Jörn Schumacher
Facebook-Gründer Mark Zuckerberg hat sich für den Datenmissbrauch entschuldigt

Schon immer war Facebook auch für christliche Gemeinden interessant – als Portal zur gemeinsamen Absprache, aber auch für Live-Streams von Gottesdiensten. Wegen der Corona-Pandemie hat sich diese Form des digitalen Gemeindelebens als noch wichtiger erwiesen als bisher.

Längst hat der Internet-Gigant Facebook die Kundengruppe identifiziert und entwickelt derzeit mit Megakirchen in den USA eine gemeinsame Zusammenarbeit. „Facebook will das virtuelle Zuhause für religiöse Gemeinschaften werden“, analysiert die New York Times. „Kirchen, Moscheen und Synagogen und andere sollen ihr religiöses Leben auf dieser Plattform einbinden. Von der Live-Übertragung der Gottesdienste, über das soziale Vernetzen bis hin zum Spendensammeln.“

Die Co-Geschäftsführerin von Facebook, Sheryl Sandberg, sagte laut New York Times bei einem digitalen Kongress mit religiösen Leitern im Juni: „Glaubensgemeinschaften und Soziale Medien passen natürlicherweise zusammen, denn bei beiden geht es um Verbindungen.“ Eines Tages seien Gottesdienste in virtuellen Räumen selbstverständlich: „Wir hoffen, dass die Menschen eines Tages Gottesdienste auch in der virtuellen Realität abhalten oder Augmented Reality dafür verwenden, Kindern etwas über den Glauben beizubringen“, die Facebook-Verantwortliche.

„Größte Gruppen bei Facebook sind gläubige Menschen“

Angeblich ist auch der Entwickler der Bibel-App „YouVersion“ in einer Zusammenarbeit mit Facebook involviert. Bobby Gruenewald, der Schöpfer von YouVersion und Pastor der Gemeinde „Life.Church“ in Oklahoma, hat bereits 2018 mit Facebook am Feature “Bible-verse-a-day“ gearbeitet. Auch er sieht in Facebook ein großes Potenzial, Gläubige miteinander zu vernetzen. Bereits jetzt kann der Nutzer dieser digitalen Bibel seinen Leseplan-Fortschritt auf Facebook teilen.

Dabei kämpft Facebook nicht nur in den USA gegen ein schlechtes Image als datenfressender Gigant, der sich nicht um die Privatsphäre und sensible Daten schert. Erst im Juli kritisierte US-Präsident Joe Biden Facebook öffentlich dafür, dass dort Lügen über angebliche Tode durch Corona-Impfungen verbreitet worden waren. Biden verstieg sich sogar zu der Behauptung über Soziale Medien-Plattformen: „Sie töten Menschen!“

Fidji Simo, einst Leiterin der Facebook-App und Vize-Präsidentin für Video, Spiele und Monetarisierung beim Tech-Giganten, sagte im Sommer bei einem digital abgehaltenen Kongress: „Eine der größten Gruppen, die Facebook nutzt, sind gläubige Menschen. Als ich mir die Daten ansah, was die Menschen während der Pandemie so getan haben, sah ich einen enormen Zuwachs in der spirituellen Kategorie.“ Facebook begann laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters damit, christlichen Gemeinden „Starter Kits“ mit technischem Equipment für die Live-Übertragung zuzuschicken, also etwa Stative und Smartphone-Halter. Gleichzeitig startete Facebook Webseiten, auf denen man lernen konnte, wie man Gottesdienste live überträgt.

In diesem Jahr begann Facebook ein „Interfaith Advisory Council“, einen Ausschuss, in dem sich das Unternehmen regelmäßig mit Gemeindeleitern trifft. Laut Reuters geht es dabei um alles, was sich Kirchengemeinden von Facebook bei einer Zusammenarbeit wünschen: vom Gottesdienst-Planer bis zu speziellen religiösen Emojis.

Im Mai startete Facebook eine eigens für Christen entwickelte Gebetsfunktion – hier können die Mitglieder ihre Gebetsanliegen teilen, mit dem Klick können andere signalisieren, für die Person zu beten oder mit Kommentaren und Emojis antworten. Inzwischen setzte Facebook sogar eine spezielle Religionsbeauftragte ein, die den neuen Geschäftsbereich betreuen soll: Nona Jones, christliche Buchautorin und Ehefrau des Pastors der Gemeinde „Open Door Ministries“ in Gainesville, Florida. Jones bestätigte, dass die Gebete bei Facebook vom Unternehmen dafür verwendet werden, die Werbeanzeigen besser zu personalisieren – so wie bei anderen Inhalten von Facebook auch.

„Facebook geht’s ums Geld“

Simcha Fisher, die Mitglied in einer Facebook-Gruppe von katholischen Frauen ist, berichtet lautReuters, dass es viele Frauen „eklig“ finden, wenn Leute ihre intimsten Gebete online stellten.

Eine Freundin habe Facebook bereits mit einem herrischen Elternteil verglichen, das sich in alle Interaktionen der Kinder einmische. „Immer wenn Facebook ein neues Feature startet, weiß man, dass sie es nur tun, um noch mehr Geld zu machen. Irgendwie wollen sie immer irgendwas verkaufen“, sagte Fisher.

Die „Church of God in Christ“, eine Pfingstgemeinde mit mehrheitlich schwarzen Gemeindemitgliedern mit rund sechs Millionen Mitgliedern weltweit, hat vor kurzem einen Early-Access zu kostenpflichtigen Produkten von Facebook bekommen. Dazu gehört ein Tool, bei dem die Nutzer 9,99 Dollar im Monat zahlen, um exklusive Inhalte zu bekommen, etwa Nachrichten vom Bischof. Bei einem anderen Dienst können die Nutzer Gottesdienste online schauen und Spenden in Echtzeit einsenden. Ein drittes von Facebook vorgeschlagenes Feature lehnten die Kirchenoberen allerdings ab: Werbung während der Gottesdienst-Live-Übertragung.

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Als im Juni ein Ableger der „Hillsong Church“ in Atlanta eröffnete, nutzte die Gemeinde ausschließlich das Streaming-Tool von Facebook, um die Eröffnung live ins Internet zu übertragen. Der Pastor der Gemeinde, Sam Collier, teilte in einem Interview mit, Facebook sei nun offizieller Parnter seiner Hillsong-Gemeinde. Für ihn lägen die Vorteile der Zusammenarbeit auf der Hand. In Bezug auf den Missionierungsauftrag Jesu sagte er: „Wir waren nie besser aufgestellt für die ‚große Aufgabe‘ als jetzt.“ Seine Gemeinde könne mit Facebook zusammen direkt auf die Menschen einwirken und sie erreichen. Er habe allerdings eine Verschwiegenheitsklausel unterzeichnet, laut der er nicht weiter über die Zusammenarbeit der Christen mit Facebook sprechen dürfe, so Collier. Er fasste es so zusammen: „Sie unterrichten uns, wir unterrichten sie. Gemeinsam entdecken wir, wie die Zukunft der Kirchen bei Facebook aussehen könnte.“

Der Gründer der Internetplattform „Faithlife“, auf der sich Christen vernetzen können, Bob Pritchett, gibt gegenüber der New York Times zu bedenken, dass sich das spirituelle Leben von Gläubigen von den Interessen Sozialer Plattformen wie Facebook und LinkedIn deutlich unterscheide. Es sei gefährlich, Gemeinschaften auf den Plattformen großer Technologieunternehmen zu verwalten, „denn die sind anfällig für all die Launen von Politik, Kultur und Kongressanhörungen“.

Die Sorge um die Sicherheit der Daten ist auch bei anderen groß. Immerhin teilen Gläubige in den religiösen Gemeinschaften intimste Aktionen und Gedanken miteinander. Dies passiere dann immer mehr auch online. Sarah Lane Ritchie, Dozentin für Theologie und Wissenschaft an der Universität Edinburgh, warnt: „Die Ziele von Unternehmen und Glaubensgemeinschaften sind grundverschieden.“ Die Mitglieder vieler Gemeinden, gerade ältere, verstünden zudem oft nicht, wie die Daten über ihr religiöses Leben für Werbung oder andere Nachrichten verwendet werden.

Ritchie: „Unternehmen kümmern sich nicht um moralische Kodizes. Wir wissen doch jetzt bereits alles, was man wissen muss sagen zu können, wohin eine Ehe zwischen den Technikkonzernen und Kirche führen wird.“

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2 Antworten

  1. Es ist wirklich an der Zeit, dass die Kirchen, Gemeinden und Gemeinschaften eigene Plattformen für „soziale Beziehungen“ entwickeln, anstatt auch noch freiwillig facebook & Co. zuzuarbeiten und die Ausforschung von Menschen sowie den Verkauf von „Personalitäten“ zu unterstützen oder wenigstens in der Opferrolle zu verharren. Solange sich das nicht ändert, werden die sog. sozialen Medien auf meine gesellschaftliche Teilhabe verzichten müssen, mögen die Inhalte noch so christlich daherkommen… Haben wir hier nicht einen Wolf im Schafspelz? Etwas mehr Wachheit täte gut.

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  2. Das erinnert mich an ein Buch mit dem Namen …und es geschah. Es beschäftigt sich mit der Endzeit in der wir leben und ist hochaktuell. In ihm wird beschrieben, wie gläsern die Menschen eines Tages sind – und ehrlich gesagt, glaube ich, dass das bereits der Fall ist. Der oben genannte Teck-Gigant, der meines Erachtens keinerlei christliche Ambitionen hat, benutzt uns, die Tauben (= Unwissenden und Gutgläubigen), und viele von uns sitzen vor dieser Schlange und fallen auf ihre, ach so freundlichen Worte herein.

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