Experten kritisieren pauschales Vorgehen gegen Ukrainisch-Orthodoxe Kirche

Die ukrainische Regierung verdächtigt die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche, Russlands Interessen zu vertreten und zu spionieren. Ein geplantes Gesetz könnte einem Verbot gleichkommen. Beobachter kritisieren das pauschale Vorgehen.
Von Jonathan Steinert
Höhlenkloster Kiew

In der Ukraine stehen sich zwei orthodoxe Kirchen rivalisierend gegenüber: Die Orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU), die seit 2019 eigenständig ist, und die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche (UOK), die formal zur Russisch-Orthodoxen Kirche gehörte.

Am 27. Mai erklärte die UOK ihre Unabhängigkeit vom Moskauer Patriarchen Kyrill. Schon zu Beginn des russischen Angriffs auf das Nachbarland hatte ihr Patriarch Onufri ein Ende des „Brudermords“ gefordert. Trotzdem steht die Kirche im Verdacht, von russischen Agenten unterwandert zu sein und die Interessen des Angreifers zu vertreten.

Zwei Experten für die Ostkirchen haben nun in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung kritisiert, dass die ukrainische Politik in den Kirchenkampf eingreife. Thomas Bremer, bis 2022 Professor an der Universität Münster, und Regina Elsner vom Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien, machen das an verschiedenen Entwicklungen fest – unter anderem daran, dass Viktor Jelenski in diesem Sommer neuer Geheimdienstchef wurde. Zuvor leitete er das „Staatliche Amt für Ethnopolitik und Gewissensfreiheit“ und habe sich für ein Verbot der UOK eingesetzt.

Ende des vergangenen Jahres habe das Verfassungsgericht einen Gesetzvorschlag für rechtens erklärt, den Jelenski 2019 noch als Abgeordneter eingebracht hatte: Demnach müsse „eine Kirche in der Ukraine, die einer Kirche in einem Aggressorstaat untersteht, in ihrem Namen die volle Bezeichnung dieser Kirche tragen“, schreiben Bremer und Elsner.

Anspruch auf die heiligste Stätte

Weiter führen die Autoren Razzien etwa im Kiewer Höhlenkloster an sowie das Bestreben, diese heiligste Stätte der osteuropäischen Orthodoxie in den Besitz der Orthodoxen Kirche der Ukraine zu bringen. Die Mariä-Entschlafungs-Kathedrale auf dem Klosterareal bleibt bis auf Weiteres geschlossen, weil die Regierung den Pachtvertrag der UOK nicht über das vergangene Jahr hinaus verlängert hat. Bremer und Elsner gehen davon aus, dass sie an die OKU übergehen wird.

Anfang Dezember kündigte Präsident Wolodymyr Selenskyj ein Gesetz im Auftrag des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates an, das die Aktivitäten von religiösen Organisationen verhindern soll, die eine Verbindung zu „russischen Einflusszentren“ haben. Außerdem soll das Statut der UOK daraufhin untersucht werden, wo es Verbindungen zu Russland gibt.

Zwar gebe es in den Reihen der UOK Sympathisanten Putins, schreiben Bremer und Elsner. Jedoch halten die Experten ein pauschales Vorgehen gegen die Kirche nicht für gerechtfertigt. „Das Verbot einer Religionsgemeinschaft und eine erzwungene Umbenennung sind … äußerst problematische Schritte“, schreiben sie. Die ukrainische Regierung müsse ihre Religionspolitik „dringend“ korrigieren, auch „im Interesse einer demokratischen Weiterentwicklung der Ukraine“.

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4 Antworten

  1. >>das „Staatliche Amt für Ethnopolitik und Gewissensfreiheit(!)“ und habe sich für ein Verbot(!) der UOK eingesetzt.<<
    Klingt schon sehr stark nach "Neusprech", wenn ein Amt für "Gewissensfreiheit" durch Verbote handeln will.

    Darüber hinaus hat sich die UOK eindeutig loyal gegenüber der Ukraine verhalten:
    Am 27. Mai erklärte die UOK ihre Unabhängigkeit vom Moskauer Patriarchen Kyrill.
    Auch hatte sich die Ukrainisch-Orthodoxe-Kirche schon am 24. Februar zur „Souveränität“ und territorialen „Integrität“ der Ukraine be­kannt, – also am ersten Kriegstag. Ein mutiger Schritt, musste man damals doch befürchten, dass die russische Invasion erfolgreich sein könnte.
    https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/mehrheit-der-ukrainer-will-verbot-von-moskauer-orthodoxer-kirche-18569390.html

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  2. Das ganze zeigt doch, dass in der Ukraine auch nicht alles Gold ist was da glänzen soll. Nicht jede Tendenz der ukrainischen Regierung die Meinungsfreiheit einzuschränken ist mehr mit dem Krieg zu erklären. Zu mal es vor dem Krieg die Tendenzen auch schon gab. Und um nun nicht hier gleich wieder als rechts oder als Russlandversteher eingeordnet zu werden Den Krieg Russlands gegen die Ukraine ist damit nicht gerechtfertigt

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  3. Wen wundert das? Wer mal das Propagandageheul des Westens ausschaltet, der nicht müde wird zu behaupten, die Ukraine würde „westliche Werte“ verteidigen (welche eigentlich?), der hätte schon lange erkannt: Dieses Land ist nach Russland das korrupteste in Europa; die Demokratie ist schon lange abgeschafft, denn Selenskij hat den Krieg dazu benutzt um alle relevanten Oppositionsparteien zu verbieten. Der Kampf gegen die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche reiht sich da nur ein. Wer mit wachen Ohren die Berichterstattung vor und nach Februar 2022 verfolgt hat, dem hätte auffallen müssen, wie geradezu schlagartig die BRD-Sender auf eine Einheitsrichtung umgeschaltet haben, die z.T. bis in die Wortwahl identisch ist (während vorher noch Sendungen möglich waren, die beleuchtet haben, wie der Westen über 30 Jahre Russland immer mehr in die Enge trieb). Es sollte nicht verwundern, wenn man später, ähnlich wie jetzt im Blick auf die Corona-Berichterstattung, erfahren würde, dass es da deutlich formulierte Wünsche oder Vorgaben der Regierung gab.

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  4. Ich bin vom Glauben abgefallen, daß die NATO ein Verteidigungsbündnis ist. In dreißig Jahren ist mir nicht bewußt geworden, daß mit der Auflösung des Warschauer Paktes die NATO überflüssig geworden war.
    Spätestens seitdem ist die US-NATO ein Kriegsbündnis.Kann jemand das Gegenteil beweisen, ich will wissen. Rußland hatte sich nämlich vom Kommunismus bekehrt. In der Fahne des russischen Verteidigungsministeriums ist zentral St. Georg als Drachentöter platziert. Die russischen Streitkräfte haben eine große Hauptkirche bekommen. [Putin küßt Ikonen. Das ist zu sehen, aber nicht irgendein Beweis.]
    (Ich hasse so einen engen Rahmen der Schablone!!!)
    Ich bitte alle dringend, die vernünftigen Forderungen Putins ca. November 2021 nachzulesen. Warum dann hierzulande Überraschung eintrat, kann mich nur erschüttern.

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