Evolutionskritiker sind für Kutschera „Esoteriker“

Dass es Menschen gibt, die die Evolutionstheorie nicht für endgültig bewiesen halten, ist für den deutschen Pflanzenbiologen Ulrich Kutschera nicht hinnehmbar. In regelmäßigen Abständen setzt er Wissenschaftler, die Kritik an der Evolutionstheorie üben, mit Esoterikern gleich und lässt auch sonst nichts aus, um seiner Empörung über Andersdenkende medial Luft zu machen.
Von PRO

Anlässlich des 200. Geburtstages des britischen Naturforschers Charles Darwin erinnert Kutschera derzeit bei „Spiegel Online“, dass noch immer nicht alle Menschen der Evolutionstheorie anhängen. Noch schlimmer: sogar fast jeder zweite Amerikaner hat Skepsis, ob der Mensch vom Affen abstammt und das Leben aus dem Nichts entstanden ist. In der deutschen Bevölkerung äußern immerhin 20 Prozent, Probleme mit der Abstammungslehre zu haben oder lehnen sie ganz ab. Eine Umfrage unter Lehramtsstudenten verschiedener Fächer zeigte: rund 15 Prozent von ihnen lehnen die Evolutionstheorie ab. Selbst bei künftigen Biologielehrern lag der Anteil noch bei sieben Prozent.

Wachsende Skepsis gegenüber Evolutionstheorie

In seinem Beitrag „Die kruden Thesen deutscher Anti-Darwinisten“ auf „Spiegel Online“ wundert sich Kutschera: „Noch immer wehren sich Kreationisten, Öko-Esoteriker, Homöopathen gegen die Evolutionstheorie, auch in Deutschland.“ Dass sachliche Kritik an der 150 Jahre alten Evolutionstheorie für Kutschera gleichzusetzen ist mit „Pseudowissenschaft“, ist nichts Neues. Das Magazin GEO nannte Kutschera einmal den „Wortführer des Widerstands gegen die wachsende Zahl an Kreationisten in Deutschland“. Biologen, die Ansichten des Kreationismus vertreten, setzt der Wissenschaftler in Regelmäßigkeit gleich mit „Homöopathen, Astrologen und Wünschelrutengängern“.

Der Professor am Institut für Biologie an der Universität Kassel beobachtet die kreationistische Strömung in Deutschland nach eigener Aussage seit 20 Jahren. Er stellt fest: Alle Umfragen der letzten Jahre zeigten, dass die Zahl der Evolutionsgegner in Deutschland von rund 20 auf bis zu 30 Prozent angestiegen sei. Kutschera erinnert bei „Spiegel Online“ daran, dass das Buch „Evolution – ein kritisches Lehrbuch“ von Reinhard Junker und Siegfried Scherer in diesem Jahr in einer 7. Auflage erscheinen soll.

Selbst angesehene Wissenschaftler, die keineswegs im Verdacht stehen, bei Vollmond Kräuter zu sammeln, um zu ihren wissenschaftlichen Erkenntnissen zu kommen, geben mittlerweile zu, dass die Theorie Darwins längst gründlich überholt wird. Zweifel sind bei echter Wissenschaft immer erlaubt. Alles andere wäre Doktrin oder mittelalterliche Hexenjagd. „In der breiten Öffentlichkeit existiert immer noch eine holzschnittartige Sicht der Evolution, bestimmt durch die übermächtige Rolle des blinden Zufalls und durch Bilder wie das des ‚egoistischen Gens‘ von Richard Dawkins“, schreibt das Magazin „Natur + Kosmos“ in seiner Februar-Ausgabe und spricht von einer „Revolution“, die sich auf diesem Gebiet anbahne. „Erkenntnisse der Genomsequenzierung, der Molekularbiologie und anderer Disziplinen weisen darauf hin, dass die Evolution ein weit komplexeres und vielschichtigeres Geschehen ist, als es dem gängigen Bild entspricht.“

Der Molekularbiologe James A. Shapiro von der Universität Chicago schreibt in dem Blatt unter anderem: „Die meisten Biologen scheuen sich, über Evolution anders zu denken als auf die Art, die sie gewohnt sind; Kollegen aus anderen Disziplinen tun sich da leichter. (…) Es hat schon etwas Schizophrenes: Vielen Biologen ist mehr oder weniger bewusst, dass die konventionelle Sicht nicht mehr zu halten ist. Aber kaum einer sagt es öffentlich. Es ist praktisch ein Tabu. (…) Die Kollegen, die an der Genomsequenzierung arbeiten, an molekularen Stammbäumen und so weiter, ahnen alle, dass ihre Resultate dazu beitragen müssten, die Evolutionstheorie zu erneuern, dass Darwinismus nicht länger die Lösung ist und wir eine modernere, komplexere Theorie brauchen. Aber die meisten trauen sich nicht, es zuzugeben.“ Der amerikanische Journalist Ben Stein hat erst jüngst in seinem Film „Expelled – No Intelligence Allowed“ eine ganze Reihe von namhaften Wissenschaftlern zu Wort kommen lassen, die allesamt mit guten Gründen Kritik an der Evolutionstheorie äußern. Ihre Karrieren wurden daraufhin massiv torpediert.

Kutschera: Kritik nicht heranlassen

Kutschera selbst lehnt eine öffentliche Diskussion zum Thema beharrlich ab. „Die führenden Köpfe unter den Evolutionsgegnern sind exzellent geschulte Missionare. Sie sind didaktisch-rhetorisch vermutlich jedem Fachwissenschaftler überlegen. Außerdem werden, wenn irgendwo eine solche Diskussion ansteht, erst mal die Zeugen Jehovas und die Evangelikalen rekrutiert. Da stehen Sie dann vor 500 Leuten, von denen wahrscheinlich 450 überzeugte Kreationisten sind. Das ist völlig sinnlos“, sagte er gegenüber GEO.

Häufiges Ziel der Kritik Kutscheras ist der 1998 veröffentlichte Film des Berliner Produzenten Fritz Poppenberg mit dem Titel „Hat die Bibel doch Recht? Der Evolutionstheorie fehlen die Beweise“. Das Werk aus dem Berliner Produktionshaus „Drei Linden“ wurde mit dem Medienpreis des Christlichen Medienverbundes KEP, „Goldener Kompass“, ausgezeichnet. Die Laudatio auf diesen „Dokumentarfilm“ hielt der Mathematiker John Lennox von der britischen Oxford University. In dem Film sagen unter anderem Wolf-Ekkehard Lönnig vom Kölner Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung und Siegfried Scherer von der TU München, dass es bis heute keine Beweise für Darwins Theorien zum Artenwandel und die Makroevolution gebe. Das sei eine „Falschaussage“, so Kutschera, aus der „dann die Schlussfolgerung gezogen werde, dass eine intelligente Macht (also der biblische Gott beziehungsweise Designer) die Arten erschaffen habe“.

„Der beste Film über Intelligent Design, den ich gesehen habe“ – mit diesen Worten zitierte Poppenberg jüngst Professor Hartmut Ising, um unter der Rubrik „Darwin-Jahr“ für einen neuen Film zu werben. Für Kutschera seien derartige Zitaten der Versuch, „Seriosität vorzutäuschen“.

Auch der neuere Film „Dem Geheimnis des Lebens nahe“ (Originaltitel: „Unlocking the Mystery of Life“), den „Drei Linden“ 2006 auf Deutsch herausbrachte, belege, „dass die deutsche Anti-Darwin-Kampagne noch immer zahlreiche Anhänger findet“. Der Dokumentarfilm will die Theorie des „Intelligent Design“ wissenschaftlich begründen.

Für jeden Kritiker findet Kutschera eine passende Bezeichnung. Der Autor des evolutionskritischen Buches „Darwins Irrtum“, Hans-Joachim Zillmer, ist für ihn ein „phantasiebegabter Bauingenieur“, den Molekularbiologen Joachim Bauer, Autor des Buches „Das kooperative Gen: Abschied vom Darwinismus“ bezeichnet Kutschera als „esoterisch angehauchter Mediziner“. Kurz gesagt: Kritik an der Evolution ist, egal, von wem sie kommt, egal mit welchen Argumenten, in den Augen Kutscheras Nonsens, der im 21. Jahrhundert nichts zu suchen habe.

Verbindung zwischen Nazis und Darwin „Suggestion“

Auch eine Verbindung zwischen der Theorie Darwins, nach der in einer Population diejenigen Exemplare überleben, die einen biologischen Vorteil gegenüber anderen haben, und der „Eugenik“ der Nazis sei unzulänglich, meint Kutschera. Die Ideologie Adolf Hitlers und der Nazis baute auf der Theorie Darwins auf und halfen durch Tötung von „unwertem Leben“ der Evolution auf die Sprünge.

Bitter war es für Kutschera, dass auch 3sat – wie am 15 . Januar 2009 geschehen – unter dem Titel „Darwins langer Schatten“ einen Bericht ausstrahlte, der sich kritisch mit der Adaption des Darwinismus im Nationalsozialismus auseinandersetzt. Dass die Nazis „rassenbiologischen Wahn“ betrieben, dass Ärzte und Wissenschaftler es für normal ansahen, behinderte Menschen zu eliminieren, da sie „auf der Evolutionsleiter“ niedriger als der Mensch standen, bestreitet kaum ein Historiker. Ebenso wie die Tatsache, dass die Nazis sich auf Biologen wie Darwin, Ernst Haeckel und andere beriefen, ist für die meisten Experten kaum strittig.

Der Beitrag im ZDF-Bildungskanal erinnerte Kutschera nach eigener Aussage „teilweise an das eingangs zitierte Kreationisten-Video“. Dabei gebe es keinerlei Verbindung zwischen Charles Darwins Abstammungslehre und der Rassenideologie der Nationalsozialisten, ist sich Kutschera sicher. Der Film habe so etwas aber „suggeriert“.

„Darwins größter Verdienst“ sei nach Meinung des Pflanzenexperten in dessen „philosophischem Imperativ“ zu sehen. Dieser verlange laut Kutschera: „Die auf Fakten basierenden Naturwissenschaften müssen von religiös-esoterischen, nicht überprüfbaren Glaubensinhalten frei gehalten werden.“ Die von ihm gescholtenen „Öko-Esoteriker, Homöopathen und andere Pseudowissenschaftler“ kriegten diese Trennung aber einfach nicht hin. Wie einfach Wissenschaft doch sein kann, wenn man Einwände als Scharlatanerie und Kritiker als Esoteriker abtun kann. (PRO)

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Eine Antwort

  1. Wie sollte ein Atheist auch die Schöpfung als von Gott bewirkt anerkennen. Wer glaubt, daß der Kuchen zum Nachmittagskaffee zufällig entstanden ist, weil ein Erdbeben die Zutaten durchgeschüttelt hat und dann alles zufällig in eine Backform gefallen ist. Die Backform zufällig in die Backröhre gerutscht ist und das Erdbeben dann noch zufällig den Herd eingeschaltet hat, der glaubt auch an die Zufälle der Evolution. Der Evolutionist mag einwenden, beim ersten Erdbeben, ein unwahrscheinlicher Zufall. Aber wenn man dem Geschehen Millionen, Milliarden Jahre lang Zeit lässt, könnte es klappen. Es gilt auch hier, man glaubt das, was ins eigeneWeltbild passt. In mein Weltbild passt die Evolution als fortschreitende Entwicklung zB bei der Technik und anderen menschlichen Errungenschaften. Aber nicht bei der Komplexität der Natur.

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