Evangelische Allianz Russland: „Wir versuchen, Gottes Plan zu verstehen“

Seit über einem Jahr tobt der Krieg zwischen Russland und der Ukraine. Der Generalsekretär der russischen evangelischen Allianz, Vitaly Vlasenko, verdeutlicht im Gespräch mit PRO, welche Herausforderungen das für die gesamte Bevölkerung beinhaltet.
Von Johannes Blöcher-Weil
Vitaly Vlasenko

Wenn in der Berichterstattung über den Ukraine-Krieg die Rede von der Kirche in Russland ist, ist meistens die russisch-orthodoxe gemeint. Tatsächlich stellt sie die mit Abstand größte christliche Konfession in Russland. Doch es gibt auch evangelikale Christen im Land – repräsentiert von der Russischen Evangelischen Allianz. Deren Vorsitzender, Vitaly Vlasenko, berichtet davon, wie der Krieg sich auf die Evangelikalen auswirkt. „Wenn das eigene Land einen großen Krieg führt, in den viele Menschen involviert sind, ist es sehr schwer, ruhig zu bleiben“, sagte er gegenüber PRO.

Die Menschen litten neben Wirtschaftssanktionen, der Schließung internationaler Unternehmen und der militaristischen Rhetorik natürlich auch unter den Todesopfern im eigenen Umfeld und der Sorge um sich und ihre eigene Zukunft: „Der Krieg geht den russischen Christen durch Mark und Bein. Wir versuchen, Gottes Prinzip und Plan zu verstehen und wie wir uns dazu verhalten sollen.“

Viele Christen würden ihren ukrainischen Brüdern und Schwestern helfen, die vor dem Krieg nach Russland geflohen sind. Der Krieg habe natürlich auch die Beziehungen zwischen Christen beider Länder massiv verändert. Russen könnten die Situation und die Erlebnisse inklusive aller Feindseligkeiten gegenüber Ukrainern kaum nachvollziehen: „Wir Russen sehen und spüren nicht den ganzen Schrecken dieses Konflikts.“ Die Bilder seien oft nur aus der Ferne oder über Nachrichten bekannt.

„Irgendwann werden die Feindseligkeiten aufhören“

Viele Gläubige hätten noch nie selbst militärische Konflikte erlebt: „Wir hören verschiedene logische Erklärungen für den Ausbruch dieses Krieges, aber es will uns nicht in den Kopf, welche Rolle unsere Gläubigen, Kirchengemeinden und die gesamte evangelikale Bewegung in Russland in dieser schwierigen Situation spielen“, verdeutlicht Vlasenko.

Zudem würden einige politische Kräfte Evangelikale wegen ihrer nicht-orthodoxen Tradition als pro-westliche Minderheit sehen. Als solche würde sie nicht die Interessen ihres Landes verteidigen. Gerade deswegen gehe es darum zu vermitteln, „was für Christen wir sind und ob in uns das Salz der steckt, von dem Jesus Christus spricht“.

„Die große Mehrheit möchte keinen Krieg“

Obwohl die Evangelikalen nur 0,5 bis 1 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachten, hängen von deren Position auch die weitere Entwicklung der evangelischen Kirche in der Russischen Föderation ab. Als Bürger wünschten die russischen evangelischen Christen ihrem Land eine erfolgreiche Entwicklung, eine friedliche Nachbarschaft und kulturelle internationale Verbindungen.

Sowohl auf dienstlicher Ebene als auch unter den Leitern der Vereinigungen gebe es gute Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine: „Persönliche Begegnungen finden auf internationalen christlichen Konferenzen statt, alles andere läuft digital.“ Die Gläubigen seien sich im Klaren, dass die Feindseligkeiten früher oder später endeten, um dann die guten brüderlichen Beziehungen persönlich wiederherzustellen.

Sehnsucht nach Frieden und Harmonie

Natürlich gebe es je nach Region, äußeren Umständen und der biblischen Lehre unterschiedliche Ansichten zum Krieg: „Ich kann mit Sicherheit sagen, dass die große Mehrheit der Russen keinen Krieg will, sondern ihn als notwendiges Übel ansieht.“ Die russischen Christen fühlten mit den Ukrainern mit, beteten für sie und wünschten sich ein schnelles Ende des Blutvergießens: „Sie sehnen sich nach Frieden und Harmonie, auch wenn dies im Moment schwer vorstellbar ist.“

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