„Er ist für mich so etwas wie ein moderner Hiob“

Journalistische Distanz beim Dreh sei irgendwann unmöglich geworden, berichten Lukas Augustin und Alexander Zehrer im Interview. Sie freundeten sich mit den „Real Life Guys“ an, beteten, hofften und weinten mit dem sterbenden Philipp Mickenbecker.
Von Jörn Schumacher
In der Dokumentation spricht Philip Mickenbecker über seinen Umgang mit der Krankheit und seinem christlichen Glauben.

PRO: Wie liefen die Dreharbeiten ab?

Lukas Augustin: Wir waren nie mit einem großen Team dort, nur wir beide. Das hat eine sehr intime Atmosphäre ermöglicht. Gerade die letzten Wochen waren sehr intensiv. Wir haben oft auch bei den Real Life Guys und deren Freunden übernachtet, in deren Baumhaus oder auf dem WG-Sofa. Wir wollten so nah wie möglich, aber nicht aufdringlich sein. Das war auf jeden Fall das intensivste Projekt, an dem ich bisher gearbeitet habe.

Alexander Zehrer: Die Aufgabenverteilung war nicht streng getrennt: Lukas hat gefilmt, manchmal habe ich gefilmt, wir beide haben Interviews geführt. Die meiste Zeit, etwa 80 Prozent, waren wir bei den Dreharbeiten gemeinsam vor Ort.

Sie sind einmal auch selbst zu sehen, Herr Augustin, beim Lesen eines Psalms mit Philipp. Sie waren irgendwann auch mit ihm befreundet?

Augustin: Die Szene, die Sie ansprechen, war ein Nachmittag, an dem Philipp sehr starke Schmerzen hatte. Die journalistische Distanz, die ich normalerweise habe, hat sich da fast aufgelöst. Natürlich haben auch wir angesichts der Situation von Philipp gehofft und gebetet. Da ist man nicht mehr einfach wie die berühmte unsichtbare Fliege an der Wand, die nur beobachtet, wie es viele Dokumentarfilmer propagieren. Das war bei diesem Projekt überhaupt nicht möglich. Wenn jemand vor dir liegt, Schmerzen hat und weint, kannst du nicht einfach nur auf die Kamera schauen und darauf achten, dass man ein gutes Bild einfängt. Da ist auch der Autor berufen, Anteil zu nehmen und Empathie zu zeigen. Deswegen sage ich: Es ist vielmehr ein persönlicher, als ein journalistischer Film geworden. Es war eine Herausforderung, mit ihm zu singen, zu beten und ihn zu ermutigen.

Wie kam es eigentlich zum Film?

Zehrer: Gemeinsam mit der Produktionsfirma Siloam wollten Lukas und ich einen Menschen begleiten, der im Hier und Jetzt von Leid herausgefordert ist, aber an Gott glaubt. Was bringt da der Glaube? Ich hatte die Talk-Show „Deep und deutlich“ gesehen, wo Philipp über seine Krebserkrankung sprach. Da merkten wir: Das ist genau so ein Protagonist, nach dem wir gesucht hatten. Er glaubt an Gott und hat auch eine Hoffnung auf Heilung. Im Februar 2021 waren wir dann das erste Mal bei Philipp.

Philipp hatte bis zum Schluss Hoffnung auf Heilung?

Augustin: Philipp glaubte, dass sein Leben in Gottes Hand liegt, und dass Gott seine Geschichte mit ihm schreibt, egal wie diese Geschichte am Ende ausgeht. Das wollte ich zusammen mit Alexander begleiten und authentisch festhalten. Es hat uns sehr beeindruckt, wie Philipp bis zum Schluss Hoffnung hatte. Auch wenn der Tumor verwachsen war mit dem Herzen und der Lunge. Er konnte nur schwer atmen und nicht mehr ohne Schmerzen flach auf dem Bett liegen. Philipp konnte es dann nicht einordnen, warum Gott ihn dennoch nicht heilt. Man sieht, wie sich dann der Fokus von der Heilung verschiebt auf den eines Vertrauens auf Gott. Ein Vertrauen darauf, dass Gott einen guten Weg mit ihm geht. Er war zu 100 Prozent davon überzeugt, dass Gott ihn zu jedem Zeitpunkt hätte heilen können.

Foto: Real Life
Alexander Zehrer (Mitte) und Lukas Augustin (rechts) beim Dreh von „Real Life“

War Philipps Sterben am Ende ein Scheitern?

Für mich war besonders eindrücklich, wie er zum Schluss noch auf dem Sterbebett sagt: Ich habe meinen Frieden gefunden. Und in diesem Frieden konnte er aus dieser Welt gehen. Da war kein Leidenskampf, kein Todeskampf oder eine Reue über irgendwelche falschen Entscheidungen in seinem Leben. Er hat auch nie Gott angeklagt wegen seines Leidens. Er hat sich stattdessen immer wieder in die Hände Gottes begeben. Deswegen ist er für mich so etwas wie ein moderner Hiob. Hiob hat auch nicht verstanden, warum er das alles durchleben musste. Aber er konnte Gott trotzdem vertrauen. Das hat mich an Philipp sehr fasziniert.

Worin besteht die Botschaft des Films?

Augustin: In seiner letzten Video-Botschaft an die Fans, als sich die Wunde wieder geöffnet hatte, sagte er: ‚Ich habe meinen Frieden gefunden.‘ Das ist für mich eine starke Botschaft, dass da jemand eine Hoffnung hat, die größer ist als der Tod. Ich halte es auch für richtig, diesen Sterbe-Prozess genau so zu zeigen. Wir blenden in unserer Gesellschaft den Tod gerne aus. Es gibt für alles Experten, Ärzte, die uns ins Koma versetzen oder Morphium spritzen. Hauptsache ist offenbar, dass wir möglichst wenig mit diesem Thema konfrontiert werden. Philipp hat sich allem immer klar gestellt. Und er hatte eine Hoffnung und Stärke, die ihn bis zum Tod nicht überwinden konnte. Es gibt tausende Menschen, die Philipp mit seinem Glauben beeindruckt hat. Man schaue sich nur die Kommentare unter den Videos an. Eine Botschaft des Films ist, dass Gott am Ende selbst die schlimmsten Schicksalsschläge gebrauchen kann, um etwas Gutes damit zu bewirken. Oft erwarten wir als Christen, dass wenn wir an Jesus glauben, dass alles gut wird, wenn wir beten, dass wir ein gutes Leben haben und alles schön und happy ist. Wir können sogar Wunderheilung erleben, ja, das gibt es. Aber das ist nicht das, was zählt, sondern am Ende sollten wir uns darüber freuen, dass wir gerettet sind, dass wir ein ewiges Leben haben.

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