Entwurf zur Sterbehilfe geändert – Kritik von Verbänden

Die Abstimmung zu einem Sterbehilfegesetz steht offenbar kurz bevor. Auf den letzten Metern ändert die konservativere Gruppe nun ihren Entwurf und macht Zugeständnisse beim Werbeverbot. Das stößt auf Kritik.
Von Anna Lutz
Lars Castellucci

Am Dienstagmorgen wurde bekannt: Der konservativere von zwei vorliegenden Gesetzesentwürfen zur Suizidbeihilfe ist noch einmal geändert worden. Die Abgeordnetengruppe um Lars Castellucci (SPD) streicht das Werbeverbot für Suizidbeihilfe im Strafgesetzbuch und ersetzt es durch eine Nennung im Heilmittelwerbegesetz, das etwa irreführende oder „grob anstößige“ Werbung im Sinne einer Ordnungswidrigkeit verbietet. 

Hinzugekommen ist deshalb auch eine „Schutzraumklausel“, für die sich anscheinend vor allem kirchliche Träger eingesetzt hatten. Demnach sollen Einrichtungen berechtigt sein, eine Suizidassistenz oder Werbung dafür in den eigenen Räumlichkeiten nicht zu dulden. 

Bei einer Pressekonferenz am Dienstagmorgen äußerten sich Verbände der Suizidprävention kritisch zu den geplanten Änderungen. Reinhard Lindner vom Nationalen Suizidpräventionsprogramm erklärte, Werbung für Suizidbeihilfe zu begrenzen sei eine eindeutige Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation, auf die hier keine Rücksicht genommen werde.

Lebensschutz als Randerscheinung

Gerd Wagner von der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention verwies auf den sogenannten „Werther-Effekt“, nach dem eine öffentliche Darstellung von Suizid selbigen fördert. Deshalb widerspreche die Auflösung eines Werbeverbots jeglichen suizidpräventiven Ideen. Sein Kollege Uwe Sperling sieht die Entwicklung ebenfalls mit Sorge. „Hier wird offensichtlich etwas zurückgerudert“, kommentierte er die Änderungen und kritisierte, in den vorliegenden Gesetzesentwürfen sei der Lebensschutz eher eine Randerscheinung.

Hilfe bei Suizidgedanken

Denken Sie darüber nach, sich das Leben zu nehmen? Holen Sie sich Hilfe, zum Beispiel bei der Telefonseelsorge. Unter der kostenlosen Rufnummer 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die Ihnen Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen können.

Lindner kritisierte den Gesetzesentwurf der Gruppe um Katrin Helling-Plahr (FDP) und Renate Künast (Grüne) scharf. Die beiden eher liberalen Gruppen hatten sich jüngst zu einem gemeinsamen Vorschlag zusammengeschlossen, um mehr Stimmen zu erhalten. Sie fordern nun das Recht für jeden, sein Leben aus freiem Willen heraus, auch mithilfe Dritter, zu beenden, sofern keine akute psychische Störung vorliegt, die Entscheidung des Sterbewilligen dauerhaft ist und er sich einer staatlich anerkannten Beratung unterzogen hat. Doch das Gesetz sieht auch eine Ausnahmeregelung für diese staatliche Beratungspflicht in „Härtefällen“ vor.

„Suizidale Menschen treffen keine rationalen Entscheidungen“

Lindner erklärte: „Der Schutz von Menschen mit psychischer Störung und in psychischen Krisen muss mit besonderer Sorgfalt erfolgen.“ Beratungen, die rein auf Information angelegt seien, gingen an der psychischen und sozialen Situation vieler suizidaler Personen vorbei. Er sprach sich gegen Fristen zur Anerkennung eines Sterbewunsches aus. Suizidale Menschen träfen in der Regel keine überlegten, dauerhaften und rationalen Entscheidungen. 

Wagner ergänzte: Suizidale Menschen hätten oft an einem Tag einen starken Suizidwunsch, am nächsten oder über einen langen Zeitraum aber gar keinen. So könne es geschehen, dass Suizidwünsche anerkannt würden, obwohl selbiger zwei Wochen später vielleicht gar nicht mehr vorhanden wäre.

Über ein neues Gesetz zur Suizidbeihilfe soll noch vor der Sommerpause, voraussichtlich in der ersten Juliwoche, im Bundestag abgestimmt werden. Im Jahr 2020 hatte das Bundesverfassungsgericht das bisherige Verbot unter anderem geschäftsmäßiger Sterbehilfe gekippt. 

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