Druck auf Ukrainische Orthodoxe Kirche wächst

Die Ukrainische Orthodoxe Kirche steht wegen möglicher Verbindungen zu Russland unter Druck. Dass sie sich offiziell von Moskau lossagte, reiche der Regierung und Teilen der Gesellschaft nicht aus, sagt Ostkirchen-Expertin Regina Elsner.
Von Norbert Schäfer
Prof. Dr. Regina Elsner

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat zu Beginn des Monats ein Dekret unterzeichnet, das dem Oberhaupt der Ukrainischen Orthodoxen Kirche (UOK), Metropolit Onufrij, die ukrainische Staatsbürgerschaft entzieht. Die Entscheidung stützte sich auf Erkenntnisse des ukrainischen Geheimdienstes. Ein Vorwurf lautet, dass Onufrij trotz der offiziellen Trennung der UOK vom Moskauer Patriarchat weiterhin Kontakte dorthin pflegt.

Für Regina Elsner, Lehrstuhlinhaberin für Ostkirchenkunde und Ökumenik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster, steht das im Zusammenhang mit dem verschärften Vorgehen der ukrainischen Regierung gegen Russlands hybride Kriegsführung. „Russland nutzt auch das Thema Religion für die eigene Kriegslegitimierung, die Ukraine hat ein berechtigtes Interesse, den russischen Einfluss auch im Bereich der Religionsgemeinschaften einzuschränken“, erklärte die Theologin auf Anfrage. Seit 2019 würden dazu verschiedene Maßnahmen diskutiert, seit August 2024 gebe es ein Gesetz, das die Tätigkeit der Russischen Orthodoxen Kirche und mit ihr verbundener Religionsgemeinschaften auf dem Territorium der Ukraine verbietet.

Loslösung von Moskau ist ambivalent

Die Lossagung der UOK von Moskau sei umstritten, sagt Elsner. Die Kirche befinde sich in einem „kirchenrechtlichen Graubereich“. Man müsse jedoch davon ausgehen, dass die Kirchenleitung, Metropolit Onufrij, im Mai 2022 und auch in diesem Jahr den größtmöglichen Schritt in Richtung einer Lösung von Moskau gegangen sei. Dabei sei zu bedenken, dass es in der Kirche eine starke pro-russische Minderheit gebe. „Da er eine weitere Spaltung der Kirche im Krieg vermeiden möchte und auch Moskau keine weiteren Vorlagen für die Kriegspropaganda liefern möchte, ist diese Loslösung ambivalent. Nach meiner Einschätzung ist die große Mehrheit dieser Kirche eindeutig ukrainisch und hat keinerlei Verbindung mit Russland.“

Die Ukrainische Orthodoxe Kirche, der Metropolit Onufrij vorsteht, unterstand viele Jahre dem Moskauer Patriarchen. Jedoch distanzierte sich die Kirche im Mai 2022, wenige Wochen nach Kriegsbeginn, erstmals und vor kurzem erneut öffentlich von der Kirchenleitung in Moskau und erklärte sich als unabhängig. „Für die ukrainische Regierung und große Teile der Gesellschaft reicht diese öffentliche Stellungnahme nicht aus, und tatsächlich sind einige Vertreter der Kirche zweideutig in ihrem Verhältnis zu Russland“, erklärt Elsner.

Die Untersuchungen, ob die Kirche als Ganzes oder in Teilen noch zur russischen Kirche gehöre, sei kompliziert und langwierig, sowie religionsrechtlich international sehr umstritten. „Der Entzug der Staatsbürgerschaft von Onufrij unter dem Vorwand, er hätte auch die russische Staatsbürgerschaft, ist besonders problematisch, da es keinerlei weitere Begründungen oder Beweise für eine angebliche Zusammenarbeit mit Russland gibt, die strafrechtlich relevant wären“, konstatiert die Theologin.

Gläubige der Kirche leiden

Allerdings sei bereits auch anderen Bischöfen und Priestern die ukrainische Staatsangehörigkeit entzogen worden – und diese seien jedoch weiterhin in der Ukraine tätig. Es bleibe abzuwarten, ob dem Entzug der Staatsbürgerschaft weitere Maßnahmen folgen. „Die große Mehrheit der ukrainischen Bischöfe – 90 Personen – haben sich in einem offenen Brief hinter Metropolit Onufrij gestellt.“

Der Kirche drohe laut Gesetz ein Liquidationsverfahren, wenn sie die Anzeichen der formalen Zugehörigkeit zur Russischen Orthodoxen Kirche nicht beseitigen könne, erklärt Elsner. Da dies aber in mehreren Punkten von der russischen Kirchenleitung abhängig sei, sei es von vornherein nicht möglich, diese Schritte zu gehen.

„Es ist also davon auszugehen, dass der Druck auf die UOK weiter wachsen wird, und einzelne öffentliche Aussagen von Bischöfen wenig an dem grundsätzlichen Vorgehen ändern können“, sagt die Ostkirchenkundlerin, und weiter: „Darunter leiden in erster Linie die Gläubigen der Kirche, die gleichzeitig die Ukraine an der Front und im Land umfassend unterstützen und verteidigen.“

Neben der Ukrainischen Orthodoxen Kirche gibt es seit 2018 im Land die Orthodoxe Kirche der Ukraine. Sie ist autokephal und damit – anders als die Ukrainische Orthodoxe Kirche – rechtlich vollkommen eingeständig und unabhängig von einer anderen orthodoxen Kirche.

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