Meinung

Don’t look up: Sind wir zu egoistisch, unsere Welt zu retten?

Überspitzt zeigt die Netflix-Produktion „Don’t look up“, wie wissenschaftliche Erkenntnisse in einer machtbesessenen Gesellschaft untergehen. Das erinnert erschreckend an die Corona-Pandemie und an die Klimakrise. Auch der Glaube spielt eine Rolle – in pervertierter Form.
Von Martin Schlorke
„Don’t look up“

Die amerikanische Doktorandin Kate Dibiasky (Jennifer Lawrence) und ihr Doktorvater Randall Mindy (Leonardo DiCaprio) von der Michigan-State-Universität entdecken einen riesigen Kometen, der auf die Erde zurast. Ihren Berechnungen zu Folge wird der mehrere Kilometer große Himmelskörper die Erde in wenigen Monaten mit absoluter Sicherheit treffen und alles Leben zerstören. Mit dieser Nachricht wenden sich die beiden Wissenschaftler an höhere Stellen bei der NASA und bekommen schließlich eine ernüchternde Audienz im Weißen Haus.

Denn die amerikanische Präsidentin (Meryl Streep) muss sich um „wichtigere“ Angelegenheiten kümmern: Ihren Wahlkampf. Da macht sich ein drohender Weltuntergang eher schlecht. Die Präsidentin empfiehlt daher, Ruhe zu bewahren und die Lage zu sondieren. Zudem solle nur von einer siebzigprozentigen Wahrscheinlichkeit des Erduntergangs gesprochen werden. Das klinge besser. Spätestens ab diesem Moment wird das Schauen des Films zu einer anstrengenden Angelegenheit, die sich dennoch lohnt.

Parallelen zur Wirklichkeit

„Don‘t look up“ („Schau nicht nach oben“) ist ein Satire-Blockbuster, der eine Welt thematisiert, die eigentlich schon satirisch genug ist – nämlich unsere eigene. Wahlkampf anstatt Weltrettung? Persönliche Befindlichkeiten anstatt des Allgemeinwohls? Dazu braucht es weder einen Kometen noch Hollywood, sondern einen Blick auf die nach wie vor unerreichten Klimaziele unserer Politik. Eine Satire auf eine Realsatire – das ist harte Kost, führt sie doch vor Augen, wohin Teile unserer Gesellschaft gerade hinsteuern.

Da ist eine Präsidentin, die erschreckend viele Ähnlichkeiten zum ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump aufweist und ihn teilweise noch übertrifft. Bei Wahlkampfauftritten trägt sie ein Basecap mit der Aufschrift: „Don’t look up“. Auch das erinnert an Donald Trump und seiner „Make America great again“-Cap. Ironischerweise ist der Komet bereits zu diesem Zeitpunkt mit bloßem Auge zu sehen. Da gibt es Medienschaffende, die wenig Interesse an wissenschaftlichen Fakten, sondern vielmehr an dem haben, was Reichweite generiert, mag es auch noch so banal sein. Ernsthafte Journalisten bekommen mit ihrer faktenbasierten Meldung dagegen kaum Aufmerksamkeit. Und da gibt es den großen Technik-Giganten, für den jeder Mensch gläsern ist und der mehr Interesse an Gewinnen als an der Rettung der Welt hat.  

Regt zum Nachdenken an

Natürlich kommt auch die Religion nicht zu kurz – oder vielmehr eine zur Parodie verkommene Version. Der Stabschef der Präsidentin, übrigens ihr Sohn, ist der Meinung, dass zu viel für Menschen gebetet werde. Deswegen bittet er Gott, Luxusapartments, Uhren und Autos vor dem Kometen zu schützen. Ihre Reden beendet die Präsidentin schon mal mit einem „Möge Jesus Christus jeden einzelnen von Ihnen segnen, insbesondere jedes einzelne Mitglied meiner Partei.“

Wie glaubwürdig solche Floskeln in der realen Politik tatsächlich sind, sei dahingestellt. Im Film werden sie jedoch als eine arrogante Vereinnahmung Gottes für eigene Standpunkte dargestellt. Einen Seitenhieb bekommen zudem die Evangelikalen im Film ab: „Wenn Gott die Erde zerstören wollte, würde er es tun“. Warum sich also für die Rettung der Welt einsetzen? Unzählig viele solcher überspitzten Szenen finden sich im Film. Diese geraten jedoch teilweise im Laufe des Films zu platt oder schlicht langweilig.

Obwohl die Produktion des Blockbusters bereits 2019, also vor der Pandemie, begann, und vielmehr auf die Klimakrise anspielen sollte, fühlt man sich unweigerlich auch an die Corona-Krise erinnert. Nicht zuletzt, weil es ebenso wie Corona-Leugner auch Kometen-Leugner gibt. Zudem zeigt der Film, wie schnell sich Verschwörungserzählungen verbreiten. Gleichzeitig steht „Don’t look up“ in der Gefahr, eben solche zu verstärken. Denn in der Realität sind natürlich nicht alle Politiker dumm, korrupt oder machtbesessen. Ebenso sollte klar sein, dass ein Großteil der Medienschaffenden sehr gute und seriöse Arbeit leistet. Und beide Gruppen stecken schon gar nicht unter einer Decke.

Es lässt sich streiten, ob „Don‘t look up“ trotz absoluter Star-Besetzung ein Film für Liebhaber ist. Sehenswert ist er jedoch, weil er den Finger in die Wunden unserer Gesellschaft legt: Populismus, Gier und Hybris.

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Eine Antwort

  1. Die Message der Geschichte von «Don’t Look Up» ist nun leider, dass alle unter einer Decke steckten – Politik, Wirtschaft und die Wissenschaft.
    Exakt so argumentieren Verschwörungstheoretiker.

    Selbst wenn es ein paar Parallelen zwischen der Fiktion und der Wirklichkeit gibt – eine gelungene Parabel auf den Umgang mit dem Klimawandel ist der Film nicht. Dazu hätten die Macher zum Beispiel thematisieren müssen, dass die Bekämpfung eines solchen Problems häufig in politische Dilemmata führt und nicht zuletzt deshalb leicht ins Stocken gerät.

    In vielen Industrieländern sind die Warnungen der Klimaforscher ja längst auf der höchsten Ebene angekommen und beeinflussen massgeblich viele energiepolitische Entscheidungen. Doch klare Erfolge lassen noch auf sich warten. Die Schuld dafür opportunistischen Politikern, profitgierigen Unternehmern, auf Aufmerksamkeit versessenen Journalisten und kommunikationsunfähigen Wissenschaftern in die Schuhe zu schieben, wie der Film dies tut, ist zu billig.

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