Die „Vergessenen Nachrichten“ des Jahres 2023

Täglich müssen Redaktionen aus einer Vielzahl von Themen auswählen, worüber sie berichten. Manche Themen kommen kaum vor, weil ihre Relevanz als gering bewertet wird. Die Top Ten der vergessenen Nachrichten legen jedes Jahr den Finger in diese Wunde.
Von Norbert Schäfer
Große Auswahl an Zeitungen

Die Jury der Initiative Nachrichtenaufklärung (INA) präsentiert jährlich zehn Nachrichten oder Themen, die in der medialen Berichterstattung zu kurz gekommen sind. Dabei handelt es sich um Sachverhalte, die nach Auffassung der Jury zwar für die deutsche Öffentlichkeit relevant sind, über die aber bislang in Presse, Funk, Fernsehen und Internet kaum debattiert wurde. Am Freitag hat die INA die Top Ten für das Jahr 2023 veröffentlicht:

Die Top Ten der „Vergessenen Nachrichten“:
1. Die Verdunklung der Meere in Küstennähe
2. Ship Abandonment
3. Mangelhafte Psychotherapieangebote für geistig Behinderte
4. Bolivien: Wirtschaftswachstum auf Kosten des Klimas und der Bevölkerung
5. HHC: Das neue, legale Gras
6. HIV-Krise in Russland
7. Sexualisierte Gewalt in der Demokratischen Republik Kongo
8. Suizid im Justizvollzug
9. Eingeschränkte Meinungs- und Kunstfreiheit in Spanien
10. Zusammenhang zwischen Tierquälerei und interpersonaler Gewalt


Dass sich in Küstennähe das Meer aus noch nicht ausreichend erforschten Ursachen zunehmend verdunkelt, was weltweit Auswirkungen für Milliarden Menschen nach sich zieht, werde medial fast völlig vernachlässigt. Auch die massenhafte Aufgabe von Schiffen und ihrer Besatzungen auf See aus Kostengründen, das sogenannte „ship abandonment“, fand in den Medien kaum Beachtung. Ebenso die psychische Versorgung von Menschen mit geistigen Behinderungen und die Zerstörung der Umwelt in Bolivien auf der Suche nach Rohstoffen für Batterien von „grünen“ E-Autos und E-Scootern.

Neue Droge, HIV in Russland, Suizid in Gefängnissen

Über Gefahren und Risiken beim Konsum von HHC (Hexahydrocannabinol), einer frei erhältlichen Substanz, die aus illegalem Cannabis gewonnen wird und eine ähnliche Wirkung hat, werde kaum berichtet. Auf Risiken wie leichtere Abhängigkeit, Panikattacken und auch Psychosen müsse laut INA stärker aufmerksam gemacht werden, damit junge Menschen die Wirkung der frei erhältlichen Substanz nicht unterschätzten.

Was in den Medien auch kaum stattfindet, sind die steigenden Neuinfektionsraten mit dem HI-Virus in Russland. Obwohl in Deutschland etwa eine Million Menschen lebten, die in Russland geboren seien, und es weiter signifikante Migration von dort gebe, werde über die steigenden HIV-Infektionen kaum berichtet. Auch die sexualisierte Gewalt in der Demokratischen Republik Kongo durch Massenvergewaltigungen an Frauen durch bewaffnete Milizen würden nicht ausreichend thematisiert.

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Auch, dass in deutschen Justizvollzugsanstalten ein erhöhtes Suizidrisiko im Vergleich zur Gesamtbevölkerung besteht, die Meinungs- und Kunstfreiheit in Spanien eingeschränkt wird und es einen Zusammenhang von Tierquälerei und interpersonaler Gewalt gibt, wird nach Ansicht der Jury in der Medienberichterstattung nicht ausreichend behandelt.

Die Initiative Nachrichtenaufklärung (INA) ist ein medienkritischer Verein und macht nach eigenem Bekunden „die Öffentlichkeit regelmäßig auf Themen und Nachrichten aufmerksam, die von den deutschen Massenmedien vernachlässigt werden“.

Eingereichte Themenvorschläge aus der Bevölkerung werden von einer Jury aus Medienwissenschaftlern, Journalisten und Experten geprüft. Studenten an mehreren deutschen Hochschulen ermitteln, ob die Themen und Nachrichten zutreffend sind und ob sie tatsächlich von den Medien vernachlässigt wurden. Alle Themen, die diese Kriterien erfüllen, werden der Jury vorgelegt. Diese entscheidet, welche der Themen sie für besonders relevant hält, und erstellt die Top Ten der vernachlässigten Nachrichten.

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