Kommentar

Die Kritik an Wadephul verdeckt ein tieferes Problem

Der Außenminister hat mit unklarer Kommunikation für erneuten Regierungszwist gesorgt. Was aber ist falsch daran, als Christ Mitgefühl zu zeigen?
Von Nicolai Franz

Es ist kein Geheimnis, dass Johann Wadephul (CDU) überzeugter Christ ist, das betont er selbst auch ganz offen. Am Dienstag in der Sitzung der Unionsfraktion ließ er sich laut Medienberichten allerdings zu einem Satz hinreißen, der für Unmut unter seinen Parteifreunden sorgte:

„Es muss in einem Fraktionssaal, in dem ein Kreuz hängt, möglich sein, das zu benennen.“ Mit „das“ meinte Wadephul die schlimmen Zustände in Syrien, das er vor kurzem bereist hatte. Vor Ort sprach er von „apokalyptischen Zerstörungen“. Dass Syrer in ihre Heimat zurückkehren, konnte er sich kaum vorstellen.

Allerdings widersprach er damit offen der Regierungslinie, die seit langem verspricht, Syrer in ihre Heimat abzuschieben. So steht es im Koalitionsvertrag, so betonen es Kanzler Merz (CDU) und Innenminister Dobrindt (CSU) regelmäßig. Es kam zum unionsinternen Zwist: Während das Kanzleramt den Außenminister in Schutz nahm, kritisierte die Fraktionsführung Wadephul, dieser untergrabe die Erfolge der bisherigen verschärften Abschiebepolitik.

Diese Kritik wollte Wadephul abwehren, was ihm anfangs auch zu gelingen schien. Dann verstieg er sich jedoch zu Vergleichen, die laut Medien wie dem „Stern“ für Empörung sorgten: Syrien sehe aus wie Deutschland 1945. Das müsse er auch sagen dürfen – und dann fiel der Satz mit dem Kreuz im Fraktionssaal, das der CDU/CSU-Fraktion tatsächlich wichtig ist.

Eine Partei mit christlichem Gewissen muss doch solches Leid benennen, wollte Wadephul sagen. Bei anderen kam es offenbar so an, als könne man kein guter Christ sein, wenn man für Abschiebungen ist.

Es ist zu erwarten, dass der Streit auch in den kommenden Tagen weitergehen wird, sogar über einen Rücktritt wird spekuliert. Dabei fördert dieser Streit einen Konflikt zutage, der seit langem schwelt: Wie hält es die Union eigentlich mit dem „C“?

Dieser Tage hat eine Gruppe namens „CompassMitte“ für Aufsehen gesorgt, die eine klarere Betonung des Christlichen in der CDU fordern. Die meisten von ihnen sind eher Hinterbänkler, der prominenteste Christdemokrat ist der bei Merz in Ungnade gefallene Roderich Kiesewetter. Von einflussreichen CDUlern wurde diese Gruppe schnell abgetan, Grabenkämpfe seien fehl am Platze.

Dabei wäre eine Debatte über das „C“ für die Union gerade jetzt sehr wichtig. Wie konservativ muss die CDU sein? Wie christlich? Stehen „K“ und „C“ in Konkurrenz? Geht auch beides? Kanzler Merz hat es – anders als seine CDU-Vorgänger – versäumt, unionsinterne Kritiker in seiner Regierung einzubinden, denen die christliche Soziallehre wichtig ist. In der CDU ist das die CDA, die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft Deutschlands.

Natürlich muss die Regierung einheitlich kommunizieren, sie darf nicht den Eindruck erwecken, es tobe schon wieder veritabler Streit um irgendein Sachthema. Es muss aber auch möglich sein, dass ein Politiker einer „C“-Partei Mitgefühl mit Syrern zeigt, deren Heimat zerbombt wurde, ohne dass ihm daraus ein Strick gedreht wird.

Politiker müssen oft harte Entscheidungen zum Wohle des Landes treffen. Wenn sie dabei ein schweres Herz haben, spricht das nicht gegen sie, sondern für sie. 

Helfen Sie PRO mit einer Spende
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.

Ihre Nachricht an die Redaktion

Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.

PRO-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen