Meinung

„Die Aktuelle“ führt ihre Leser hinters Licht

Viele Sport-Fans wüssten gerne, wie es dem früheren Formel 1-Fahrer Michael Schumacher geht. Jetzt ließ ein - vermeintliches - Interview mit ihm aufhorchen. Details kamen an die Öffentlichkeit. Doch dahinter steckt ein medialer Skandal.
Von Johannes Blöcher-Weil

Ich bin schon immer ein großer Sport-Fan. Nicht ganz oben auf meiner sportlichen Agenda stand der Formel 1-Sport. Aus meiner Sicht gibt es größere sportliche Leistungen, als mit einem Auto im Kreis zu fahren. Aber es hatte auch seinen Reiz, Formel 1-Rennen im Fernsehen zu verfolgen.

Zumal es aus sportlicher Sicht für uns Deutsche viel zu jubeln gab. Auch wenn mein Herz eher für sportliche Außenseiter wie Heinz-Harald Frentzen schlug, musste ich die Leistung eines Michael Schumacher neidlos anerkennen. Er hat die Sportart über Jahre hinweg fast nach Belieben dominiert. 2013 kam dann der große Einschnitt.

Bei einem Skiunfall hat sich Schumacher schwere Kopfverletzungen zugezogen. Viel mehr, als dass er sich seitdem in medizinischer Rehabilitation befindet, weiß die Öffentlichkeit nicht. Es ist bemerkenswert, wie gut es dem Umfeld gelingt, die Privatsphäre des einstigen Formel-1-Weltmeisters vor den neugierigen Augen der Öffentlichkeit zu schützen.

Ein müder PR-Trick?

Jetzt ließ ein Interview aufhorchen, mit dem die Zeitschrift „Die Aktuelle“ für sich warb. Sollte Schumacher in dem groß angekündigten Interview sein Schweigen gebrochen und sein Innerstes nach außen gekehrt haben? So zumindest hatte es den Anschein, aber das alles war nur ein müder PR-Trick. Das groß angekündigte „erste Interview“ trägt die Unterzeile: „Es klingt täuschend echt.“

In der Zeitschrift selbst erklärt die Redaktion, dass das Interview von einer Internetseite stamme, „die mit Künstlicher Intelligenz, kurz KI genannt, zu tun hat“. Jetzt könnte der geneigte Leser sagen, die Funke Mediengruppe, in dem das Heft erscheint, beherrscht das kleine Medien-Einmaleins. Die Blattmacher wissen, wie man Überschriften und Inhalte generiert, die gelesen werden wollen und sollen.

Vermutlich wäre ich am Bahnhofs-Kiosk auch in Versuchung geraten, mir die Zeitschrift für eine längere Bahnfahrt zu kaufen. Aber das Verhalten ist schäbig und eine bewusste Irreführung der Leser. Vermutlich wird die Zeitschrift die Prozesskosten schon einkalkuliert haben, die sie von den Anwälten der Familie Schumacher aufgedrückt bekommen wird. Denn die Familie kündigte bereits an, dass sie rechtlich gegen das erfundene Interview vorgehen wird.

Langfristig wird es schaden

Vermutlich wird sich aber auch die PR- und Marketing-Abteilung der Mediengruppe Gedanken gemacht haben, zu welchen höheren Verkaufszahlen eine solche Schlagzeile führen wird. Von daher ist vielleicht auch schon die Auflagen-Steigerung gegengerechnet. Auf Anfragen hat sich der Konzern noch nicht geäußert.

Langfristig könnte es dem Medienhaus eher schaden. Denn guter Journalismus geht anders. Er berücksichtigt zum einen die Privatsphäre von Menschen, wenn sie es – wie im Fall Schumacher – ausdrücklich wünschen. Zum anderen hat er es nicht nötig, Inhalte zu erfinden.

Der aktuelle Fall ist ein geschmackloser Hinweis darauf, dass mangelnde menschliche Intelligenz unmöglich durch künstliche aufzuwiegen ist. Und ich bin gespannt, welche unrühmlichen Überraschungen uns die Anwendung von Künstlicher Intelligenz im Journalismus in den nächsten Jahren noch bescheren wird.

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