Der Löwe aus Mitternacht

Ackerboden, so weit das Auge reicht, kein Berg, nicht einmal eine Erhebung bietet dem Auge Abwechslung. Doch hier auf dem Acker bei Lützen in der Nähe von Leipzig wurde eine denkwürdige Schlacht des Dreißigjährigen Krieges ausgetragen. Auf diesem Schlachtfeld starb der schwedische König Gustav Adolf, seither ein Held der Protestanten in Europa.
Von Jörn Schumacher
Eine Büste des Schwedenkönigs Gustav II. Adolf steht in der Gedenkstätte in Lützen südwestlich von Leipzig

Auf diesem Landstück stürmten im Jahr 1632 rund 40.000 Männer aufeinander zu, richteten Hellebarden, meterlange Stichwaffen, und Dolche aufeinander. Diese prallten auf Metallrüstungen oder Helme, Piken wurden in Menschenleiber gerammt, Lederwesten versuchten das Schlimmste abzuhalten. Ständig knallten und rauchten Musketen, in regelmäßigen Abständen ging ein Mann wie vom Blitz getroffen auf die Knie, man hörte Kanonendonner und kurz danach rissen handballgroße Eisenkugeln Löcher in die Reihen aus Soldaten. „Gott mit uns!“, riefen die Protestanten, auf der Seite der Katholiken lautete der Schlachtruf „Jesu Maria!“

Nach sechs Stunden lagen 6.500 Tote auf den Feldern von Lützen, sie wurden überrannt von Pferden und Menschen. Wenig später, im Morgengrauen, machten sich die Bauern der Gegend über die Gefallenen her und plünderten sie, wie es üblich war, bis auf die Unterkleidung aus. Unter ihnen war auch Gustav Adolf, nur 37 Jahre alt, der König von Schweden. Wir schreiben den 16. November 1632. In einem der verlustreichsten Gefechte des Dreißigjährigen Krieges war Gustav Adolf wie immer an vorderster Front auf seinem Pferd mitten in die Schlacht geritten. Obwohl stark kurzsichtig, weigerte er sich, im Kampf eine Brille zu tragen, sodass er dem tödlichen Hieb nicht ausweichen konnte. Seine Leiche fand man erst am nächsten Tag, fast nackt, und kaum zu unterscheiden von den anderen Toten.

In dieser Schlacht trafen die zwei gewaltigen Heere aufeinander, die beide für eine christliche Sache zu kämpfen meinten. Im Dreißigjährigen Krieg ging es vornehmlich um Reformation und Gegenreformation, also um die Frage, inwieweit der neue Glaube Luthers und Calvins in Deutschland frei gelebt werden darf. Doch spielten auch viele politische Ränke- und Machtspiele eine große Rolle. Der wichtigste Heerführer der Katholischen Liga, Graf Albrecht von Wallenstein, hatte in wenigen Jahren die Protestantische Union vom Süden vor sich her bis an die Ostsee getrieben. Der Krieg schien fast schon entschieden. Doch die Protestanten hofften auf ein Wunder von Gott, um die Reformation noch zu retten. Das vermeintliche Wunder kam in Gestalt des Schwedenkönigs.

Ein Stückchen Schweden in Sachsen-Anhalt

Gustav Adolf, der „Löwe aus Mitternacht“, wie ihn Protes­tanten in Europa bewundernd und hoffnungsvoll nannten, war tief gläubig und fest entschlossen, Deutschland vom Katholizismus und der „Abgötterei des Papsttums“ zu befreien. Gleichzeitig bemerkte er aber, dass Wallenstein so erfolgreich die deutschen Protestanten bekämpfte, dass dieser vom Kaiser zum Herzog von Mecklenburg ernannt wurde. Wallenstein hatte große Pläne, er wollte etwa eine Flotte bauen, um die Ostsee und den Handel zu kontrollieren. Auch das passte dem schwedischen König nicht.

So sammelte Gustav Adolf eine moderne, leistungsstarke Armee von 13.000 Mann und setzte mit ihr zur deutschen Insel Usedom über, um den Krieg zu wenden. Als er am 6. Juli 1630 von seinem Schiff an Land sprang, fiel er hin. In einer Zeit, als Begebenheiten wie diese mit großer Bedeutung aufgeladen wurden, galt das als schlechtes Omen. Der schwedische König machte flugs aus dem Hinfallen eine Geste des knienden Gebets. Mit seiner Armee, die bald auf über 40.000 Soldaten und Söldner anwuchs, gelang ihm das Wunder tatsächlich, und er drängte Wallenstein und die Katholische Liga zurück. Der Held aus dem Norden hielt, was die Hoffnungen der Protestanten versprachen.

Als Gustav Adolf in der Schlacht von Lützen starb, war der Krieg noch lange nicht beendet. Weitere 16 Jahre sollten der religiöse Hass, das systematische Töten auf den Schlachtfeldern und das Plündern der Städte noch dauern. An der Stelle, wo Gustav Adolf starb, stellte man kurz danach einen großen Felsbrocken zum Gedenken an jenen König auf, der aus der Sicht der Protestanten mutig und selbstlos einen Krieg für die Reformation kämpfte. Sein Körper wurde einbalsamiert und erst ein Jahr später in Schweden beigesetzt. Auf dem Acker von Lützen im heutigen Sachsen-Anhalt, kaum zehn Kilometer von Leipzig entfernt, wurde 200 Jahre nach der denkwürdigen Schlacht über dem Gedenkstein ein Baldachin errichtet, entworfen vom bekanntesten preußischen Architekten, Karl Friedrich Schinkel. Im Jahre 1906 begann der Bau einer Gedächtniskapelle.

Da besonders in Schweden das Andenken an Gustav Adolf wachgehalten wird, kommen bis heute besonders viele Schweden zum Acker von Lützen – das Gästebuch zeugt davon. Sogar eine große finnische Flagge hängt im Innenraum der kleinen Kirche, die stolze Finnen – damals noch zu Schweden gehörend – stifteten. Zwei ochsenblutrote Holzhäuser wurden später bei der Gedenkstätte errichtet, sodass, wer heute nach Lützen kommt, ein kleines Stückchen Schweden vor sich hat. In einer der Hütten ist ein kleines Museum eingerichtet, ein Audio-Guide ruft die Erinnerung wach an den protestantischen König, die Schlacht der vielen Tausend Soldaten und einen Krieg, in dem Christen gegen Christen kämpften, vermeintlich um „den rechten Glauben“.

Steckbrief

Wer gegen wen?

Im Dreißigjährigen Krieg standen sich Protestanten und Katholiken gegenüber und führten einen der blutigsten Religionskriege der Geschichte.

Wann?

Mai 1618 bis Oktober 1648

Auslöser:

Der Krieg begann mit dem Prager Fenstersturz am 23. Mai 1618, bei dem protestantische Aufständische die Statthalter des katholischen Kaisers in Prag aus dem Fens­ter der Burg warfen. Die böhmischen Stände protestierten damit dagegen, dass der Kaiser nicht willens war, die freie Religionsausübung den Protestanten voll zuzugestehen.

Einschätzung:

Herfried Münkler, Politikwissenschaftler: „Luther, der ja ein distanziertes Verhältnis zu politisch Aufständischen hatte, hätte sich vermutlich nicht mit den rebellierenden böhmischen Adeligen anfreunden können, sondern darauf bestanden, dass des Christen Widerstand die Hinnahme von Leid und Strafe zu sein hat. Luther hat zum Frieden gepredigt. Am Ende waren beide Konfessionen Verlierer.“

Weitere Infos: Ein ausführliches Interview mit Herfried Münkler zum Thema lesen Sie hier.

Dieser Text erschien in der gedruckten Ausgabe des Christlichen Medienmagazins pro, Ausgabe 2/2018.

Von: Jörn Schumacher

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