Das Comeback der Taliban

Sofort nach dem Abzug der westlichen Truppen überrennen die radikalislamistischen Taliban Afghanistan. Für die Afghanen beginnt das Grauen. Ein brutaler Religionsführer und Massenmörder übernimmt die Macht – und sorgt auch bei den Christen in Pakistan für neue Angst.
Von PRO
Die Sicherheitslage in Afghanistan ist seit dem Rückzug der internationalen Truppen sehr schwierig

Die Taliban überrennen Afghanistan. Wo immer westliche Truppen in diesen Tagen abziehen, erstürmen radikalislamistische Milizen die Stellungen. Reihenweise fallen ihnen Militärbasen und Polizeistationen zu, viele Regierungssoldaten ergeben sich und liefern den Taliban ihre Waffen und Fahrzeuge kampflos aus. Die Taliban beherrschen jetzt bereits über 150 der 407 Distrikte Afghanistans, große Gebiete auch im Norden des Landes, wo die Bundeswehr stationiert war.

Nach heftigen Kämpfen mit den afghanischen Regierungstruppen haben die Taliban nun auch einen Schlüsselbezirk in ihrer ehemaligen Bastion Kandahar eingenommen. Eine Massenflucht der Zivilbevölkerung hat begonnen. Der Fall dieses Distrikts Panjwai erfolgte nur zwei Tage nach dem Abzug der US-Truppen vom Luftwaffenstützpunkt Bagram in der Nähe von Kabul, von dem aus die Amerikaner zwei Jahrzehnte lang die Operationen gegen die Taliban und ihre Al-Qaida-Verbündeten geleitet hatten. Panjwai ist nicht nur der Schlüssel zur Eroberung der Provinzhauptstadt Kandahar. Es hat für die Taliban auch eine hohe symbolische Bedeutung, denn ihr Anführer Hibatullah Achundsada stammt aus Panjwai.

Achundsada ist der neue starke Mann Afghanistans. Er trägt den Titel „Emir-al-Momineen“ (Befehlshaber der Gläubigen), trumpft dieser Tage als Glaubenskrieger auf und lässt die Weltöffentlichkeit in einer offiziellen Botschaft gönnerhaft wissen, die Taliban betrachteten den Abzug der ausländischen Truppen als „einen guten Schritt“. Achundsada und seine Milizen wollen nach dem Abzug der Amerikaner wieder ein islamisches Emirat mit Sharia und strikter Geschlechtertrennung gründen. Die Tage von Demokratie, Menschen-, Frauen- und Freiheitsrechte wären gezählt – 20 Jahre westlicher Militärpräsenz drohen damit grandios zu scheitern.

Achundsada gilt damit in der islamischen Welt als der Mann, der die USA besiegt hat. Er baut Tag für Tag mit neuen Eroberungen seine Machtbastion aus. Und viele Afghanen haben furchtbare Angst davor. Denn Achundsada eilt der Ruf eines brutalen Hardliners voraus. Zum Auftakt seines Eroberungszugs kam es im Mai zu einem perfiden Angriff auf eine Mädchenschule in Kabul mit 58 Todesopfern. Das Attentat wirkt wie eine drastische Schockbotschaft für das, was nun bevorsteht: brutale Unterdrückung insbesondere von Frauen und Mädchen. Zunächst hatten die Attentäter eine Autobombe vor der Schule gezündet. Viele Schülerinnen sind daraufhin in Panik aus dem Gebäude gelaufen. Kurz darauf wurden zwei weitere Sprengkörper zur Explosion gebracht, um möglichst viele Mädchen zu töten. Die US-Regierung sprach von einem „barbarischen“ Anschlag, in einer Erklärung der deutschen Botschaft hieß es: „Kinder zu töten, ist ein Anschlag auf die Zukunft Afghanistans.“

Doch Mädchen die Schulbildung verweigern ist ebenso Taliban-Programm wie nicht-islamische Kulturgüter zu zerstören. So war Achundsada einer der Anführer, der die Buddha-Statuen von Bamyian (ein Weltkulturerbe) hat zerstören lassen. Achundsada, Sohn eines Imams, ist 60 Jahre alt und seit zwei Jahrzehnten zunächst der theologische und jetzt der militärisch-politische Führer der Taliban. Er finanziert seine angreifenden Truppen vor allem durch Drogenhandel. Zeitweise fungierte er im Taliban-System als erbarmungsloser oberster Richter der Scharia-Gerichte, er wird von der Uno für Massaker mitverantwortlich gemacht, insbesondere gegen Angehörige der mehrheitlich schiitischen Hazara-Volksgruppe.

Christen in Sorge

Auch Christen werden nun von den Taliban gejagt, wo immer man sie entdeckt. Der Besitz christlicher Schriftstücke – auch auf dem Handy – oder Symbole ist lebensgefährlich. Im ganzen Land gibt es nur noch eine Kirche: Auf dem Gelände der italienischen Botschaft in Kabul. Auch im benachbarten Pakistan schlagen Christen wegen des Comebacks der Taliban Alarm. Teilen der pakistanischen Armee und des Geheimdienstes wird seit langem vorgeworfen, die Taliban massiv zu unterstützen. „Wir sind besorgt darüber, dass unser Außenminister und andere Regierunsgvertreter die Taliban loben. Das ist gefährlich für unser Land und unsere Gesellschaft“, warnte der Vorsitzende der religionsübergreifenden Organisation Rawadari Tehreek (Bewegung für Toleranz), der Katholiken Samson Salamat. Aus der pakistanischen Bischofskonferen mahnt auch Emmanuel Yousaf Mani: „Wir sind direkt an Afghanistan und werden am stärksten betroffen sein. Wir haben in unserem Land die von den Taliban inspirierte Kultur mit Kalaschnikows und Drogen erlebt.“

Vor allem vor Achundsada haben die Menschen Angst, denn dessen Leben ist von Gewalt dominiert. Sein Sohn Abdur Rahman starb bei einem Selbstmordanschlag auf eine afghanische Militärbasis in Gereshk. Sein Bruder wurde im August 2019 von einer Bombe getötet. Er selbst überlebte ein Attentatsversuch durch den afghanischen Geheimdienst. Der pakistanische Sicherheitsanalyst Baschir Bisan beschreibt ihn so: „Achundsada zieht Krieg dem Frieden vor und das Töten dem Leben.“

Im Mai 2017 veröffentlichte Achundsada ein 122-seitiges Taliban-Handbuch, wie man den Dschihad zu führen habe. Darin kündigt er einen langfristigen Dschihad nach dem Abzug der westlichen Gruppen bereits an: „Es ist falsch, wenn jemand sagt, dass der Dschihad sofort nach dem Weggang der Ungläubigen aufhören sollte.“ Und er macht in dem Buch auch klar, dass es „eine Sünde“ sei, dem Führer nicht zu vertrauen; wenn man den Anweisungen des Führers nicht folge, so sei das gleichbedeutend mit dem Ungehorsam gegenüber dem Propheten und Gott. Achundsada will nicht nur die Macht über Afghanistan und den Tod aller „Ungläubigen“, er fordert auch unbedingten Gehorsam.

Von: Wolfram Weimer

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6 Antworten

  1. Erschreckend und sinnlos.

    In Afghanistan dürfen Christen keinen Beitrag leisten, – zum Schaden des Landes und seiner Menschen.

    Pakistan dagegen hat Christen viel zu verdanken. Sogar mit einem Staatsbegräbnis hat die islamische Republik Pakistan 2017 die römisch-katholische Ordensschwester Dr. Ruth Pfau für Ihren jahrzehntelangen Kampf gegen die Lepra gewürdigt. Um so unverständlicher der Hass auf Christen auch dort.
    https://www.ruth-pfau-stiftung.de/aktuelles/meldungen/20170819.php

    Auf Phonix gab es eine Dokumentation über Dr.Pfau:
    https://www.pro-medienmagazin.de/phoenix-zeigt-reportage-ueber-aerztin-und-ordensfrau-ruth-pfau/

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  2. Jetzt werden wir sehen, ob Peter Struck damals gelogen hat als er sagte „Unsere Freiheit wird am Hinukusch verteidigt“. Aktuell sehe ich da kein Bedrohung unserer Freiheit durch die Taliban. Die wird jetzt eher von unseren eigenen Politikern eingeschränkt.

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    1. Hallo Maik,
      – von den eigenen Politikern bedroht? – oder letztlich sogar von den Staatsbürgern selbst bedroht?

      Wenn man Böckenförde ernst nimmt (und ich persönlich glaube, dass er recht hat), dann ist ein Freiheit und(!) die Sicherheit eines Rechtsstaat nur zu haben, wenn Jeder sich seinem Mitmenschen – und diesem Staat gegenüber – verantwortlich sieht und sich loyal verhält:

      „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen,
      die er selbst nicht garantieren kann.
      Als freiheitlicher Staat kann er einerseits nur bestehen, wenn sich die Freiheit,
      die er seinen Bürgern gewährt,
      von innen her, aus der moralischen Substanz des einzelnen
      und der Homogenität der Gesellschaft,
      reguliert.
      Anderseits kann er diese inneren Regulierungskräfte nicht von sich aus,
      das heißt mit den Mitteln des Rechtszwanges und autoritativen Gebots zu garantieren suchen,
      ohne seine Freiheitlichkeit aufzugeben.“
      (Ernst-Wolfgang Böckenförde, ehem. Verfassungsrichter)

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      1. Tut mir leid aber ein Staat, der seine Bürger absichtlich in Angst und Panik versetzt, der Grundrechte entzieht und Menschen gegeneinander aufhetzt, hat keine Loyalität verdient.

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  3. „20 Jahre westlicher Militärpräsenz drohen damit grandios zu scheitern“
    Sie haben bisher nicht zum Erfolg geführt. Das ist bestimmt auch ein wichtiger Grund, warum das Ganze beendet wird. Ich verfolge die Situation dort seit Jahren, auch weil ich Menschen von dort kenne, die hierher geflohen sind und Menschen, die dort Gutes geleistet haben. Ehrlich gesagt, bin ich sehr betrübt.
    Dennoch: Gott hat diese Welt unter Kontrolle! Darauf vertraue ich. Das ist mein Trost. Auch wenn es total anders auszusehen scheint.
    Was soll man sonst noch sagen. Alle menschlichen Auswege kommen doch hier zum Ende.

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  4. Um so weniger verstehe ich, wenn junge Afghanen, die es nach Deutschland geschaft haben hier Mädchen vergewaltigen und straffällig werden. Wollen sie wieder zurück. Ich verstehe es nicht wie man ein Land, das einem Schutz anbietet hassen kann.

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