Colbert, Ruhs, Kimmel: Meinungsfreiheit unter Beschuss

Meinungsfreiheit wird erst dann relevant, wenn sie weh tut – sonst bräuchten wir sie nicht. Die USA unter Trump werden immer autoritärer, und auch hierzulande haben wir ein Problem mit den „falschen“ Meinungen. Einen Lichtblick gibt es dennoch.
Von Nicolai Franz

Seit der Ermordung des US-Aktivisten Charlie Kirk tobt an allen Fronten der Kampf um die Meinungsfreiheit und deren Grenzen. Es wird gecancelt, was das Zeug hält, und zwar auf allen Seiten des politischen Spektrums.

Am Mittwoch ist die Late-Night-Show des Moderators Jimmy Kimmel abgesetzt worden. Offizielle Begründung: „beleidigende und unsensible Kommentare“ über den Tod Charlie Kirks. Kimmel hatte in seiner Show gesagt, dass US-Präsident Trump alles versucht habe, den Mörder Kirks so darzustellen, als sei er nicht Teil der MAGA-Bewegung gewesen (die Mordmotive sind noch unklar). Das ist nicht mal eine Petitesse, sondern die Beschreibung der Wirklichkeit. Trump frohlockte über den Rauswurf. Zuvor war schon die Show des Moderators (und gläubigen Katholiken!) Stephen Colbert abgesetzt worden, offiziell aus finanziellen Gründen, tatsächlich aber eher wegen seiner Trump-Kritik. Der 79-jährige Präsident schrieb, nun seien Seth Meyers und Jimmy Fallon dran. Es wäre das Ende der Late-Night-Shows. Trump zeigt, was er von Meinungsfreiheit hält: nichts, solange sie ihm nicht nützt.

Der NDR hat die Zusammenarbeit mit Julia Ruhs beendet. Die konservative Journalistin hatte drei Sendungen mit dem Titel „Klar“ moderiert, die von NDR und BR produziert wurden. Eine beschäftigte sich kritisch mit Migration, die andere mit der Coronapandemie, eine weitere mit Bauern. 250 NDR-Mitarbeiter hatten die NDR-Bosse nach „Welt“-Recherchen mit ihrer Forderung „überrumpelt“, sich von Ruhs zu trennen. Begründung: außer der unliebsamen politischen Ausrichtung von Frau Ruhs quasi null. In den vom BR verantworteten Beiträgen wird sie weiterhin zu sehen sein.

Kritik an dem Rauswurf kam von vielen Seiten, aber auch Zuspruch – etwa von einem „Spiegel“-Autoren, der die Mobbing-Aktion allen Ernstes mit den Worten rechtfertigte, man habe eben kein Recht, sich an einem Sender „festzuketten“. Dass es den 250 NDR-Mitarbeitern nicht die Schamesröte ins Gesicht treibt, eine junge Frau hinterrücks aus dem Programm zu kegeln, ist die eine Sache. Die andere ist die Widerstandskraft der NDR-Leitung, die von jedem Vanillepudding noch viel lernen kann. Es wäre ethisch verantwortbarer gewesen, die 250 NDR-Angestellten wegen der Störung des Betriebsfriedens ordentlich abzumahnen, statt Julia Ruhs in den BR zu verbannen.

Deutschem Journalisten droht Visum-Entzug

Der ZDF-USA-Korrespondent Elmar Theveßen hatte Charlie Kirk bei „Markus Lanz“ heftig kritisiert und unter anderem gesagt, er habe für die Steinigung Homosexueller geworben. Das war nicht nur unsauber recherchiert, sondern grob falsch. Eine LGBT-Aktivistin hatte eine CSD-Parade mit dem Doppelgebot der Liebe aus Matthäus 22 gerechtfertigt: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt“ und „du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“. Jesus sagt darin, dass dieses Liebesgebot das gesamte „Gesetz“ (die Tora) zusammenfasse. Kirk kommentierte, man solle vorsichtig mit Bibelzitaten sein. Denn zum „Gesetz“ gehöre nämlich auch die Verurteilung homosexueller Handlungen (3. Mose 18), bis hin zur Steinigung. Der Aktivist kritisierte also biblische Rosinenpickerei.

Theveßen ruderte nach entsprechenden Hinweisen zurück. Der frühere US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, hingegen schoss sich auf Theveßen ein und drohte dem Journalisten allen Ernstes mit dem Entzug seines Visums. Ein heftiger Eingriff in die Pressefreiheit.

All das hat eine gemeinsame Ursache: ein opportunistisch-instrumentelles Verständnis von Meinungsfreiheit, die sich nach außen liberal gibt, aber in Wahrheit knallharte Machtinteressen bedient. Ein Verständnis, das vorgibt, ein Grundrecht zu schützen, aber klein beigibt, wenn dieses Grundrecht etwas zu kosten beginnt.

Lange Zeit hatte die politische Linke eine große Deutungsmacht inne. Wer sich in seiner Meinungsfreiheit beschränkt sah, erntete häufig ein arrogantes Achselzucken: „Du darfst doch deine Meinung sagen, du musst aber eben mit Widerspruch rechnen.“ Schön wär’s. Statt „we agree to disagree“ gab es: Shitstorms, Anrufe beim Arbeitgeber, Blocklisten auf Twitter, Strafanzeigen (teils kommerziell organisiert), Hausdurchsuchungen wegen Lappalien, Drohungen, Beleidigungen.

Meinungsfreiheit tut weh

Einen Lichtblick gab es diese Woche dennoch: Constantin Schreiber, vormals „Tagesschau“-Sprecher, ist jetzt Nahost-Korrespondent für „Welt“ und andere „Springer“-Medien. 2023 erklärte der Autor, nicht mehr über den Islam berichten zu wollen. Schreiber hatte zuvor das Buch „Inside Islam“ veröffentlicht, in dem der arabisch sprechende Journalist Freitagsgebete dokumentierte, die große Integrationsdefizite zeigten. Er erhielt dafür Drohungen – und zog sich bei diesem Thema zurück, darauf hoffend, dass der Hass gegen ihn abebben würde. Das war nicht der Fall. „Ich habe verstanden. Schweigen bringt nichts.“, schreibt der Journalist in der „Welt“ von heute. Er will seine Sichtweise nun wieder äußern. Allen Cancel-Rufen zum Trotz. Gut so.

Oft haben wir hier bei PRO in Debatten Maß, Moral und Anstand angemahnt. Das gilt immer. Und natürlich findet Meinungsfreiheit ihre „Schranken“, wenn bestimmte Grenzen überschritten werden.

Doch wer echte Meinungsfreiheit will, sollte sich Dinge anhören können, die schmerzen. Das ist der beste Umgang mit unliebsamen Meinungen. Der zweitbeste ist der Rat des großen Peter Lustig: abschalten. Niemand zwingt einen, die Sendung „Klar“ der konservativen Julia Ruhs oder „Monitor“ mit dem linken Georg Restle anzuschauen, genauso wie früher niemand gezwungen war, „Hauser und Kienzle“ zu sehen. Keine Option ist, sein Gegenüber zum Schweigen bringen zu wollen. Wer das tut, kann sich auf viel Unheilvolles in der Geschichte berufen. Aber nicht auf die Meinungsfreiheit.

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