Filmkritik

Springsteen-Biopic: Vergeben wie „der Boss“

Bruce Springsteen ist nicht nur ein Rockstar, sondern auch Katholik. Der Glaube spielt im neuen Biopic „Springsteen – Deliver me from Nowhere“ zwar kaum eine Rolle. Dafür ist es ein eindrücklicher Film über die erlösende Kraft von Vergebung.
Von Anna Lutz

„Ich versuche, etwas Echtes in all dem Lärm zu finden“, sagt Bruce Springsteen (Jeremy Allen White) an einer Stelle des diese Woche in die Kinos kommenden Biopics zu seinem Manager Jon Landau (Jeremy Strong). Springsteen ist zu dieser Zeit bereits erfolgreich mit Songs wie „Born to Run“, „Hungry Heart“ oder „The River“. Der absolute Hit „Born in the USA“ ist hingegen noch Zukunftsmusik. Der Lärm des sich ankündigenden Weltruhms wäre für Springsteen weniger ein Problem, wäre er nicht gerade in seine alte Heimat Nebraska gezogen, wo ihn die Geister seiner Vergangenheit jagen. 

Denn Springsteen kämpft mit der Erinnerung an eine Jugend mit einem gewaltaffinen und alkoholabhängigen Vater. Immer wieder sieht er Bilder davon vor sich, wie dieser ihn zu abendlichen Boxkämpfen herausforderte und dabei schlug. Lautstarke Streits, die Angst um seine Mutter und Abende, an denen der Vater besoffen aus der Kneipe heimkehrte, suchen ihn heim. Springsteen versucht, das musikalisch aufzuarbeiten. Das tatsächlich 1982 erschienene, maximal unkonventionelle Album „Nebraska“ ist Zeugnis dieser wahren Geschichte. Doch gegen die immer stärker werdenden Depressionen hilft am Ende nicht einmal mehr die Musik. 

Tatsächlich leidet Bruce Springsteen bis heute an Depressionen und spricht offen über seinen Kampf, der 1982 anscheinend seinen Höhepunkt fand. Nicht nur das ist von Springsteens privater Seite bekannt. Die Musikerlegende, die bis heute auf der Bühne steht und gerade erste eine Welttournee beendete, ist katholisch aufgewachsen. 

Als Kind habe er jeden Tag in der Bibel lesen müssen, sagte der Sänger einmal dem „Süddeutsche Zeitung Magazin“: „Zwischen meinem sechsten und zwölften Lebensjahr musste ich jeden Tag der Woche eine Stunde lang die Bibel und den Katechismus büffeln.“ Mit zwölf Jahren habe er sich dann aber geweigert, weiterhin täglich Bibel zu lesen. „Aber Kindheitserfahrungen prägen uns nun mal. Je älter ich werde, desto mehr realisiere ich, dass ich möglicherweise versucht habe, meinen Glauben zu verlassen – aber dass mein Glaube mich nicht verlassen hat“, sagte Springsteen rückblickend. Er sei immer noch ein spiritueller Mensch und interessiere sich für Gott, Jesus und die Geschichten in der Bibel.

Film über Springsteen: Glaube kommt nur am Rande vor

Seine Live-Show „Springsteen on Broadway“ beendete er in den Jahren 2017 bis 2018 stets mit einem Vater Unser und den Worten: „Möge Gott euch segnen, eure Familien und all jene, die ihr liebt. Danke, dass ihr da wart.“ Und auch bei der jüngsten Welttournee, bei der er reichlich Kritik an der derzeitigen US-Regierung äußerte, forderte er sein Publikum mit einem „Lasst uns beten“ dazu auf, für ein besseres Amerika einzustehen. 

Vom Glauben selbst erzählt „Deliver Me From Nowhere“ nicht. Lediglich an einer Stelle wird ein wenig davon sichtbar, als Springsteens Partnerin Faye (Odessa Young) ihm eine Kette mit dem katholischen Heiligen Sankt Christopher schenkt, um ihn zu beschützen. 

(v.l.) Springsteen (Jeremy Allen White) und Manager Jon Landau (Jeremy Strong)

Doch der Film ist aus anderen Gründen ein starkes Zeugnis, auch für gläubige Menschen. Zunächst, und das ist wohl die Hauptbotschaft, die Regisseur Scott Cooper senden will und die Hauptdarsteller White dramatisch gut auf die Leinwand zu bringen weiß, zeigt er die zerstörerische Kraft der Krankheit Depression sowie die Unfähigkeit Springsteens, sich selbst durch Musik zu retten. Auch seine Freunde und Weggefährten kommen an ihre Grenzen. „Ich bin nicht ausgerüstet für so etwas“, gibt etwa Manager Landau schließlich in einem Telefonat zu, in dem der „Boss“, wie Springsteens Spitzname lautet, von der Dunkelheit um ihn herum spricht und so Suizidgedanken andeutet. 

Es ist die Gesprächstherapie durch einen Psychiater, die den Musiker letztlich rettet und zurück auf die Bühne bringt. Wie schmerzhaft dieser Prozess gewesen sein muss, lässt der Film den Zuschauer nur erahnen, als Springsteen-Darsteller White in Nahaufnahme zu Beginn des Gesprächs in Tränen ausbricht. Man kann kaum genug loben, dass Weltstar Springsteen sich dazu bereit erklärt hat, genau diesen vielleicht schwächsten Teil seines Lebens zu verfilmen und zuzugeben: Auch Rockstars verzweifeln. Auch sie brauchen professionelle Hilfe. Darin steckt keine Schande. Für niemanden.

Und dann ist da noch die Geschichte mit dem Vater. „Deliver Me From Nowhere“ wagt es nicht nur, über Depressionen zu sprechen. Sondern auch von Vergebung und Versöhnung. Das mag gerade in diesen Zeiten der Polarisierung und des Streits noch provokanter sein. Denn Springsteens Story endet nicht mit den Bildern seiner Kindheit. Als er Monate nach seinem Zusammenbruch dank viel Hilfe wieder auftritt, trifft er in der Garderobe auf seinen gealterten Vater. Und da ist keine Wut. Zwar Trauer um die zerrüttete Kindheit, ja. Aber kein Hass. Stattdessen sagt der Vater dem Sohn, dass er stolz auf ihn ist. Er entschuldigt sich. Und der Sohn erwidert: „Es ist gut. Du hattest deine eigenen Kämpfe zu kämpfen.“

Man wünscht sich, dass sich diese letzte Botschaft des Films wie ein Lauffeuer verbreitet. Die Erkenntnis, dass Vergebung möglich ist und mögen die Wunden noch so tief sein. Das Wissen darum, dass jeder Verletzungen erlebt, aber nicht jeder die Stärke hat, deshalb nicht selbst zum Täter zu werden. Und so ist diese Biografie am Ende eben doch ein Film mit christlicher Botschaft. Auch, wenn der Name Jesus Christus nicht ein einziges Mal fällt. „Springsteen – Deliver me from Nowhere“ läuft an diesem Donnerstag in den deutschen Kinos an.

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