Es darf nicht so weitergehen wie bisher, findet Wolfgang Bosbach. In seinem Buch „Totalausfall“, das er mit Ralf Schuler im Fontis-Verlag veröffentlicht, steht der CDU-Politiker dem früheren Bild-Reporter Ralf Schuler Rede und Antwort. Dabei macht sich der Politik-Haudegen ernsthafte Sorgen um die Zukunft des Landes, wenn sich die Politik nicht gravierend ändert.
Mit dem Journalisten Schuler, der als Fragensteller dient, arbeitet er sich an fast allen politischen Reizthemen ab – und bezieht in Bosbach-Manier klar Position. Für ihn gehen ganz viele Debatten am Leben der Menschen vorbei: etwa beim Selbstbestimmungsgesetz. Auch mit der Zuwanderungspolitik geht er hart ins Gericht.
Zuwanderung mit Maß und Mitte
Migranten würden ein Land definitiv vielfältiger und lebendiger machen, konstatiert Bosbach. Es gebe aber genügend Beispiele dafür, dass Integration auch misslinge. Kein Land der Welt verfüge über eine grenzenlose Aufnahme- und Integrationskraft. Zuwanderung müsse deswegen mit Maß und Mitte erfolgen: „Wir müssen sicherstellen, dass wir wissen, wer in unser Land kommt“, fordert der CDU-Grande, der in der Flüchtlingspolitik mit Kanzlerin Angela Merkel nicht immer einer Meinung war.
Alles andere spiele den Extremisten in die Karten, die schlichte Antworten und scheinbar einfache Lösungen anbieten würden: „Das hat unserem Land noch nie gutgetan.“ Natürlich arbeitet sich der Christdemokrat damit auch an der aktuellen Bundesregierung ab, die mit vielen ihrer Entscheidungen die AfD gestärkt habe.
„Seine“ Union müsse den Finger in die Wunde legen, aber der Regierung auch Hilfe anbieten, wenn es vernünftige Vorschläge gebe. Viele Probleme der Ampel hätte sicher auch eine CDU-Regierung. Aber die Wahrheit für sich zu beanspruchen und keine Abweichungen zuzulassen, habe schon etwas Sektenhaftes. Statt einer feministischen Außenpolitik wünscht er sich eine realistische. Keine Kompromisse möchte er beim Thema innere Sicherheit eingehen.
Bund lässt Kommunen im Regen stehen
Er sei froh, dass in Deutschland jeder frei seinen Glauben leben dürfe. In vielen anderen Ländern lebten die Menschen gerade einmal am „religiösen, kulturellen Existenzminimum“. Fragwürdig finde er es allerdings, wenn ein öffentlich islamisches Glaubensbekenntnis wie der Muezzin-Ruf mit dem Glockengeläut verglichen werde.
Die Grenze der Toleranz ist für den Christendemokraten in dem Moment erreicht, wenn Muslime ihre religiösen und politischen Überzeugung vermischen und „Worte und Taten ihres Propheten auch Richtschnur für ihr politisches Denken und Handeln“ werden. Wo aus einer religiösen Haltung politischer Aktivismus und Fanatismus entsteht, dürfe der Staat auf keinen Fall wegschauen.
Bauchschmerzen bekommt Bosbach offenbar, wenn es um öffentliche und veröffentlichte Meinung gehe. Er hält es für gefährlich, wenn jede Kritik an der aktuellen Politik als „rechts“ gebrandmarkt wird, nur weil sie von einem bestimmten Meinungskorridor abweiche. Der CDU-Politiker spricht sich klar für die Brandmauer zur AfD aus, auch wenn die Parteien bislang noch keine guten Antworten auf den Umgang mit der Partei gefunden hätten. Es reiche nicht aus, lediglich damit zu argumentieren, dass „das sowieso alles Nazis sind“.
Wieder zuhören und zu Kompromissen bereit sein
Insgesamt wünscht er sich eine intensivere Debatte über politische Sachthemen. Bosbach bemängelt, dass die Bereitschaft nachgelassen habe, zuzuhören und Kompromisse zu schließen. Auch warum so viele Gender-Themen diskutiert und unversöhnlich ausgetragen werden, wundert ihn, da es sich um eine überschaubare Gruppe handele. Dies seien relevante Probleme, aber die biologische Tatsache, dass es zwei Geschlechter gibt mit einer sozialen Argumentation zu leugnen, hält er für problematisch.
Und dann widmen sich die beiden Gesprächspartner auch noch der Corona-Pandemie und deren Aufarbeitung. Hier habe die Politik Vertrauen verspielt. Die Gegner der Maßnahmen seien sehr schnell verschmäht und nicht ernst genommen worden. Zu wenig beschäftigt habe man sich mit der stillen Mehrheit, die mit vielen Fragen zurückgeblieben sei.
Da es für die Pandemie kein historisches Vorbild in der Neuzeit gebe, habe die Prämisse „Safety first“ gegolten, auch wenn aus seiner Sicht nicht alles verhältnismäßig und zielführend gewesen sei. Er wünsche sich, die Pandemie in Form eines Untersuchungsausschusses aufzuarbeiten. Dabei gehe es nicht darum, Menschen anzuklagen, sondern Fragen zu beantworten und die richtigen Schlussfolgerungen für die Zukunft zu ziehen.
Und dann wird es auch noch persönlich. Vielleicht nimmt das ein bisschen wenig Raum ein. Der CDU-Politiker berichtet von seinen Anfeindungen und Erfahrungen in der Politik, aber auch wie ihn seine Krebsdiagnose als gläubiger Christ ins Grübeln gebracht habe. Und dann kommt da auch immer wieder sein rheinischer Humor durch.
Streitbar und authentisch – bis zum Schluss
Auf die Frage, ob die Union auf ihn verzichten kann, antwortet der erfahrene Berufspolitiker mit den Worten: „Niemand sollte sich für unverzichtbar halten. Die Friedhöfe sind voll von unverzichtbaren Menschen und irgendwie geht es immer weiter.“ Genau das macht den streitbaren Politiker mit seinen konservativen Thesen so authentisch.
Bosbach bearbeitet in dem Buch „seine“ Themen. Und die werden Gehör finden. Nicht nur bei denen, die sich daran reiben, sondern auch bei denen, die sich wieder nach mehr konservativen Stimmen in der Union sehnen. Für die liefert Wolfgang Bosbach mit seinem Buch die Argumente. Mit Ralf Schuler, hat er einen guten Kombattanten, der ihm mit seinen Fragen die richtigen Vorlagen liefert.
Es dürfte klar sein, dass er mit dem Buch sicher nicht die Wähler aus dem linken Spektrum ansprechen wollte. Bosbach arbeitet sich an seinen Leib- und Magenthemen ab, aber das reflektiert und ohne sich zu verbiegen. Wer den Politiker besser kennt, wird bei dem Buch nicht enttäuscht – spricht er doch auch ganz klar an, bei welchen Themen er mit seiner CDU oder Kanzlerin Merkel über Kreuz liegt. Manche der Regierungsschelte auf den knapp 250 Seiten fällt etwas lang aus, aber auch das ist nicht so ungewöhnlich für einen Oppositionspolitiker, als dass man das Buch nicht getrost weiterempfehlen kann.
Wolfgang Bosbach,Ralf Schuler: „Totalausfall“, Fontis-Verlag, 248 Seiten, 22,90 Euro, ISBN 9783038482772