Die Autobiografie des gläubigen Sängers Bono kam 2022 unter dem Titel „Surrender: 40 Songs, eine Geschichte“ auch auf Deutsch heraus. Hier beschreibt der Ire nicht nur die Gründung der weltbekannten Band, sondern auch seinen eigenen Werdegang. Dabei geht es sehr intensiv auch um seinen Glauben. Denn Bono wuchs in einer christlichen Familie auf, seine Mutter war Protestantin, sein Vater Katholik, beide gingen in ihre jeweilige Kirchengemeinde und nahmen ihre Kinder mit.
Später lernte Bono The Edge, Larry Mullen Jr. und Adam Clayton in der Schule kennen, daraus sollte eine der erfolgreichsten Rock-Bands der Welt werden. Die Lieder von U2 sind voller spiritueller Sehnsucht, und so ist auch die Autobiografie Bonos, der mit bürgerlichem Namen Paul David Hewson heißt, geprägt von einem tiefen Glauben.
Im Streamingdienst Apple TV+ erscheint nun ein Film zu dieser Biografie. In „Bono: Stories of Surrender“ steht Bono allein auf einer Bühne. Die 86-minütige One-Man-Show in einem Theater ist komplett in Schwarz-Weiß gehalten – vor allem in Schwarz. Bono erzählt in teils einstudierten, teils spontanen Texten seine Lebensgeschichte. Von seiner Jugendzeit und der Geburt von U2 bis hin zu einem Krankenhausaufenthalt vor ein paar Jahren, als er wegen eines Herzfehlers in Lebensgefahr schwebte und zu Gott schrie. „Jeschua! – Jesus!“
Zwischendurch singt Bono vor seinem Publikum einige seiner bekanntesten Hits. Von „Bloody Sunday“ über „Pride (In the name of Love)“ bis hin zu „Where the streets have no name“. Doch schnell wird klar: Ohne die Band, ohne den Wumms von Schlagzeug, Gitarre und Bass bleibt das alles eher eine zarte Erinnerung an U2. Es fehlt auch die sonst absurd riesige Bühne und die neueste Bühnentechnik, für die diese Band ansonsten auch bekannt ist.
Das hier ist nur Bono. Ein Tisch und vier Stühle anstatt Rock ’n‘ Roll-Feuerwerk, ein Streicher-Ensemble anstatt Verstärker und Boxen. Das hat eher etwas von experimenteller Kunst, von einem Tanztheater, in dem Bono versucht, die Geschichte seines Lebens nur mit dem gesprochenen Wort lebendig werden zu lassen. Das funktioniert nur mäßig. Das eigene Leben auf der großen Bühne zu erzählen, als sei es ein großes Drama, dazu gehört schon ein enorm großes Ego. Beeindruckend wird das aber immer dann, wenn Bono a cappella singt, denn seine Stimme gibt das bekanntermaßen her.
„Musik, eine Stimme, um zu beten“
Der Glaube gehört zu dieser Lebensgeschichte genauso selbstverständlich dazu wie die Bandkollegen und Bonos Vater, der wie die anderen regelmäßig als imaginärer Gast auf einem leeren Stuhl sitzt, mit dem Bono in einen Dialog tritt. „Man Vater war Katholik“, sagt Bono. „Aber er liebte protestantische Dinge, wie meine Mutter.“ Seine Mutter starb, als Bono 14 Jahre alt war.
„Ich fing an, zu beten.“ Ein Satz, der sowohl auf dieser Bühne als auch im Buch häufig fällt. Die Gitarre, die sein großer Bruder ihm gab, sei wie eine lebensrettende Leine gewesen. „Ich lernte eine weitere Stimme kennen, mit der ich beten konnte: Musik.“
Sein Heimatland Irland sei „ein Land, dem aufgrund von Religion und Politik ein Bürgerkrieg drohte.“ Doch Religion gehörte auch zum alltäglichen Leben. „In eine Klasse gingen katholische wie evangelische Kinder“, stellt Bono fest. Später lernte er eine Gruppe „radikaler Christen“ kennen. Ihr Name: „Shalom“. „Ihrer Meinung nach hatten sich die Kirchen nicht nur weit von Jesus entfernt, sondern sie standen ihm sogar im Weg.“ Als die Band U2 erfolgreicher wurde, kritisierten diese Christen, die Musik sei selbstverliebt. Fast wäre die Band schon nach dem allerersten Album am Zwiespalt zerbrochen: Kann man als Rockband erfolgreich sein und gleichzeitig Jesus dienen? Doch Bono und die anderen Musiker fanden für sich heraus: „Wir können durchaus die Welt verändern und gleichzeitig Spaß dabei haben!“
„Auch ein Heuchler kann Gutes tun“
Bono thematisiert sein Engagement für die Armen, vor allem in Afrika. „Armut ist nichts Natürliches!“, stellt er fest. „Sie ist menschengemacht und kann überwunden werden.“ Durch das Wohltätigkeitskonzert „Live Aid“ 1985, an dem U2 teilnahm, und seinen Nachfolgern kamen 250 Millionen Dollar für Afrika zusammen, berichtet Bono nicht ohne Stolz. Und dann durchbricht er plötzlich die „vierte Wand“ und stellt sich selbstkritische Fragen, die sich so manch ein Zuschauer stellen mag. Ist dieser Typ nicht ein wahnsinnig reicher, fett gefressener Rockstar, der in maßlosem Luxus lebt? „Ja“, sagt Bono schlicht und einfach. „Bin ich ein Heuchler? Ja. Aber Heuchler tun eben manchmal hier und da die richtigen Dinge.“ „Am Ende sind die Beweggründe egal. Die Ergebnisse zählen. Leben zählen.“
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Den Titel „Surrender“ erklärt Bono so: „Ich wurde mit erhobenen Fäusten geboren. Es fällt mir nicht leicht, mich zu ergeben. Mich meinen Bandkollegen, meiner Frau, meinem Schöpfer zu fügen, fällt mir schwer.“ Auch Selbstzweifel gehörten für diesen erfolgreichen Star immer dazu. Dann kommt am Schluss ein zentraler Satz, der das Phänomen Bono kurz und knapp zusammenfasst: „Ich habe genug Glauben, um zu hoffen, und genug Hoffnung, um zu lieben. Und mit dieser Musik lebe ich das aus.“
Es ist das eine, eine Autobiografie zu schreiben. Etwas anderes ist es, daraus dann auch noch ein Ein-Mann-Theaterstück daraus zu machen. Ja, Bonos Leben ist aufgrund seines weltweiten und jahrzehntelangen Erfolgs außergewöhnlich; und die vier Jungs von U2 sind cool, allen voran Bono. Doch Bono selbst scheint hier ganz besoffen zu sein von seiner Coolness. Ein Drama für die große Theaterbühne ist sein Leben aber insgesamt eigentlich eher nicht. Vielleicht wäre ein althergebrachtes Film-Format mit Interviews mit alten Weggefährten, eingeblendeten Fotos aus dem Familienalbum und Besuchen an alten Wirkungsstätten aussagekräftiger gewesen, und vor allem: unterhaltsamer. Der Glaube an Gott und die Demut gegenüber Gott, der am Ende alles in seiner Hand hält, kommen jedoch auch bei diesem etwas steifen Theaterbühnen-Musikshow-Monolog rüber. Wer aber wirklich einen tieferen Einblick in den Glauben von Bono haben möchte, dem sei das Buch empfohlen.
„Bono: Stories of Surrender“, 86 Minuten, Regie: Andrew Dominik, ab 30. Mai weltweit auf Apple TV+