Aufregung um Jobcenter-Maßnahme bei christlichem Werk

Das Jobcenter in Mettmann soll einem Arbeitssuchenden eine Maßnahme empfohlen haben, in der er „Jesus Christus begegnen“ könne, berichtet „Der Westen“. Was ist dran an der Geschichte?
Von Jörn Schumacher

Das Bürgergeld ist die gesetzliche Grundsicherung für Arbeitsuchende, es löste die sogenannte Hartz-IV-Regelung ab. Das Bürgergeld bietet auch eine Beratung für die Arbeitssuchenden bei der Suche nach Weiterbildungen an und vergibt Angebote. Eine besondere Empfehlung bekam ein Arbeitsuchender des Jobcenters in Mettmann, schreibt das Online-Portal DerWesten.de.

In dem Bericht des Magazins, das zur Funke Mediengruppe gehört, heißt es, ein Bürgergeld-Betroffener habe eine Qualifizierungsmaßnahme erhalten, bei der er „Jesus Christus begegnen“ könne. Die Empörung darüber war groß.

Die Mitarbeiter des Jobcenters hatten angeblich einen Bürgergeld-Empfänger dazu aufgerufen, zu einem Verein zu gehen, bei dem man „Jesus Christus begegnen“ könne. Der Bericht beruft sich auf einen Tweet der Gründerin des Vereins „Sanktionsfrei“, Helena Steinhaus. Der 2015 gegründete Verein setzt sich dafür ein, dass Empfänger von Sozialleistungen „entstigmatisiert“ werden und eine „angstfreie und menschenwürdige Grundsicherung“ wie das Bürgergeld erhalten. Er gleicht ausgesprochene Sanktionen Betroffener mittels eines Solidartopfes aus.

Steinhaus hatte über Twitter den Brief des Jobcenters veröffentlicht. Darin wird dem Arbeitsuchenden unter der Überschrift „Hilfsangebot Perspektive Zukunft“ eine Maßnahme angeboten, in der die „Zukunftsperspektive“ des Betroffenen erarbeitet werden könne. Dabei handelt es sich um ein Angebot des Christlichen Jugenddorfwerkes Deutschlands (CJD).

Steinhaus veröffentlichte auch einen Ausschnitt aus dem Wikipedia-Artikel zum CJD, darin heißt es, der Verein wolle nach eigener Aussage „ein Begegnungsort mit Jesus Christus“ sein. Kritikwürdig fand Steinhaus zudem die Tatsache, dass der Empfänger dem Angebot innerhalb von 14 Tagen widersprechen durfte, ansonsten gelte eine fehlende Antwort als stille Zustimmung für das Projekt. Das Schreiben war aber erst sehr spät beim Empfänger angekommen, sodass er nur noch zwei Tage Zeit für einen Widerspruch hatte.

DerWesten.de schreibt, es sei ein Problem, dass es „eigentlich nicht“ zu den Aufgaben des Jobcenters gehöre, Bürgergeld-Betroffene an religiöse Gemeinschaften „weiterzugeben“. Ein weiterer Kritikpunkt von Steinhaus war, dass das Amt die Daten des Arbeitssuchenden auch ohne aktiven Widerspruch des Empfängers an den Verein weitergegeben hat. Auf Anfrage von der „Der Westen“-Redaktion erklärte eine Sprecherin des Jobcenters, es handele sich dabei um eine zertifizierte Maßnahme, sie entspreche auch den Regeln des Sozialgesetzbuchs III.

„Unverschämheit!“

Die Reaktionen der Twitter-Nutzer fällt gespalten aus: Viele Nutzer empören sich über das Vorgehen des Jobcenters. „Ach guck mal an“, schreibt eine Twitter-Nutzerin, „den Kirchen laufen die Mitglieder in Scharen davon und jetzt missionieren sie durch Zwangsmaßnahmen über das Jobcenter. Die Trennung von Staat und Kirche klappt nur bei sexueller Gewalt gegen Kinder, da sind Staat und Justiz auf beiden Augen blind.“ Ein Nutzer empört sich mit Verweis auf die Religionsfreiheit: „Gehirnwäsche in ne christliche Sekte aka Evangelikale?“ Eine „Unverschämtheit“ nennt eine Userin das Vorgehen.

Andere Nutzer weisen indes darauf hin, dass der CJD einer von vielen Bildungsträgern sei, der Arbeitsintegrationsmaßnahmen anbietet. Ein Nutzer erwähnt, dass ein christlicher Bildungsträger „mitnichten während der Maßnahme damit beschäftigt“ sei, „jemanden zu bekehren“. Ein Bekannter von ihm gebe beim CJD literarische Kurse und er sei selbst nicht gläubig.

Ein Nutzer schreibt: „Ich verstehe die Aufregung nicht. CJD ist ein Bildungs- und Sozialunternehmen christlicher Prägung. Dieses bietet Maßnahmen an. Da ist gar nichts Kritisches dabei.“ Ein anderer weist darauf hin, dass ein Missionieren während der Beratung bei solchen Maßnahmen nicht angestrebt sei.

Auf Anfrage von PRO betont die Pressesprecherin des CJD, Inka Bihler-Schwarz, „an keiner Stelle“ stehe in dem Schreiben des Jobcenters stehe etwas davon, dass die angeschriebene Person Jesus Christus begegnen könne. Der zitierte Satz im Wikipedia-Artikel über das Christliche Jugenddorfwerk stamme aus der Satzung des Vereins und bedeute, dass die Mitarbeiter des CJD auf Basis christlicher Werte „ganz im diakonischen Sinne“ handeln.

CJD: Jeder Mensch ist unverzichtbar

„Konkret heißt das, dass das CJD jeden Menschen als ein einmaliges Geschöpf Gottes annimmt – unabhängig von seiner nationalen, kulturellen, religiösen oder sexuellen Identität“, so Bihler-Schwarz. „Auf Basis unseres christlichen Menschenbildes ist jeder Mensch unverzichtbar und hat einen Platz in der Gesellschaft“, sagt die Pressesprecherin weiter.

Weiter erklärte Bihler-Schwarz, das CJD biete in Mettmann im Auftrag des Jobcenters Mettmann die „Perspektive Zukunft“ an, eine Maßnahme des Jobcenters. „Das Jobcenter schreibt in regelmäßigen Abständen diese Maßnahme unter sozialen Trägern aus. Diese entwickeln dafür ein Angebotskonzept, mit dem sie sich beim Jobcenter bewerben. Das Angebot richtet sich an Menschen ab 18 Jahren, die es aus ganz unterschiedlichen Gründen schwer haben, eine Arbeitsstelle zu finden, deshalb schon länger keine geregelte Arbeit haben und deshalb das sogenannte Bürgergeld beziehen.“

Beispielsweise unterstützten „Sozial-Coaches“ des CJD die Teilnehmenden darin, ihren Alltag zu strukturieren und ein stabiles Beziehungsnetz aufzubauen. Dabei sei die Betreuung stets auf die ganz individuelle Situation der einzelnen Person abgestimmt, persönliche Stärken und Kompetenzen würden gemeinsam herausgearbeitet.

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