In der SCM-Dokumentation „Von Gott berufen und geführt – Unterwegs mit Ulrich Parzany“ besucht die Filmemacherin und Fotografin Katharina Brée gemeinsam mit dem Evangelisten, Pfarrer und ehemaligen ProChrist-Redner Orte, die für Parzany prägend waren.
Erste Station der Zeitreise ist der „Sehnsuchtsort Ruhrpott“, wie Parzany sagt, genauer: die Margarethenhöhe in Essen. Hierher zieht die Familie, als Parzany zwölf Jahre alt ist. Seine Eltern erlebte Parzany als „fröhliche Christen“, die dem Jungen „keine Enge“ vermittelten. In Essen findet Parzany den Weg in die kirchliche Jugendarbeit des Weigle-Hauses, wo die Mitarbeiter „die Langeweile der Jungs“ bekämpfen, „aber auch von Jesus erzählen“. Er fällt eine persönliche Entscheidung: Diesem Jesus will er folgen. Er beschließt im Alter von 16 Jahren, hauptberuflich in den kirchlichen Dienst zu gehen. Darauf richtet er fortan sein Leben aus. Der Dienst für das Evangelium von Jesus Christus ist seine Berufung.
Prägung durch Weigle-Haus und Pfarrer Busch
Die „Harte Schule der Jugendarbeit“ im Weigle-Haus in Essen war prägend für den jungen Mann. Der ehemalige Leiter der Einrichtung, Pfarrer Wilhelm Busch, hinterließ nachhaltige Spuren im Leben Parzanys. Vor allem in seiner Form der Verkündigung des Evangeliums. Busch war dem jungen Parzany Begleiter und Mentor. Mit Essen verbindet Parzany auch die erste ProChrist-Veranstaltung aus der Gruga-Halle mit dem US-amerikanischen Evangelisten Billy Graham 1993 und das Christival. Bei der europaweiten Evangelisationsveranstaltung war Parzany von 1995 bis 2009 der Hauptredner und bis 2013 der Leiter des Trägervereins, wodurch er einem Millionenpublikum bekannt wurde.
Die Frau im Hintergrund
Auf der zweiten Station der Spurensuche – dem Wohnhaus in Kassel – lernt der Zuschauer die Ehefrau, Regine Parzany, kennen. Die beiden sind mehr als 50 Jahre verheiratet. Kennengelernt haben sie sich bei der Studentenmission (SMD) in Göttingen. Parzany „verknallte sich heftig in die junge Dame“, hatte aber Angst, dass er seine Berufung nicht mehr ausfüllen kann. „Mir war die Berufung eigentlich wichtiger“, sagt er rückblickend. Aber Regine trägt die Berufung ihres künftigen Mannes mit, wartet geduldig erst die restliche Studienzeit ihres Verlobten, dann noch das Vikariat in Jerusalem ab, bis sie heiraten. Fünf Jahre war das Paar verlobt. Das offenbart viel über die Liebe, die Geduld, aber auch die Entschlossenheit der Frau und darüber, was für ihn Priorität hatte. Die zahllosen Briefe aus dieser Zeit haben die Eheleute bis heute aufgehoben. Regine wird zur Stütze seines Lebens und somit auch seiner Berufung. In Kassel hatte Parzany auch seinen Dienstsitz als CVJM-Generalsekretär. Dieses Amt hatte er von Oktober 1984 bis Oktober 2005 inne.
„Nachspielzeit“
Die dritte Etappe der Dokumentation führt nach Hannover, zum „Pavillon der Hoffnung“, dem christlichen Wahrzeichen der Expo 2000, dessen Leiter Parzany war. Dort trifft der 78-jährige Parzany auf den 16 Jahre jüngeren Roland Werner, dem wie Parzany die Mission ein Herzensanliegen ist. Der erinnert sich an Gottesdienste während seiner Studentenzeit mit Parzany. „Wir haben immer zu ihm aufgeschaut“, sagt Werner rückblickend. Wie Parzany war auch Werner einmal CVJM-Chef.
Am vierten Tag spricht die Autorin des Films in St. Peter-Ording mit dem Ehepaar Parzany. Es ist einer seiner Urlaubsorte. Die beiden gewähren mutmachende Einblicke in ihr langes Eheleben. Die betagten Eheleute freuen sich aneinander, das ist offensichtlich. Sie wissen jedoch, dass sie in der „Nachspielzeit“ des Lebens sind. Der Gedanke, dass einmal einer allein zurück bleibt, schmerzt sie.
Das facetten- und ereignisreiche Leben Parzanys in eine 50-minütige Dokumentation packen zu wollen, ist ambitioniert. Die Idee, sich dabei auf vier Orte zu beschränken, geht in Ordnung. Leider ist das Vorhaben bei der vorliegenden Dokumentation nicht gänzlich gelungen.
Augenzeugen und Kritiker fehlen
Die Doku beschert dem Zuschauer interessante Einblicke in Parzanys Lebensgeschichte, seine Berufung, seine Mission. Sehr schön ist, dass seiner Frau Regine im Film Raum eingeräumt wird. Sie hat über Jahrzehnte hinweg ihrem Mann den Rücken frei gehalten und stand selber nie im Licht der Öffentlichkeit. Eindrücklich sind die Szenen, in denen Parzany aus persönlichen Briefen an seine Frau oder seines Mentors Wilhelm Busch liest.
Außer Parzany und seiner Frau kommt in dem Film einzig noch Roland Werner zu Wort. Die Zahl der Weggefährten, Freunde, aber auch der Kritiker aus ProChrist- und CVJM-Zeiten hätte viel Stoff für ein differenzierteres Lebensbild des sympathischen und profilierten Evangelisten geliefert. Diese Chance verpasst die Dokumentation leider. Stimmen seiner Kritiker fehlen ganz. Auch die Familie kommt nicht zu Wort. Mehr persönliche Eindrücke von Zeit- und Weggenossen hätten der Dokumentation gut zu Gesicht gestanden.
Parzany war unzweifelhaft für „viele Menschen Geburtshelfer für ein neues Leben“, wie es Katharina Brée beschreibt. Ein Film, der den Anspruch erhebt, eine Dokumentation zu sein, und als Gegenstand der Betrachtung einen „Diener der guten Botschaft und Streiter für das Evangelium“ und seine Berufung darstellen will, muss diesen Beweis in der Form wenigstens eines authentischen Berichtes liefern. Der vorgelegte Film tut es nicht und bleibt deshalb, und auch weil Zeitzeugen in dem Film fast gänzlich fehlen, hinter den Erwartungen zurück.
„Von Gott berufen und geführt – Unterwegs mit Ulrich Parzany“, DVD, SCM Hänssler Film, 50 Minuten, 14,99 Euro