ARD: Freikirchliche Gottesdienste als „ausgeübte Gewalt“

Radikale Christen mit „schlichtem Weltbild“ manipulieren ihre Opfer in Angst und emotionale Abängigkeit hinein. Das zumindest erklärte die ARD am Montagabend in der Reportage „Mission unter falscher Flagge“. Eine TV-Kritik von Moritz Breckner
Von PRO
Düster, bedrohlich und verdächtig: So sehen die ARD-Reporter evangelikale Christen
JESUS wird in riesigen Lettern auf die Bühne der Stuttgarter Schleyerhalle projiziert. Tausende Jugendliche treffen sich hier zur „Holy Spirit Night“, einem Gebetsabend mit viel Musik. Zwei junge Besucher erzählen, dass sie von Jesus so begeistert sind, dass sie dies auch anderen Menschen weitersagen wollen. Die NDR-Reporterinnen Mareike Fuchs und Sinje Stadtlich überblenden das Bild der singenden Jugendlichen mit einem schwarzen Rahmen und unterlegen es mit mystischer Musik. „Mit herkömmlichen Gottesdiensten hat das hier nichts zu tun“, raunt Tagesschau-Sprecherin Susanne Daubner aus dem Off. Joachim Schlecht kommt ins Bild, Pfarrer und Seelsorger am Klinikum Bad Cannstatt, wo „diejenigen hinkommen, die mit dem Produkt Jesus nicht glücklich geworden sind“. Schlecht sagt zur „Holy Spirit Night“, wo die Besucher anders als in „herkömmlichen Gottesdiensten“ jung, ausgelassen und viele sind, und zu den kurzen Predigtausschnitten aus dem Stuttgarter „Gospel-Forum“: „Das erinnert mich an schlechte Manager-Seminare (…) Der Glaube wird als Machtmittel eingesetzt und zur Manipulation. Das ist nicht die Freiheit, wie sie das Evangelium transportieren will.“ Doch das reicht dem Pfarrer nicht: „Ich empfinde das als eine Art von Gewalt, die dort ausgeübt wird.“

„Die Schlinge zieht sich langsam zu“

Schlechts Kommentare sind der einzige rote Faden der 45-minütigen Sendung, die sich nach und nach an allem Evangelikalen abarbeitet, was den Autoren im vergangenen Jahr begegnet ist. Ehemalige Mitglieder des „Gospel-Forums“ Stuttgart, einer der größten deutschen Freikirchen, berichten anonym von Eheseminaren, in denen erklärt worden sei, dass die Ehefrau jederzeit die sexuellen Wünsche des Partners zu erfüllen habe. „Der Gottesdienstbesuch reicht nicht aus“, wird von der Off-Stimme erklärt, man solle auch an Bibelabenden und Hausgruppen teilnehmen. Und wenn man da erstmal drin sei, dann „ziehe sich die Schlinge langsam zu“, heißt es von einem anonymen ehemaligen Mitglied. Im Bild zu sehen sind hunderte zufriedene Gemeindemitglieder, zu Wort kommt eine handvoll Unzufriedener, die über Manipulation sprechen. Die nächste Kirche, auf die es die Journalisten abgesehen haben, ist die Freie Gemeinde Neugraben bei Hamburg samt des Vereins „Mission Freedom“, der sich gegen Zwangsprostitution einsetzt. Beide werden von der „ehemaligen Stewardess und selbsternannten Pastorin“ Gaby Wentland geleitet, die für ihr Engagement 2013 den Bürgerpreis der deutschen Zeitungen erhielt. Die Reporter halten sich und den Zuschauer lange damit auf, zu erklären, dass auf einer von Wentlands DVDs eine Frau von ihrer Vergangenheit als Zwangsprostituierte berichtet, von der aber andere behaupten, sie sei nie Zwangsprostituierte gewesen. Was im Film nicht erwähnt wird ist, dass „Mission Freedom“ die DVD seit der Kritik vor vielen Monaten nicht mehr vertreibt. Später wird Wentland beim Predigen gezeigt: Sie berichtet über die Bekehrung einer jungen Frau, die in ihrem Leben viel sexuelle Gewalt erfahren habe und darüber, wie schön es sei, so jemandem dann Mut zuzusprechen und zu erklären, dass sie oder er in Gottes Augen wertvoll sei. Vielleicht sollte die Predigerin damit als Fanatikerin dargestellt werden, aber immerhin: Für eine halbe Minute ist den Autoren das pure Evangelium in den Film gerutscht.

Jürgen Werth: „Fröhlich und ernsthaft glauben“

Für die Evangelikalen kommt der langjährige Vorsitzende der Deutschen Evangelischen Allianz und ERF-Direktor, Jürgen Werth, zu Wort. „Wir wollen mit Ernst und Freude Christ sein und wollen, dass der Glaube unser Leben bestimmt“, erklärt er. Gefragt nach den Statements unglücklicher „Aussteiger“ aus Kirchen, die hunderte Kilometer von Werths Wohnort entfernt liegen, verweist er darauf, dass man in jedem einzelnen Fall das Gespräch suchen müsse. Die Sendung stellt kurz den ERF in Wetzlar und seine unterschiedlichen Internetangebote, „auch gegen Sex-Sucht“, vor. Dann fahren die Reporter nach Brandenburg, um ausführlich den Stacheldraht zu filmen, hinter dem der „selbsternannte“ Evangelist Jörg Kohlhepp mit seiner Familie wohnt. Kohlhepp leitet den sozialdiakonischen Dienst „Zukunft für dich“, der in einem Berliner Problemviertel Spielenachmittage für Kinder anbietet. Da die Kinder bei solchen Anlässen auch Süßigkeiten erhalten („Lockangebote“), darf ein Mitarbeiter des Bezirksamts Kohlhepps Verein mit „dem Onkel, von dem man das Bonbon nicht nehmen soll“, vergleichen. Als Kohlhepp mit seinen Kindern am Gartentor vom Kamerateam mit Fragen konfrontiert wird, will er spontan nicht antworten. Weiter geht es zur „Freien christlichen Jugendgemeinschaft“ in Lüdenscheid. Am „Domizil“ des Vereins ist die „Durchfahrt für Autos verboten“, erklärt die Off-Stimme bedeutungsschwer, es wird auf das entsprechende Schild an dem Waldweg gezoomt. Die „Hauptfigur“ hier sei Walter Heidenreich, von dessen Sendung bei Bibel TV Ausschnitte gezeigt werden. Aussteiger berichten anonym, in Heidenreichs Veranstaltungen habe man seine Geldspende mit gestrecktem Arm zeigen müssen, um Gebet zu empfangen – eine vollkommen unbiblische Praxis, die, falls sie zutrifft, aller Wahrscheinlichkeit nach ein Einzelfall ist.

Schwuler Reporter wollte Christen reinlegen

Gegen Ende der Sendung werden Szenen aus Gottesdiensten der TOS-Gemeinde Tübingen gezeigt: „Schreien und Zittern wird hier als Berührung mit dem heiligen Geist gedeutet“. Pastor Jobst Bittner war zu einem Interview bereit und erklärt: „Als Christ glaube ich natürlich, dass es Himmel, Hölle, ewiges Leben und auch Verdamnis gibt, und dass jeder Mensch irgendwann mal vor Gott stehen muss“. Wer die Reportage bis hierhin durchgehalten hat, wird verwundert feststellen, dass es bisher kaum um das Thema Homosexualität ging. Dem wird Abhilfe geschaffen – und am Ende schnell noch ein paar mit versteckter Kamera gefilmte Szenen aus einer alten Panorama-Sendung eingespielt, in denen ein schwuler Reporter vorgibt, bei christlichen Predigern Hilfe zu suchen. Hinterher berichtet er, wie absurd er es fand, dass für ihn gebetet wurde.

Fazit: Christen sind gefährlich

Was haben die Zuschauer aus der Reportage gelernt? Christen „inszenieren“ sich, sie „manipulieren“ und „propagieren“ und haben dabei stets nur sich selbst, den Missionsbefehl oder Geld im Kopf. Wer kein Christ ist, sollte sich von denen fernhalten. Christen wiederum können nur betrübt den Kopf schütteln. Warum setzen Journalisten singende und betende Jugendliche in einen bedrohlichen Kontext, statt ihren Glauben zu tolerieren? Warum ist jedes ehrenamtliche Engagement verdächtig und weniger wert, wenn es aus christlicher Motivation heraus geschieht? Warum muss man sich automatisch rechtfertigen, wenn man zu einer Freikirche gehört? Die ARD stellt mit ihrer Reportage Evangelikale unter Generalverdacht. (pro)
https://www.pro-medienmagazin.de/fernsehen/detailansicht/aktuell/ard-doku-haben-christen-zu-viel-einfluss-79705/
https://www.pro-medienmagazin.de/fernsehen/detailansicht/aktuell/keine-angst-vor-homo-heilern-88053/
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Eine Antwort

  1. Ja, sehe ich so wie es im TV Beitrag gezeigt wurde. Die Kirche im Pott ist noch schlimmer. Dort wird manipuliert wie in einer Sekte. Ein Kommen und Gehen, wie ich es noch nirgends gesehen habe. Eine Kirche mit derart hoher Fluktuation hat sektenähnliche Strukturen und zu Ehemaligen wird der Kontakt abgebrochen. Man sei im BFP und in der Bochumer Allianz, das soll alles was sie treiben entschuldigen? Diese „Kirche“ sollte mit staatlicher Hilfe aufgelöst werden, sie verhalten sich kindes- und jugendgefährdend mit ihren kranken radikalen Ansichten.

    Viele Grüße

    Xxx XxxX

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