Meinung

Antisemitismus auf der documenta: Das wird man doch noch malen dürfen

Ein klar antisemitisches Kunstwerk wird nun endlich entfernt. Die documenta-Verantwortlichen hätten es nie präsentieren dürfen. Eine Schande für Deutschland.
Von Nicolai Franz
Das Werk „People's Justice“ von Taring Padi

Antisemitismus hat in Deutschland keinen Platz, heißt es immer wieder. Oh doch, das hat er – und das ist eine Schande. Jüngstes Beispiel ist ein riesiges Kunstwerk des indonesischen Kollektivs Taring Padi. Auf dem Wimmelbild ist unter anderem eine Figur mit Schläfenlocken, die an „Stürmer“-Karikaturen von Juden erinnert. Auf ihrem Hut sind SS-Runen aufgemalt. 

Außerdem findet sich ein Schwein in Uniform mit Davidstern, auf dessen Helm „Mossad“ steht. Jeder mit einem Hauch Geschichtsbewusstsein erkennt darin das, was es ist: unverhohlener und vulgärer Antisemitismus.

Immerhin wird die Installation jetzt entfernt, nachdem es zuvor nur verhüllt worden war. Besser wäre es gewesen, das Kunstwerk „People’s Justice“ wäre gar nicht erst aufgehängt worden. Die documenta-Geschäftsführung sei „keine Instanz, die sich die künstlerischen Exponate vorab zur Prüfung vorlegen lassen kann und darf das auch nicht sein“, teilte documenta-Generaldirektorin Sabine Schormann mit.

Erst am Freitagnachmittag sei das Werk aufgehängt worden. So kann man sich auch aus der Verantwortung ziehen. Zumal das Kunstwerk nicht unbekannt war und laut Mitteilung seit 2002 international schon oft gezeigt wurde. Die documenta-Verantwortlichen mussten wissen, was sie da präsentieren.

Von Antisemitismus wollen die Künstler nichts wissen

Noch erschütternder ist aber, was das die Künstler von Taring Padi selbst schreiben.

Die Installation sei „Teil einer Kampagne gegen Militarismus und die Gewalt, die wir während der 32-jährigen Militärdiktatur Suhartos in Indonesien erlebt haben und deren Erbe, das sich bis heute auswirkt“. 

Die Figuren würden Bezug nehmen „auf eine im politischen Kontext Indonesiens verbreitete Symbolik, z.B. für die korrupte Verwaltung, die militärischen Generäle und ihre Soldaten, die als Schwein, Hund und Ratte symbolisiert werden, um ein ausbeuterisches kapitalistisches System und militärische Gewalt zu kritisieren“. 

Und die Motive auf der Installation? Hätten alle nichts mit Judenhass zu tun, beteuern die Künstler. Das Werk stehe „in keiner Weise mit Antisemitismus in Verbindung“. Man sei traurig darüber, „dass Details dieses Banners anders verstanden werden als ihr ursprünglicher Zweck“. Klar, will man zynisch bemerken, wer könnte bei SS-Runen, Davidstern, Stürmer-Karikaturen und Mossad auch an etwas anderes denken als die indonesische Militärdiktatur? Oder anders gefragt: Für wie dumm halten die Künstler die Öffentlichkeit eigentlich?

Gift des Judenhasses wirkt weiter

Dass das riesige Werk seit zwei Jahrzehnten durch die Welt tingeln durfte, ist ein Skandal für sich. Und es spricht Bände darüber, wie salonfähig Antisemitismus in anderen Ländern offenbar ist – die Präsentation in Deutschland war die erste in Europa. Taring Padi bittet um Entschuldigung für „die in diesem Zusammenhang entstandenen Verletzungen“ und gibt an, der Verhüllung „als Zeichen des Respekts und mit großem Bedauern“ zugestimmt zu haben. 

Was davon zu halten ist, erklärt das Künstlerkollektiv selbst – zu dem Zeitpunkt, als es noch in verhülltem Zustand stehen bleiben sollte: „Das Werk wird nun zu einem Denkmal der Trauer über die Unmöglichkeit des Dialogs in diesem Moment.“ Keine Spur von Einsicht, stattdessen ein trotziges „Das-wird-man-doch-noch-malen-dürfen“. Der documenta-Skandal zeigt, dass das Gift des Judenhasses auch fast acht Jahrzehnte nach dem Holocaust weiter wirkt. 

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3 Antworten

  1. Ich halte diesen Kommentar von Herrn Franz für sehr eurozentristisch und daher einem Gemälde aus Indonesien nicht angemessen. Das Werk insgesamt als antisemitisch zu bezeichnen, obwohl von den hunderten dargestellten Figuren nur eine eindeutig als israelisch zu identifizieren ist (und eine weitere verdächtigt wird trotz der SS-Runen), ist eine eilige Vorverurteiling. Damit verweigert man einen notwendigen Dialog und eine Debatte über das eigentliche Thema des Wimmelbildes: Diktaturen, Unterdrückung und Ausbeutung von Menschen, Gewalt zur Machterhaltung und -vermehrung durch 32 Jahre Suharto-Herrschaft aber auch durch Kolonialismus und völkerrechtswidrige Invasionen (z.B. Putins Russland). Herr Franz tut so als ob die Künstler von Taring Padi nur die indonesische Geschichte darstellten und versteht daher die Darstellung eines Israelis nicht. Ich vermute es geht ihnen um eine Kritik der israelischen Besatzungspolitik, die nicht nur in Indonesien geübt wird. Uns erinnert die Art der Darstellung zu Recht an antisemitische Propaganda. Aber deshalb muss das nicht von den indonesischen Künstlern so gemeint sein. Der von ihnen vermisste Dialog ist also tatsächlich notwendig.

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  2. Sehr geehrte Damen und Herren!

    Ich halte die Kritik an dem Banner für übertrieben!
    Vor lauter Aufregung wurde vergessen, wie der Titel des Banners lautet und um was es den Künstlern dabei geht.

    Geht es wirklich um Antisemitismus?

    Hermann Kast

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