Muslime verteidigten zwar heute mit „größerem Engagement und größerer Empfindlichkeit ihren Glauben“. Das dürfe jedoch nicht dazu führen, dass Meinungs-, Presse- oder Kunstfreiheit aus Rücksichtnahme auf eine Religion, eben den Islam, beschnitten würden. Diese Auffassung hat der Rechtswissenschaftler Rudolf Steinberg in einem Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom Montag vertreten und vor falsch verstandener Rücksichtnahme gewarnt.
In Deutschland ist die Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen unter Umständen strafbar, wenn sie „geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören“. Wegen seiner Geschichte wird die Regelung des Paragraphen 166 des Strafgesetzbuches häufig als Gotteslästerungs- oder Blasphemieparagraph bezeichnet.
Staat und Gesellschaft sind hilflos
„Sosehr eine aus Anstand und Mitgefühl geborene Rücksichtnahme auf die Empfindungen anderer zu begrüßen ist“, schreibt Steinberg, ehemaliger Präsident der Universität Frankfurt, „so verändert sich ihr Charakter, wenn sie durch Angst bestimmt wird.“ Durch die Schere im Kopf von Journalisten, Karikaturisten und Schriftstellern seien diese Freiheiten bereits jetzt „erheblich eingeschränkt“. Ein Grund sei die Angst vor islamistischem Terror.
Steinberg stützt seine Aussage auf die Beobachtung, dass nach dem Anschlag auf die Redaktion des französischen Satiremagazins Charlie Hebdo mit mehreren Mordopfern weltweit Veranstaltungen abgesagt worden seien, die womöglich von Islamisten als Provokation hätten verstanden werden können. Mitschuld an der „faktischen Rückkehr“ einer Art „muslimischen Blasphemieverbotes“ tragen seiner Ansicht nach die Schwäche des Staates und der westlichen Zivilgesellschaft. Das ungeschriebene Blasphemieverbot lässt nach Ansicht des Juristen ein „gerüttelt Maß an Hilflosigkeit gegenüber dem weltweiten Terror“ erkennen. (pro)
Von: nob