Amnesty International wirft Israel Apartheid vor – und erntet heftige Kritik

Erneut wird Israel in dem Bericht einer Menschenrechtsorganisation der Apartheid bezichtigt. Die Kritik ist weltweit massiv. Sogar das Auswärtige Amt reagiert.
Von Martin Schlorke
Mauer

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat am Dienstag einen Bericht vorgelegt. Darin wirft die Organisation Israel vor, ein „grausames System“ errichtet zu haben und „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ zu begehen.  

Der Vorwurf ist nicht neu. Bereits in der Vergangenheit haben verschiedene Organisationen wie B’Tselem oder Humas Rights Watch Israel der „Apartheid“ bezichtigt. Meist galten die Vorwürfe Israels Verhalten in Bezug auf die Palästinensergebiete.

Wie die Direktorin von Amnesty International für den Nahen Osten, Heba Morayef, nun erklärte, beziehe sich die Anschuldigung „auf alle von Israel kontrollierten Gebiete, also sowohl in den besetzten, palästinensischen Gebieten als auch in Israel“. Israel würde „ein institutionelles Regime der Unterdrückung und Vorherrschaft“ aufrechterhalten. Das Ziel des jüdischen Staates sei es, die Palästinenser als eine „minderwertige, ethnische Gruppe zu unterwerfen und sie absichtlich ihrer Rechte zu berauben“.

Der Vorwurf löste weltweit eine Welle der Kritik aus. Israels Außenminister Jair Lapid erklärte: „Amnesty zitiert Lügen, die von terroristischen Organisationen verbreitet werden.“ Der Bericht spreche dem Staat Israel das Recht ab, als Nationalstaat des jüdischen Volkes zu existieren. In einer Videobotschaft nannte Lapid Amnesty International eine „radikale Organisation, die Propaganda weitergibt“.

Bereits vor der Veröffentlichung des Berichts erklärte die israelische Regierung, dass Amnesty International mit zweierlei Maß messe: „Dämonisierung, um Israel zu delegitimieren. Dies sind genau die Zutaten, aus denen der moderne Antisemitismus besteht.“

„Wer Amnesty spendet, fördert Antisemitismus“

Der ehemalige religionspolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, Benjamin Strasser, erklärte, dass er wegen des Berichts seine Mitgliedschaft bei Amnesty International beende. Mit dem Vorwurf „eines angebliches Apartheidsystems in Israel“ habe die Menschenrechtsorganisation eine rote Linie übertreten. Strassers Parteikollege Alexander Graf Lambsdorff schrieb auf Twitter: „Wer Amnesty spendet, fördert Antisemitismus“

Der Grünen-Abgeordnete im Bundestag, Kai Gehring, wirft Amnesty International vor, „faktisch antisemitisch“ zu agieren. „Undifferenzierte und entkontextualisierte Parteilichkeit im Gewand des Antizionismus ist für eine Menschenrechtsorganisation beschämend.“

Über einen Sprecher ließ am Mittwoch das Auswärtige Amt verlauten, dass es „Begriffe wie Apartheid ebenso wie eine einseitige Fokussierung der Kritik auf Israel“ ablehne. Das sei für eine Lösung des Nahostkonflikts nicht hilfreich. Zudem trage bei dem derzeitigen besorgniserregenden Anstieg von Antisemitismus in Europa jeder, der sich für Menschenrechte einsetze, die Verantwortung, „diesem nicht unfreiwillig Vorschub zu leisten“.

Rückgabe des Friedensnobelpreises gefordert

Ebenfalls am Mittwoch forderte die Deutsch-Irsaelische-Gesellschaft (DIG) in einer Pressemitteilung Amnesty International auf, den 1977 erhaltenen Friedensnobelpreis zurückzugeben. DIG-Präsident Uwe Becker erklärte: „Wer Realitäten ausblende, etwa die der 20 Prozent in Israel lebende Araber, sprich: Palästinenser, die sich eindeutig zum Staat Israel bekennen, wer die Weltöffentlichkeit auffordere, zu ‚agieren‘, schüre willentlich Unfrieden.“ In dem Bericht entlarve sich Amnesty International als „zweifelsfrei antisemitisch“.

Die Antisemitismusforscherin Monika Schwarz-Friesel sagt gegenüber der Tageszeitung Die Welt, dass der Apartheid-Vorwurf gegen Israel der „Verleumdung des demokratischen Staatswesens“ dient. Das Wort werde aus seinem historischen Zusammenhang gerissen und dekontextualisiert. Zudem impliziere der Vorwurf den antisemitischen Stereotyp, dass Juden nur aus Eigeninteresse handeln und kein Mitleid für andere Menschen fühlen würden. Der „Apartheidstaat Israel“ sei als „Fantasiekonstrukt“ zu einem Schlagwort geworden, dessen Wahrheitswert nicht mehr hinterfragt oder geprüft werde.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, nannte die Veröffentlichung „fahrlässig“. Der Bericht schüre weiter den ohnehin verbreiteten israelbezogenen Antisemitismus in Europa. Schuster forderte zudem von Amnesty Deutschland eine Distanzierung vom Bericht.

Auf Nachfrage der Evangelischen Presseagentur (epd) erklärte die deutsche Sektion von Amnesty International, dass Berichte und menschenrechtliche Positionen in der Hoheit des Internationales Sekretariats lägen. Die deutsche Sektion habe aber aufgrund der deutschen Geschichte eine besondere Verantwortung. Deswegen plane Amnesty Deutschland zu dem Bericht keine Aktivitäten. So soll eine Missinterpretation oder Instrumentalisierung des Berichtes entgegengewirkt werden.

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10 Antworten

  1. „Der Vorwurf löste weltweit eine Welle der Kritik aus“

    Eigentlich waren es nur 2 von 195 Ländern auf der Welt.

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  2. Der AI Bericht bestätigt, was Human Rights Watch ebenfalls detailliert beschrieben hat – und die UNO in etlichen Resolutionen fordert. Ich habe die Gegend mehrfach bereist und kann dem Bericht nur zustimmen. Die Wurzel des Konflikts klar zu benennen, hilft dabei, ihn zu lösen und Israel/Palästina zu einer echten Demokratie zu machen. Dafür trägt Deutschland wegen seiner historischen Schuld eine doppelte Verantwortung – gegenüber Juden und Palästinensern. Denn die Deutschen haben den Holocaust begangen, nicht die Palästinenser – die Wiedergutmachung aber fand im Nahen Osten statt, auf Kosten der Palästinenser, die seit 1948 mehrheitlich vertrieben, enteignet, entrechtet und ausgebürgert wurde. Während jeder Deutsche Israel besuchen darf, dürfen Millionen palästinensische Flüchtlinge ihre Heimatorte in Israel weder besuchen, geschweige denn dorthin zurückkehren. Dieses Unrecht ist obszön. Wieso haben ausgerechnet deutsche Nachkommen des Nazi Regimes – christliche Würdenträger, Politiker, Touristen – in Israel/Palästina MEHR Rechte, als die palästinensischen Indigenen!?

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    1. Der Vorwuf der Apartheid ist sachlich völlig unzutreffend und ein beliebtes Narrativ des israelbezogenen Antisemitismus! Und das hat nichts damit zu tun, dass man die israelische Regierungspolitik im Einzelnen kritisieren kann und muss!
      Die UNO aufzurufen, als wäre sie in dieser und vielen anderen Hinsichten ein neutraler und objektiver Juror, ist entweder bewusste Irreführung Ihrerseits oder beruht auf Ahnungslosigkeit. Die UNO ist seit vielen Jahren getrieben von bekannten Akteuren israelfeindlich, während unzählige Schurkenstaaten ungeschoren davon kommen!
      Auch Ihre Rede von den Millionen palästinensischen Flüchtlingen ist (bewusst) irreführend, weil der Flüchtlingsstatus der Palästinenser vererbbar ist, das ist einzig in der Definition des Flüchtlingsstatus und nicht gerechtfertigt, aber von einschlägigen Akteuren politisch gewollt! Also alle Nachfahren einst vertriebener Palästinenser sind „aktuell“ Flüchtlinge mit einem Anspruch auf „ihre“ Heimat!
      Daher ist die Forderung der Rückkehr aller „Flüchtlinge“, wie dies auch etwa vom BDS, der ja auch über beste Verbindungen in die palästinensische Terrorszene verfügt, nichts weniger als die Bestreitung des Existenzrechtes Israels.
      Israel ist – bei allen Schwächen – die einzige Demokratie im Nahen Osten! Auch das unterschlagen Anti-Israel-Aktivisten immer wieder absichtsvoll!

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    2. Ja, auch ich habe verschiedene Hilfsprojekte in Palästina und Israel besucht und kann mich der Einschätzung von Sabine Matthes nur anschliessen. Und zum Glück gibt es auch einige Versöhnungs-Projekte an welchen palästinensiche Christen und Israelis gemeinsam nach Lösungen suchen.
      Schade, dass man bei israelkritischen Aeusserungen von vielen Personen immer gleich dem Verdacht des Antisemitismus ausgesetzt wird. Ein hörenswerter Song vom Singersongwriter und anglikanischen Theologe Garth Hewitt zum Thema auf Youtube heisst: My Name is Palestine.

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      1. Nein, es ist nicht „gleich“ von Antisemitismus die Rede, sondern ganz spezifisch: und zwar im Hinblick auf die „Millionen Flüchtlinge“, die eine Bestreitung des Existenzrechts Israels darstellen, weil der Flüchtlingsstatus politisch-strategisch modifiziert ist, im Hinblick auf die historisch-systematisch unzutreffende Bezeichnung „Apartheid“ und im Hinblick auf die Israelfeindlichkeit der UNO!
        Versöhnungsprojekte sind richtig und wichtig!
        Ihre Meinung und die von Frau Mattes ist es aber nicht!
        Sie stellen sich zu billig auf die Seite der Guten, um eine falsches Urteil vermeintlich zu salvieren!

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  3. Wie absurd der Vorwurf der „Apartheid“ ist wird auch dadurch deutlich, dass an der aktuellen Regierung Israels als Koalitionspartner auch Reshima Aravit Meuhedet, kurz: Ra’am, also die Vereinigte Arabische Liste, beteiligt ist.

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  4. Genau so ist es. In den übrigen 193 Ländern weiß man, dass Amnesty leider recht hat.

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  5. Apartheid war die Trennung in Südafrika zwischen Menschen mit europäischen Vorfahren und Menschen mit Vorfahren aus Afrika. Dies von der Regierung so beschlossen und mit Umsiedlungen in Townships durchgesetzt. Ebenso eine generelle Trennung wie wir es von der Rassentrennung in den USA kennen.
    Dies ist in Israel definitiv nicht der Fall. Es wurde niemand umgesiedelt, es wurden keine Ortschaften nur für arabische Israelis geschaffen. Schaut man auf israelnetz oder fokus Jerusalem sieht man wie gut arabische und jüdische Israelis zusammenleben können. Gemeinsame Firmen gründen, wie der Bischof von Nazareth dazu aufruft in der israelischen Armee zu dienen. Alle haben den gleichen Zugang zur Gesundheitsversorgung. Israel hat viele syrische Verletzte des Bürgerkrieges behandelt.
    Wie Jo oben zeigt gilt die Stimme eines arabischen Israelis genauso wie die eines aschkenasischen oder eines sefardischen Israelis. Ja selbst in der Regierung sind sie vertreten.
    Apartheit ist also etwas ganz anderes.

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  6. Dieses Gehetze gegen Israel wird nie aufhören, egal was es tut oder nicht tut. Dagegen bekommen Terroristen weiterhin Milliarden von Hilfsgeldern für den Bau von Raketen zugeschoben, die übrigens immer besser werden, falls das noch keinem aufgefallen sein soll.

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  7. Wer redet eigentlich von den bis zu 900.000 Juden, die nach 1948 aus arabischen Ländern vertrieben worden sind? Wer redet davon, dass Deutschland das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten im Jahr 2020 mit der im internationalen Vergleich stattlichen Summe von über 90 Millionen Euro unterstützt hat? Wer redet von den antisemitischen Schulbüchern, die mit Mitteln des genannten Hilfswerks für palästinensische Schüler gedruckt werden und die dazu beitragen, den Hass gegen Israel und die Juden auf die nächste Generation zu übertragen? Wer redet von der offenen Verehrung Adolf Hitlers im Gaza-Streifen?

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