Aktionswoche gegen „vergessene Krisen“

Humanitäre Krisen rücken nur vereinzelt in das Blickfeld der Medien. Das zeigt eine Studie. Hilfsorganisationen wollen das im Mai mit einer Aktionswoche ändern.
Von Norbert Schäfer
Zeitungen als Informationsquelle nutzt vor allem die ältere Generation

Weltweit leiden Menschen unter Hunger, Vertreibung oder unzureichender medizinischer Versorgung. Die weltweiten humanitären Krisen rücken medial nur punktuell in den Fokus. Das zeigt eine Studie der Universität Heidelberg. Demnach besteht im Allgemeinen weder ein längerfristiges Interesse, noch findet eine tiefergehende redaktionelle Aufbereitung der Krisenthemen statt.

Laut der Studie wurde das Jahr 2022 in der Öffentlichkeit „als außergewöhnlich ereignisreich wahrgenommen und ihm wurde Zäsurcharakter zugeschrieben“. Häufig sei in den Medien der Begriff der „Zeitenwende“ benutzt worden, um über „das dominierende Thema des Jahres, den Ukraine-Krieg und seine Auswirkungen“, zu berichten.

Globaler Süden medial oft außen vor

Wenig bis keine Beachtung hätten dagegen Krisen und Katastrophen im Globalen Süden gefunden. „Während ca. 85 Prozent der Weltbevölkerung in den Ländern des Globalen Südens leben, entfielen auf sie in den hier untersuchten Jahresrückblicken im Durchschnitt lediglich etwa 11 Prozent des Gesamtumfangs der Beiträge“, lautet es in der Studie, die von einer „Langzeitmarginalisierung des Globalen Südens“ spricht. Für die Studie haben die Wissenschaftler 13 Jahresrückblicke verschiedener Mediengattungen untersucht, davon zehn in Deutschland, zwei in Österreich und eine in den USA.

Weil die Medien diesen humanitären Miseren kaum Aufmerksamkeit schenken, werden sie als „vergessene Krisen“ bezeichnet. Eine Initiative von rund 30 deutschen Hilfsorganisationen will nun mit einer Aktionswoche gemeinsam auf diese vergessenen Krisen aufmerksam machen. Die Aktionswoche findet ab dem 6. Mai bundesweit statt. Ziel der Aktion ist nach eigenem Bekunden, das Bewusstsein für das Leid der Menschen zu schärfen und die Öffentlichkeit über das humanitäre Engagement deutscher Hilfsorganisationen in den drei Kampagnenländern Bangladesch, Libanon und Südsudan zu informieren.

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Die gemeinsame Kampagne der Hilfsorganisationen mit dem Auswärtigen Amt unter dem Titel #InDenFokus will dann, stellvertretend für alle derzeitigen Krisen in der Welt, die Länder Bangladesch, Libanon und Südsudan in den Blick nehmen. „Menschen leiden, auch wenn wir sie nicht leiden sehen. Deswegen ist diese Kampagne so wichtig: Um Leid sichtbar zu machen, aber auch um einen Beitrag dazu zu leisten, es zu lindern“, sagt Luise Amtsberg (Bündnis 90/ Die Grünen), Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe und Schirmherrin von #IndenFokus.

Weniger Berichterstattung bedeutet weniger Spenden

Amtsberg beklagte am Dienstag bei einer Fachkonferenz zu dem Thema im Auswärtigen Amt in Berlin die mangelnde mediale Aufmerksamkeit für Krisenregionen in Afrika oder Asien. Wenn nicht über Krisen
berichtet werde, schwinde auch die Spendenbereitschaft für Hilfsprojekte. Auch die Aufmerksamkeit der Politik müsse immer wieder neu erkämpft werden. Die Medien sollten die „tägliche Tragödie“ der Menschen in Krisenregionen in den Blick nehmen.

Soziale und politische Spannungen, die Auswirkungen des Krieges in Syrien und die Versorgung der syrischen Geflüchteten, der Werteverfall der Währung um 95 Prozent und eine daraus resultierende große Armut in der Bevölkerung hätten beispielsweise den Libanon an den Rand eins Kollaps geführt, lautet es in einer gemeinsamen Pressemitteilung. Rund 75 Prozent der Menschen haben demnach in dem Land nicht mehr genug zu essen für sich und ihre Familien. Zudem beeinträchtigten stundenlange Stromausfälle in dem Land die medizinische Versorgung und den Zugang zu Wasser. Staatliche Schulen sind den Angaben zufolge seit Jahresbeginn geschlossen.

„Der Libanon steht stellvertretend für so viele vergessene Krisen in so vielen Ländern. Menschen leiden, ohne dass wir es hier mitbekommen. Ich möchte helfen, dass diese Menschen nicht in Vergessenheit geraten und die Welt hinsieht“, sagt der Schauspieler Benno Fürmann, einer der prominenten Unterstützer der Aktionswoche. Getragen wird die gemeinsame Aktion der Hilfsorganisationen unter anderem von den christlich geprägten Hilfsorganisationen humedica, IJM und World Vision.

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