Mathias Bonhoeffer: „Querdenker“ vereinnahmen Dietrich Bonhoeffers Liedgut

Der Großneffe von Dietrich Bonhoeffer kritisiert, dass auf „Querdenker“-Demos „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ gesungen wird. Das tue ihm „körperlich weh“, sagte Mathias Bonhoeffer. Sein Großonkel wurde im KZ Flossenbürg hingerichtet.
Der Theologe Dietrich Bonhoeffer lebte von 1906 bis 1945

Kritik an der „Querdenker“-Szene gibt es vom Großneffen Dietrich Bonhoeffers, Mathias Bonhoeffer. Er möchte nicht, dass die Lieder seines durch die Nationalsozialisten ermordeten Großonkels bei den Demonstrationen gesungen werden. Im Interview des Nachrichtenportals Spiegel Online sagte er: „Da kommt mir Max Liebermann in den Sinn: ‚Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte‘.“ Bonhoeffers Worte seien ein Baustein, der vereinnahmt werde.

Es sei in Ordnung, wenn Menschen gegen die Impfungen auf die Straße gingen, sagte der Großneffe des evangelischen Theologen, der im Widerstand gegen die Nationalsozialisten war. Aber er empfinde es als schlimm, „wenn Menschen auf die Straße gehen und sagen, das hier sei kein Rechtsstaat mehr. Diese Menschen glauben, sie müssten Widerstand leisten.“ Widerstand sei aber etwas anderes, als seine Meinung zu sagen, sagte der Kölner Pfarrer.

Der Pfarrer und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer gehört zu den prominentesten deutschen Theologen des 20. Jahrhunderts. Er beteiligte sich aus theologischen Gründen am Widerstand gegen die Nationalsozialisten und wurde am 9. April 1945 im KZ Flossenbürg hingerichtet. Bonhoeffer schrieb den Text des Liedes „Von guten Mächten“ in einer Gefängniszelle zum Silvesterfest 1944.

epd
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10 Antworten

  1. Wer sagt denn, dass Dietrich Bonhoeffer die Meinung seines Großneffen teilen würde? Vielleicht würde er ja sogar mit demonstrieren.

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    1. Hätten Sie sich mit Dietrich Bonhoeffers Lebenslauf beschäftigt, seine Bücher, Gedichten und Predigten gelesen, so könnten Sie verstehen, dass diese Ihre Annahme zu einer Wahrscheinlichkeit von annähernd Null tendiert!

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    2. Volle Zustimmung! Und was soll die Aufregung? Wenn dann viele bei dem so tollen Lied, die das dann erst bei der Demo kennenlernen zum Nachdenken über den tiefen Inhalt es Liedes kommen ist doch viel gewonnen!!!!

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      1. Bonhoeffer hat sich als einer der wenigen in der Kirche sehr eindeutig gegen den Antisemitismus der Nazis geäußert. Eine Demo, bei der Ungeimpft-Sterne zu sehen sind oder anderes in dieser Richtung, hätte Bonhoeffer sicher nicht unterstützt. Ich kann mich nur der Empfehlung von Lothar Freerksema anschließen: es lohnt sich sehr, sich wirklich mit Bonhoeffers Leben und seinen Gedanken zu beschäftigen. Auf der Schallplatte, die Siegfried Fietz mit diesem Lied veröffentlichte und die ich damals zur Konfirmation bekam, gibt es auch eine Vertonung zu einem Gedicht: „Nächtliche Stimmen“, er beschreibt seine Gedanken während der Haft – unfassbar, wie er das in Worte und Fietz in Töne fasst! Und nebenbei: bei dem „so tollen Lied“ werde ich immer sehr still und demütig – das ist einer der Gründe, weshalb mir das fast körperlich weh tut, wenn das Lied meiner Ansicht nach missbraucht wird. Kein einziger der heutigen Sänger und Sängerinnen hat das durchgemacht, was Bonhoeffer widerfuhr.

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  2. Es ist wirklich beschämend und verstörend dass die Querdenker Scene so unsensibel und schamlos sich dieses Liedguts bedient. Zeigt eigentlich nur dass sie nicht wissen wovon sie eigentlich reden wenn sie das Wort „Widerstand“ benutzen. Zumindest keine Ahnung haben über die schlimmen Geschehnisse in der Zeit des Nationalsozialismus. Oder dies bewußt negieren.
    Weimar lässt grüßen…

    Viele Grüsse
    Klara Hildebrandt

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      1. Lieber Maik!
        Sie dürfen sagen, was Sie wollen, und Sie dürfen singen, was Sie wollen. Aber Sie müssen es in einem Rechtsstaat hinnehmen, dass ein Nachfahre von Dietrich Bonhoeffer sagen darf, dass wenn er dieses Lied auf sogenannten Querdenkerdemos hört, er gar nicht so viel fressen kann, wie er kotzen könnte. Mir geht es übrigens genauso.

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    1. Frau Hildebrandt ich stimme ihnen zu. Die Einschränkungen zum Schutz der Bevölkerung sind nicht vergleichbar mit dem Dritten Reich. Dazu findet man bei den Demonstranten noch oft „Rechtspopulisten“ und politisch weit rechts stehende Menschen. Wenn Dietrich Bonhoeffer sagt, es genüge nicht sich um die Verletzten zu kümmern. Dann würde er sicher nicht gegen Maßnahmen zum Bevölkerungsschutz demonstrieren, so schätze ich ihn ein. Die Querdenker denken sie wären in eine Diktatur, dürfen aber anders als zu Zeiten Bonhoeffers ihre Meinung von sich geben. Auch haben wir keine DDR 2.0. Wie in Diktaturen mit Demonstranten umgegangen wird, dafür gibt es noch Zeitzeugen.
      Als ich am 17. Juni zu einem Bekannten sagte, früher hatten wir heute einen Feiertag bekam ich zur Antwort ich war dabei. Die Nachfrage gab er demonstrierte am 17. Juni 1953 in Berlin.
      Dietrich Bonhoeffer wurde in Flossenbürg ermordet, am gleichen Tag auch der Attentäter Elser (Bürgerbräukeller), da der Krieg in großen Teilen Deutschlands schon zu Ende.
      Ich weiß nicht ist es bei den Querdenkern Unwissen, gar nicht wissen wollen wie das Dritte Reich war, oder einfach nur „Kaltschnäuzigkeit“. Eines ist auch sicher, die Planungen des Dritten Reiches sahen auch eine Endlösung der Christenfrage vor. Nach den Juden wären die Christen an der Reihe gewesen. Die Frage nach mehr Christentum in den Medien der sich Pro verpflichtet würde sich gar nicht stellen. Sie wäre schlicht verboten.

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    2. »Von guten Mächten treu und still umgeben
      behütet und getröstet wunderbar, –
      so will ich diese Tage mit euch leben
      und mit euch gehen in ein neues Jahr;

      noch will das alte unsre Herzen quälen
      noch drückt uns böser Tage schwere Last,
      Ach Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen
      das Heil, für das Du uns geschaffen hast.

      Und reichst Du uns
      den schweren Kelch, den bittern,
      des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,
      so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
      aus Deiner guten und geliebten Hand.

      Doch willst Du uns noch einmal Freude schenken
      an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz,
      dann woll’n wir des Vergangenen gedenken,
      und dann gehört Dir unser Leben ganz.

      Laß warm und hell die Kerzen heute flammen
      die Du in unsre Dunkelheit gebracht,
      führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen!
      Wir wissen es, Dein Licht scheint in der Nacht.

      Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet,
      so laß uns hören jenen vollen Klang
      der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet,
      all Deiner Kinder hohen Lobgesang.

      Von guten Mächten wunderbar geborgen
      erwarten wir getrost, was kommen mag.
      Gott ist bei uns am Abend und am Morgen,
      und ganz gewiß an jedem neuen Tag.«

      Zumindest sollte man sich wünschen, dass dieses Lied nie in Vergessenheit gerät, dass es noch viel mehr gesungen wird.
      Denn wer dieses Lied singt, der wird irgendwann auch auf seine Entstehungsgeschichte stoßen und sich mit Bonhoeffer selbst und seinen weiteren Texten auseinandersetzen.

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  3. Genauso schlimm finde ich, dass Bonhoeffer von rechts-konservativen US-Evangelikalen (z.B. Eric Metaxas) vereinnahmt wird … Mit Bonhoeffer „im Gepäck“ einen rassistischen Präsidentschaften zu unterstützen, Black Life Matters abzulehnen, obwohl Bonhoeffer selbst in seinen USA-Reisen die „Black-Churches“ als vorbildlich erlebt hat, dazu gehört schon ein gehöriges Stück an Realitätsverweigerung …

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