Rezension

Was eine Doku über Erneuerungsbewegungen zeigt – und was nicht

Die ARD-Dokumentation „Die hippen Missionare“ beleuchtet charismatische katholische Gemeinschaften kritisch. Der Beitrag wirft wichtige Fragen auf, bleibt aber theologisch oberflächlich.
Von Norbert Schäfer
"Die hippen Missionare", am Dienstag (16.12.25) um 23:05 Uhr im ERSTEN


Die ARD-Dokumentation „Die hippen Missionare – mit Jesus gegen die Freiheit?“ nimmt neue katholisch, charismatische Erneuerungsbewegungen in Deutschland in den Blick. Die zeigen sich modern, jung und zeitgemäß und sprechen vor allem junge Menschen an. Am Beispiel des Gebetshauses Augsburg und dessen Gründer Johannes Hartl, der katholischen Loretto Gemeinschaft und der „Fellowship of Catholic University Students“ (FOCUS) will die Sendung zeigen, dass sich hinter einem hippen Auftreten theologisch konservative Positionen verbergen. Die kollidieren aus Sicht der Autoren Andreas Herz und Ralph Gladitz offenbar mit der Moderne, wie der Subtitel „Mit Jesus gegen die Freiheit?“ nahelegt.

Die Dokumentation dreht sich um „drei charismatische Bewegungen, die vehement einen Wahrheitsanspruch für sich reklamieren“, und um deren „eigene und spezielle Auslegung der Bibel“. Dass diese – und andere – Gemeinschaften missionieren, emotionale Bindung erzeugen und normative Vorstellungen von Sexualität, Rollenverständnis, Geschlecht und Ehe vermitteln, ist kein Geheimnis und an sich auch kein Skandal – wird allerdings so dargestellt.

Wie das alles einzuordnen sei, erklärt die Theologin Maria Hinsenkamp, die zu diesen Bewegungen forscht und bereits bei einer ZDF-Doku über vermeintlich gefährliche „Reich Gottes“-Influencer ihre Einschätzung abgab: „Da, wo eine bestimmte Ausdrucksform des Christentums absolut gesetzt wird und wo ein Exklusivitätsanspruch besteht, dass nur die eine Form, die eine Ausdrucksform die wirklich richtige ist, da ist es immer schon gefährlich.“ Ob das bei den gezeigten Bewegungen tatsächlich der Fall ist, unterstellt der Beitrag indirekt, handfeste Belege liefert er nicht.

Wichtige Fragen, fair, aber mit Schwächen

Durch eine Mischung aus Beobachtungen bei Großveranstaltungen, Interviews mit Verantwortlichen, Aussagen von ehemaligen Mitgliedern und Kritikern sowie Einordnungen macht die Dokumentation auf reale Spannungsfelder aufmerksam. Etwa auf Fragen charismatisch auftretender, geistlicher Autoritäten, der Sehnsucht junger Menschen nach Sicherheit, Heimat und Lebenshilfe, der Spannung zwischen Sexualität und Religiosität, dem inneren Druck zur Anpassung in religiösen Gemeinschaften oder dem Umgang mit Menschen, die diesen den Rücken aus dem einen oder anderen Grund gekehrt haben. Auch als positiv und fair zu bewerten ist, dass die Dokumentation die Kritik von Gebetshausgründer Johannes Hartl – der bewusstes „Framing“ und eine „Agenda“ hinter dem Beitrag vermutet – aufgreift und schildert.

Die Umsetzung ist insgesamt nicht frei von Schwächen. Die Dramaturgie folgt deutlich einer kritischen Grundhaltung, arbeitet stilistisch stark mit Kontrasten und erweckt stellenweise den Eindruck einer Vorverurteilung. Leider, und das ist das größte Manko, thematisiert die Doku die theologischen und biblischen Hintergründe sowie Zusammenhänge der Glaubensüberzeugungen – etwa der Sicht auf die Ehe – und Weltsichten der dargestellten Gemeinschaften nicht. So beschränkt sich die Dokumentation im Kern auf die Kritik, die Gemeinschaften betrieben einen selektiven Umgang mit biblischen Texten und moralische Engführung. Die Sendung wirft wichtige Fragen auf, springt aber dann aus theologischer Sicht zu kurz, um zu echtem Erkenntnisgewinn beizutragen.

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