„Wir müssen über Jesus reden“

Er ist ein bekannter Boulevardjournalist, sie arbeitet in der PR-Abteilung einer evangelikal geprägten Organisation. Und sie sind verheiratet. Beide wünschen Sie sich mehr Glauben in der Öffentlichkeit. Ein Besuch bei Magdalena und Gunnar Schupelius.
Von Anna Lutz
Gunnar und Magdalena Schupelius

Der alte restaurierte Berliner Dielenboden knarrt. Eine Art gemütliches Knarzen, wenn man darüber läuft, eines, das sagt: Nimm dir ein Buch, koch dir einen Tee, lies mal wieder etwas. Nicht nur die Bücherregale im Hause Schupelius quellen geradezu über, auch das Beistelltischchen zwischen Sesseln und Zweisitzer ist belegt. Der Soziologe Max Weber teilt sich hier Raum mit Bestseller- und Thrillerautor Robert Harris. „Stellen Sie Ihr Glas einfach oben drauf“, sagt Gunnar Schupelius und deutet auf die Bücherstapel, als er gegenüber der PRO-Autorin Platz nimmt.

Wer die Berliner Zeitung, kurz B.Z., liest, der kennt Schupelius. Seit zwanzig Jahren schreibt er die tägliche Kolumne „Mein Ärger“, ein Format, das die Stimme des einfachen Bürgers sein will. Schupelius regt sich darin über marode Straßen in der Hauptstadt, eine mutmaßlich mangelnde Meinungsfreiheit im öffentlichen Raum oder zu schnelle Einbürgerungsverfahren auf. Doch nicht nur das: Immer wieder blitzt auch eine Affinität zu Glaubensthemen und ethischen Fragen auf, die besonders Christen interessieren. „Das Christentum verschwindet aus Berlin. Was kommt danach?“, fragte er etwa am 30. Oktober, um zu antworten: „Wenn also der Islam das Christentum auch bei uns ablösen würde, wäre es kaum denkbar, dass die Grundrechte bleiben, wie sie das Grundgesetz garantiert. Die erkämpfte Freiheit hätte ein Ende, wir wären ein anderes Land.“ Christenverfolgung, der Hass auf Juden in Berlin, eine Politisierung der Kirche – all das sind Themen, die Schupelius meinungsstark konservativ bespielt.

Gunnar Schupelius in seinem Wohnzimmer in Berlin

Aufgewachsen ist er in einer Familie mit anthroposophischem Hintergrund. Seine Eltern waren Mitglieder der sogenannten Christengemeinschaft, einer spirituellen Strömung, die zwar Christus in den Mittelpunkt stellt, sich in zentralen Lehren und Formen aber von der christlichen Lehre unterscheidet. „Ich würde heute sagen, wir lebten in einer Sekte mit sehr geschlossenem Weltbild“, sagt Schupelius. „Ich hatte stets das Gefühl, dass mir die Freiheit im Denken fehlt.“ Deshalb grenzt er sich als Jugendlicher ab, verlässt die Gemeinschaft und damit auch den Glauben. Geblieben ist aber zeit seines Lebens eine Faszination für Kirchen, eine Liebe für Gottesdienste. Mit 29 Jahren lernt er bei einem Presseball in Berlin seine heutige Frau Magdalena kennen. Durch sie kommt er in engeren Kontakt mit der evangelischen Kirche. Und tritt schließlich ein.

„Im Herzen evangelikal“

Magdalena Schupelius hat derweil auf der anderen Seite des Teetischs voller Bücher Platz genommen. Auch sie setzt sich mit ihrem Beruf dafür ein, dass der christliche Glaube in der Öffentlichkeit sichtbar wird, nur eher hinter den Kulissen. Sie macht Pressearbeit für die deutsche Abteilung der christlichen Hilfsorganisation „Samaritan’s Purse“, die etwa die Aktion „Weihnachten im Schuhkarton“ ins Leben gerufen hat.

Ihr Vater war Hauptpastor in Kiel, ihr Elternhaus beschreibt sie als evangelisch und „sehr liberal“. Obwohl sie die starke Gemeinschaft evangelikaler Kirchen schätzt, wie sie sagt, will sie nie auf landeskirchliche Traditionen verzichten, die Musik, die Liturgie. „Ich wünsche mir, dass die Volkskirche eine Zukunft hat. Weil ich glaube, dass die Kirche mitten in der Gesellschaft stattfinden sollte und nicht am Rand.“ Auch sie ist gelernte Journalistin, plante, in den Börsenjournalismus zu gehen, entschied sich wegen ihrer fünf Kinder aber schließlich dagegen und arbeitete freiberuflich in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Weil sie „Weihnachten im Schuhkarton“ von jeher kennt, und „im Herzen evangelikal“ ist, wie sie sagt, nahm sie dort einen Job an und blieb in der PR.

Kirche und Journalisten, da ist sie sich sicher, hätten sich daran gewöhnt, möglichst wenig miteinander zu tun zu haben. Auch deshalb sei eine öffentliche Sprache für den Glauben verloren gegangen. „Wenn ich in der Öffentlichkeit das Wort Jesus verwende, bin ich für viele gleich Pietistin. Es hat fast schon etwas Skurriles, wenn man über den Glauben spricht, es sei denn, es geht um christliche Werte.“ Das aber, so ist sie überzeugt, reicht nicht aus. Über die Person Jesus Christus müsse man reden. „Um ihn geht es“, sagt sie. Das habe ihr nicht zuletzt die Arbeit bei „Samaritan’s Purse“ gezeigt. Außerdem: „Jesus ist so provozierend, dass man über ihn diskutieren muss. Und weil wir die Diskussion vermeiden wollen, sprechen wir lieber gar nicht darüber.“

Auch mal anecken

Gunnar Schupelius sieht eine „große Ferne“ von Journalisten zum Glauben. Unter 40 Kollegen gebe es in seiner Redaktion nur eine Hand voll, die Kontakt zu den Kirchen unterhielten. „Es ist in meinem Beruf fast schon tabu, über den Glauben zu sprechen.“ Aber auch die Kirche selbst habe Mitschuld daran, dass „das Christentum, der Glaube, Schritt für Schritt aus der Aufmerksamkeit der Medien verschwunden“ seien. Sie äußere sich nicht „zu den eigentlich für sie wichtigen Themen, mit Ausnahme von Klimaschutz und Flüchtlingspolitik“, spitzt er zu. Als Beispiel dienen ihm die Debatten um Abtreibung oder Sterbehilfe – da habe die evangelische Kirche ein ganz schwaches Bild abgegeben. Aufseiten der Kirche herrsche oft ein „gespenstisches Schweigen“, pflichtet ihm seine Frau bei.

Magdalena Schupelius würde sich manchmal wünschen, „dass der ein oder andere Bischof auch mal etwas sagt, was der Öffentlichkeit ein Dorn im Auge ist“. So wie es Franklin Graham tut, der internationale Leiter von „Samaritan’s Purse“, ihres Arbeitgebers. Der Prediger und Evangelist ist der Sohn des bekannten verstorbenen Evangelisten Billy Graham – und gilt seit der ersten Präsidentschafts-Kandidatur Donald Trumps als dessen Unterstützer, was ihm weltweit Kritik eingebracht hat. Noch im Mai erklärte er auf einer Evangelisten-Konferenz in Berlin, als Präsident habe Trump ihn sehr freundlich behandelt, freundlicher als seine Vorgänger. Magdalena Schupelius war Teil des Presseteams, das den Kongress vorbereitet hat.

„Ich glaube, dass es keinen unpolitischen Glauben geben kann“, sagt sie und fügt mit Blick auf ihren Arbeitgeber zu: „Bei ‚Samaritan’s Purse‘ gibt es aber viele verschiedene politische Ansichten.“ Ihre macht sie deutlich: Jesus habe Glaube nie als Privatsache definiert, sondern seine Anhänger dazu aufgefordert: „Geh in die Öffentlichkeit und gestalte sie damit.“ Besonders evangelikale Christen täten eben dies. Magdalena und Gunnar Schupelius, so wird schnell klar, tun das ebenfalls. Nicht so, dass es jedem gefällt. Aber so, dass sie gehört werden, auf die ein oder andere Weise. Sie sagen Sätze wie „Unsere Gesellschaft lebt so, als gäbe es Gott nicht.“ Oder: „Die Kirche ist ein Hintergrundrauschen geworden, Folklore.“ Wollen sich damit aber nicht zufriedengeben. Nicht im Journalismus. Nicht in der Pressearbeit. Und nicht in der Öffentlichkeit. Und bei aller Kritik an der Kirche: „Ich würde nie aus der Kirche austreten“, sagt Gunnar Schupelius. Dazu hat er sogar schonmal eine Kolumne geschrieben. Ihm gegenüber nickt Magdalena Schupelius zustimmend.

Dieser Text ist zuerst in der Ausgabe 6/2025 des Christlichen Medienmagazins PRO erschienen. Sie können die Ausgabe hier bestellen.

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