Beim Kinderhilfswerk „Die Arche“ teilen sich singende Dinosaurier mit dem Künstlernamen „Heavysaurus“ die Bühne mit Schauspielerin Uschi Glas und Moderator Jörg Pilawa. Dazu kommen noch der Berliner Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD). Und nicht zuletzt Trash-TV-Star und Entertainer Julian F. M. Stöckel, der sich selbst, blauen Haarschmuck und Smileyschal tragend, als „Zsa Zsa Gebor von Berlin“ bezeichnet.
Der bunte Haufen mehr oder weniger bekannter Stars und Sternchen könnte besser nicht zu einem „Arche“-Geburtstag passen. Seit 30 Jahren leistet die Organisation Hilfe für Kinder, die zu Hause nicht genug Aufmerksamkeit bekommen oder deren Eltern sozial benachteiligt sind. So vielfältig wie die Gäste der „Arche“ an einem gewöhnlichen Tag, sind auch die Ehrengäste zum Fest am Dienstagnachmittag im Berliner Stadtteil Marzahn-Hellersdorf.
Foto: Arche„Archen“ betreuen 6.000 Kinder täglich
Gefeiert wird nicht, wie anderswo, in festlichem Ambiente und bei stilvoller Musik. Sondern in der Halle der Einrichtung, fernab von Berlin-Mitte, zwischen Plattenbauten. Genau da, wo Tag für Tag hunderte Kinder und Jugendliche Hausaufgabenhilfe und Mittagessen bekommen oder in bestimmten künstlerischen Bereichen gefördert werden. 1995 eröffnet, hat die Arche mittlerweile 30 Standorte in Deutschland und erreicht nach eigenen Angaben mehr als 6.000 Kinder und Jugendliche täglich. Auch in Tansania und Polen gibt es Einrichtungen.
Die 17-jährige Bethany darf bei der Feier gemeinsam mit Pressesprecher Wolfgang Büscher moderieren. Das Mädchen wurde selbst in der Arche betreut, an diesem Tag interviewt sie Uschi Glas und Franziska Giffey. Außerdem gibt sie zwei Rapsongs zum Besten. Eine Kindergruppe in Tierkostümen tanzt zum Song „Banana“, kaum im Takt, aber dafür mit Selbstbewusstsein. Und ein Kinderchor singt: „Kinder an die Macht!“ Catering gibt es vom bekannten Berliner Hofbräu, die Torte zum Fest steuert der für sein christliches Engagement bekannte Bäcker Karl-Dietmar Plentz bei, der vor wenigen Tagen noch mit einem Pferdetreck eine Friedensglocke nach Jerusalem brachte.
„Wir haben als Gesellschaft versagt“
Kurz gesagt: Es ist viel los, an diesem Nachmittag am Rande der Hauptstadt. Was fröhlich und ein wenig chaotisch daherkommt, hat aber einen ernsten Hintergrund, den „Arche“-Gründer Bernd Siggelkow in seiner Festrede deutlich macht: „Ich wollte eigentlich den Kampf gegen Kinderarmut gewinnen“, sagt er, an diesem Abend besonders emotional. „Aber wir haben als Gesellschaft versagt.“
Foto: ArcheDas sagt der Pastor, einst war er bei der Heilsarmee, nicht nur in Richtung der anwesenden Politiker – er selbst wird vielleicht bald ihr Kollege, tritt er doch für die CDU bei der nächsten Berliner Abgeordnetenhauswahl an. Wie viele andere Redner an diesem Abend spricht er jeden Einzelnen im Publikum an. Der Tenor ist klar: Wenn der Staat es nicht schafft, dann muss jeder tätig werden. Ein Aufruf zu mehr Ehrenamt, mehr Engagement, besonders für Bedürftige.
„Ich werde nicht aufhören, zu kämpfen, bis kein Kind mehr in die Arche kommen muss“, sagt Siggelkow. Man glaubt es ihm spätestens dann, wenn er davon erzählt, wie er einst an Heiligabend Kisten mit Lebensmitteln und Geschenken zu einer Familie brachte, die alleinerziehende Mutter aber vor Ort nicht antraf, weil sie sich so sehr geschämt habe, die Hilfe anzunehmen.
Und so wünscht man sie sich nicht weg, diese „Arche“, auch wenn der Grund, warum es sie gibt, ein „Armutszeugnis“ ist, wie Siggelkow selbst immer sagt. Sie ist auch deshalb so wichtig, weil sie, wie Pressesprecher Büscher ganz zu Beginn der Veranstaltung erklärt, „eine christliche Einrichtung“ ist. Das bedeute nicht, dass jeder bekehrt werde, der sie betrete. „Aber wir legen Wert darauf, dass wir Werte vorleben.“
Passend, dass auch der Berliner Bischof Christian Stäblein vor Ort ist und „Pastor Siggelkow“ dafür dankt, dass er „gegen Seelenarmut und gegen Leibesarmut“ vorgehe. Er als Vertreter der verfassten Kirche sei fast ein bisschen neidisch darauf, dass das der freikirchlich geprägten „Arche“ und ihrem „Noah“, wie er Siggelkow anspricht, derart gut gelinge.
Foto: ArcheSchrecklich-schön
Dass Reden von Politikern und Amtsträgern Siggelkow weit weniger berühren als die Schicksale der Kinder selbst, zeigt sich dann, als er ein besonderes Geschenk überreicht bekommt. Das Gelände in Marzahn-Hellersdorf soll künftig „Bernd Siggelkow Campus“ heißen. Überreicht wird die Plakette von vielen ehemaligen „Arche“-Kindern. „Ich bin so stolz darauf, was aus euch geworden ist“, sagt Siggelkow und verdrückt in der Tat einige Tränen. Im Publikum sagt eine Frau mit Taschentuch in der Hand: „Das ist ja alles emotional … schrecklich … und so schön!“
Vielleicht sind es diese Worte, die einen „Arche“-Geburtstag passend umschreiben. Schrecklich, dass es die Einrichtung geben muss. Aber so schön, dass es sie gibt.