Wenn die Hamas fürs deutsche Fernsehen arbeitet

Ein Hamas-Mitglied hat mit einem palästinensischen Medienunternehmen dem ZDF zugearbeitet. Überraschend ist das nicht, da unabhängige Journalisten nicht in den Gazastreifen dürfen. Umso sorgfältiger müssen Journalisten ihre Quellen prüfen.
Von Jonathan Steinert
Palästinensische Flagge

Wie kann es sein, dass ein Hamas-Mitglied für das deutsche Fernsehen arbeitete? Vor zehn Tagen wurde ein Mitarbeiter der Produktionsfirma „Palestine Media Production“ von der israelischen Armee im Gazastreifen getötet. Diese Firma war seit 1996 als Dienstleister für das ZDF-Studio in Tel Aviv tätig, um Filmmaterial aus dem Gazastreifen zu liefern. Das ZDF kritisierte den Vorfall in einer Stellungnahme. Es sei „nicht hinnehmbar, dass Medienschaffende bei der Ausübung ihrer Arbeit angegriffen werden“, ließ ZDF-Chefredakteurin Bettina Schausten wissen. Von „Kollegen“ war an anderer Stelle die Rede. 

Auf Nachfrage des Senders legte die israelische Armee nun Dokumente vor, die belegen sollen, dass der getötete TV-Ingenieur Mitglied der Hamas war und ihrem militärischen Arm, den Qassam-Brigaden, angehörte. Wie die „Bild“-Zeitung vom israelischen Militär erfuhr, habe dieses den Mann „gezielt ins Visier genommen“.

Daraufhin beendete der Sender die Zusammenarbeit mit PMP bis auf Weiteres. Man nehme die Vorwürfe „sehr ernst“. Von Bedauern jedoch keine Spur. Warum nicht? Wohl hat der Sender nicht wissentlich oder gar willentlich einen Terroristen finanziert. Aber nun, wo es offenbar ist, sollte die Reaktion des ZDF doch erkennen lassen, wie gravierend dieser Fall ist.

Immerhin, so könnte man sagen, war der Mitarbeiter als Techniker nicht mit journalistischen Inhalten betraut. Trotzdem stellt es die Glaubwürdigkeit der Berichterstattung infrage, wenn an der Produktion journalistischer Inhalte über einen Krieg indirekt eine Kriegspartei mitgewirkt hat. 

Quellenlage transparent machen

Der Fall zeigt ein grundsätzliches Problem auf: Unabhängige, westliche Journalisten haben keinen Zugang zum Gazastreifen. Erst vor wenigen Tagen vertagte das Oberste Gericht in Israel die Entscheidung über einen entsprechenden Antrags des Auslandspresseverbandes erneut. Medien sind für Bild- und Filmmaterial also auf Partner vor Ort angewiesen. Wie ein Sprecher des ZDF gegenüber PRO erklärte, wird dieses Material im Studio daraufhin überprüft, ob es korrekte Informationen enthält. Doch es bleiben Informationen aus zweiter Hand. 

Dass unter den Zulieferern auch Extremisten sind, ist an sich kaum verwunderlich. Der Auftraggeber kann kaum jeden Mitarbeiter seiner Dienstleister auf seine Gesinnung hin prüfen. Zumal es in einem Gebiet wie dem Gazastreifen, das von Terroristen beherrscht und von Krieg überzogen ist, keine freie, unabhängige Presse gibt. Auf der Rangliste der Pressefreiheit liegen die Palästinensischen Gebiete auf Rang 163 von 180. Mehr als 200 Medienschaffende starben laut „Reporter ohne Grenzen“ dort während des Krieges. 

Aber gerade weil es in diesem Krieg keine ungefilterten Informationen gibt und Bilder eine solche Macht auf die Deutung des Geschehens haben, ist der Fall des ZDF so brisant. Was tun? Das Wichtigste ist Transparenz: Wenn Journalisten keine gesicherten Informationen oder unabhängige Quellen haben, muss das das Publikum erfahren. Alles andere wäre Augenwischerei.

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