Das Wikipedia für Kirchen

Als das „Wikipedia für Kirchen“ kann man die große Internet-Datenbank von Gunther Seibold bezeichnen. Der studierte Theologe und Architekt pflegt seit 24 Jahren eine Webseite mit Informationen zu Kirchen im ganzen Land.
Von Jörn Schumacher
Katholische Kirche Limbach

Genau 26.758 Kirchen umfasst derzeit die Datenbank von Gunther Seibold. Und alle kann man im Internet unter der Adresse kirchbau.de abrufen, mit Fotos und Hintergrundinformationen. Der gläubige Christ und Theologe mit abgeschlossenem Architekturstudium betreibt ehrenamtlich die wohl größte Sammlung von Kirchen im deutschsprachigen Raum. „Aktuell sind es 11.269 evangelische und 12.718 katholische Kirchen, hinzu kommen 2.771 Kirchen aus dem Ausland“, sagt Seibold im PRO-Interview. Er mache die Arbeit auch für die Verbreitung des Evangeliums.

Bei jedem Aufruf der Seite wird ganz oben eine zufällig aus der Datenbank ausgewählte Kirche präsentiert. Besonders schön: das Kapitel „Skurriles und Besonderheiten“. Hier findet sich eine aufblasbare mobile Kirche ebenso wie die kleinste Kirche der Niederlande oder eine Eiskirche in Lappland.

PRO: Herr Seibold, können Sie ein paar Sätze über sich und Ihren beruflichen Werdegang sagen?

Gunther Seibold: Ich bin ein schwäbischer Christ, kürzlich 60 geworden, im Hauptamt seit 2020 Dekan der Württembergischen Landeskirche im Kirchenbezirk Bernhausen. Davor war ich Pfarrer in verschiedenen Gemeinden.

PRO: Sie haben Architektur und Theologie studiert?

Seibold: Ja, in dieser Reihenfolge. Zuerst wollte ich kein Pfarrer werden, sondern ehrenamtlich als Christ engagiert sein. Dann habe ich mich stark im CVJM und in der Kirchengemeinde engagiert, habe mich für die biblischen Sprachen und die Theologie interessiert, sodass ich dann doch nach dem Architekturdiplom weiterstudiert habe und in den vollzeitlichen kirchlichen Dienst gegangen bin.

PRO: Wie kam es zum Aufbau der Webseite kirchbau.de?

Seibold: Das Medium Internet war 2001 noch jung. Ich hatte Spaß daran und entdeckte, dass sich digital Schönes gestalten ließ, das man mit dem Internet teilen kann, ohne sich aufzudrängen. Da Architektur und Theologie ihre Schnittmenge im Kirchenbau haben, bin ich auf dieses Thema gekommen. Ich wollte Kirchen ins Bewusstsein bringen, Menschen zum Besuch von Kirchen anstoßen und Diskussionen über Theologie und Praxis zum Kirchenbau unterstützen. Ich hatte damals schon neben dem Pfarrdienst und der Familie nur wenig Zeit. Dem kam zugute, dass das Thema Kirchengebäude nicht schnelllebig ist und ich daran immer wieder in kleinen Schritten arbeiten konnte.

Gunther Seibold, Wikipedia für Kirchen
Gunther Seibold entwickelte eine umfangreiche Datenbank für Kirchen

PRO: Worum geht es da genau? Für wen ist diese Webseite gedacht?

Seibold: Das Portal kirchbau.de ist für die Öffentlichkeit allgemein gedacht. Es ist offen für Menschen, die nur Informationen wollen, die Kirchen besuchen wollen, oder solche, die Kontakt zu Gemeinden suchen, aber auch für Gemeinden, die sich präsentieren wollen. Ich wollte einen Dienst anbieten, der auf seine Weise Zugang zu Kirchengebäuden und dem Glauben anstößt.

PRO: Es geht ja offenbar nicht nur um Architektur, sondern auch den geistlichen Hintergrund dieser Sakralgebäude?

Seibold: Ja, ich selbst bin mit Freude und Überzeugung Christ und wünsche mir, dass das Evangelium alle Menschen erreicht. Kirchengebäude können dazu helfen. Man hat das empirisch nachgewiesen in Glaubensbiografien von Menschen, die gläubig geworden sind. Heute ist es so, dass die Kirchen in den Städten und Dörfern oft die einzige „Predigt“ sind, die Menschen unserer Zeit wahrnehmen. Daher ist es wichtig, dass die Menschen ihre Symbolik erkennen. In unserer Landeskirche habe ich mich in diesem Zusammenhang auch für die Kirchenraumpädagogik eingesetzt.

PRO: Wie viel Zeit beansprucht die Pflege der Webseite in etwa? Haben Sie Unterstützung?

Seibold: Immer wenn es etwas zu Programmieren gibt, benötige ich Zeit. Das ist zum Glück selten der Fall. Ansonsten muss ich alles nebenher machen und wegen Familie und Beruf auf das Nötigste beschränken. Auch die Bearbeitungsfunktion ist aktuell limitiert, damit ich nicht überfordert bin. Unterstützt wurde ich am Anfang von einem Schüler, der mir geholfen hat beim Programmieren. Seither mache ich alles allein, wobei die meisten Informationen und auch Bilder von Einsendern stammen. Immer mal wieder fragen mich Leute, ob sie mir eigenes Material direkt zur Verfügung stellen können, was ich leider derzeit ablehnen muss, weil ich es nicht verarbeiten könnte.

PRO: Wie viele der Kirchen haben Sie schätzungsweise selbst bereits besucht?

Seibold: Das kann ich nicht genau sagen. Von mir sind aktuell 12.793 Bilder im System – bei vielleicht vier Bildern je Kirche im Durchschnitt macht das gute 3.000 Kirchen.

PRO: Planen Sie für die Zukunft noch etwas Neues, oder Erweiterungen für die Webseite?

Seibold: Zurzeit überlege ich, wie ich den Datenbestand sichern kann, dass er mich auch einmal überleben kann. Dazu bin ich im Gespräch mit einer Stiftung. Das könnte etwas werden.

PRO: Haben Sie persönlich Lieblingskirchen?

Seibold: Ich merke, dass zu meinen liebsten Kirchen immer die gehört, wo ich gerade selbst regelmäßig im Gottesdienst bin und mich zur Gemeinde zähle. Da werden einem alle Dinge irgendwie vertraut, vom Klang der Türen bis zum Geruch oder bestimmten Lieblingsplätzen. Da weiß man auch, wer noch da ist und zu diesem Raum gehört. Hier ist Kirche mehr als das Gebäude, hier ist sie auch Feier und Begegnung. Ich wünsche jedem so eine Kirche mit einer Gemeinde. Etwas Anderes ist es, wenn ich allein unterwegs beten will und dazu eine Kirche aufsuche. Dann kommt es auf die Stimmung an, was ich bevorzuge. Die kleine, schlichte Kapelle, ganz aus Holz? Oder den hohen Dom? Mit meinem architektonischen Interesse interessieren mich immer Kirchen der Moderne im kleineren Format mit einer großzügigen sakralen Geste. Als ansprechendes Beispiel fällt mir St. Valentin in Limbach im Odenwald ein – alt und neu in Kombination.

PRO: Vielen Dank für das Gespräch!

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