Wenn religiöse Arbeitgeber für eine ausgeschriebene Stelle eine Kirchenmitgliedschaft verlangen, steht übergangenen Bewerbern nicht ohne Weiteres eine Diskriminierungsentschädigung zu, wenn sie nicht der Kirche angehören. Das hat das Bundesverfassungsgericht (AZ: 2 BvR 934/19) am Donnerstag geurteilt.
Dem Urteil geht ein jahrelanger Rechtsstreit voraus. Eine konfessionslose Frau hatte sich 2012 bei der Diakonie auf eine Referentenstelle beworben, wurde aber nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen, weil sie kein Kirchenmitglied war. Sie klagte wegen einer Benachteiligung aus religiösen Gründen.
Über das Arbeits- und Landesarbeitsgericht erreichte der Fall das Bundesarbeitsgericht, das ihn wiederum vor einer Entscheidung dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorlegte. In Luxemburg kam es 2018 zu einem für die Kirche überraschenden Urteil: Der EuGH meinte, dass die Kirche nicht pauschal eine Mitgliedschaft voraussetzen darf, sondern im Einzelfall gut begründen muss.
Rechtsauffassung von Kirche und Diakonie bestätigt
Dies stellte eine Ausnahme für die Kirchen im deutschen Gleichbehandlungsgesetz und die kirchliche Einstellungspraxis insgesamt infrage. EKD und Diakonie entschieden, die grundsätzliche Frage, wie weit das im Grundgesetz verankerte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen bei der Einstellungspraxis reicht, dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.
Die Richter in Karlsruhe stellten fest, dass die Arbeitsrichter das religiöse Selbstbestimmungsrecht des diakonischen Arbeitgebers nicht ausreichend berücksichtigt hätten. Es sei nicht geprüft worden, inwieweit die Kirchenmitgliedschaft „wesentlich“ für die ausgeschriebene Stelle war. Je größer die Bedeutung der ausgeschriebenen Stelle „für die religiöse Identität der Religionsgemeinschaft nach innen oder außen ist“, desto eher könne eine Kirchenmitgliedschaft verlangt werden.
Damit hat das Karlsruher Gericht die Rechtsauffassung von Kirche und Diakonie bestätigt. Diese dürfen in begründeten Fällen eine Kirchenmitgliedschaft ihrer Mitarbeiter voraussetzen, wenn sie Personal einstellen. „Das Verfassungsgericht hat unseren Spielraum bestätigt – damit gehen wir sehr verantwortungsvoll um“, sagt EKD-Vizepräsident Stephan Schaede, der auf eine überarbeitete Mitarbeitsrichtline aus dem Jahr 2024 verwies.
Eine Frage der Glaubwürdigkeit
Bei einer Stelle in der Seelsorge oder in der evangelischen Bildung könne eine Mitgliedschaft Voraussetzung sein, da dort das christliche Profil besonders geprägt oder nach außen vertreten wird: „Wer für das christliche Profil verantwortlich ist, muss von diesem Profil auch überzeugt sein“, erklärt Schaede in der EKD-Pressemitteilung. Das sei eine Frage der Glaubwürdigkeit. Schon seit einigen Jahren arbeiteten selbstverständlich in den Kirchengemeinden und Einrichtungen Menschen mit ganz unterschiedlichen Religionen und Lebensentwürfen unter dem Dach der Kirche.
Die Einstellungsvoraussetzungen in Kirche und Diakonie seien kein Selbstzweck, sondern dienten der Erfüllung des christlichen Auftrags von Kirche und Diakonie, erklärt der Vorstand der Diakonie, Jörg Krutschnitt: „Menschen dürfen darauf vertrauen, dass dort, wo Kirche und Diakonie draufsteht, auch Kirche und Diakonie drin ist. Dieses christliche Profil wird von den Mitarbeitenden getragen und ist durch die Religionsfreiheit und das Selbstbestimmungsrecht von Kirche und Diakonie verfassungsrechtlich geschützt.“
Das Arbeitsrecht von Kirche und Diakonie werde regelmäßig überprüft und an veränderte gesellschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen angepasst. „Der heute veröffentlichte Beschluss des Bundesverfassungsgerichts setzt dafür die Leitplanken“, betonte Kruttschnitt.
Von: Johannes Blöcher-Weil (mit epd-Material)