Rezension

Erstaunlich sachlich und respektvoll: ZDF-Diskussion über Christfluencer

Die ZDF-Sendung „Unbubble“ zeigt in ihrer aktuellen Ausgabe zum Thema Christfluencer, wie Diskussionskultur gehen kann. Warum gibt es davon nicht mehr im deutschen Fernsehen?
Von Swanhild Brenneke
Jo Schück, Unbubble

„Sind Christfluencer gefährlich?“ Das hat das ZDF kürzlich in seiner Diskussionssendung „Unbubble“ gefragt. Zu Gast waren drei Vertreter der christlichen Influencer-Szene und drei Diskussionspartner, die „Christfluencing“ eher kritisch sehen. Schon zu Beginn der Sendung fiel positiv auf: Jeder Gast durfte seine Sicht der Dinge darlegen, ohne von der Gegenseite dafür angegriffen oder verurteilt zu werden.

Model Toni Dreher-Adenuga, erklärte zum Beispiel, als Christin gehöre es für sie einfach dazu, auch ihren Glauben zu teilen, wenn sie bei Social Media von ihrem Alltag berichte. Denn der sei ein wichtiger Teil ihres Lebens. „Mir geht es darum, auf Jesus zu zeigen.“ Sie wolle bei Social Media zeigen, dass sie „Kraft in Jesus“ schöpfe.

Daniela Marlin-Jakobi, ehemalige Christfluencerin und nach eigenen Angaben Freikirchen-Aussteigerin, sagte, sie habe nichts dagegen, wenn Christen als solche im Internet aufträten. Sie sei selbst gläubig. Es gebe aber „toxische Randerscheinungen“. Sie habe im Vergleich zu früher nicht mehr den Anspruch, dass ihre Religion die einzig wahre sei. Oft nehme sie ein schwarz-weiß-Denken bei christlichen Influencern wahr. Sie selbst habe sich damals bekehrt, weil ihr Angst vor der Hölle gemacht worden sei. In dieser Weise „manipuliert“ zu werden, finde sie problematisch.

Marlin-Jakobi berichtete davon, wie sie besonders in der Corona-Zeit immer mehr mit ihrer ehemaligen Freikirche haderte. Sie sei früher sogar „pro Trump“ gewesen, wegen dessen Haltung zu Abtreibung. In der Pandemiezeit seien ihr dann mehr und mehr „Schwurblereien“ in ihrer Gemeinde aufgefallen. Viel Recherche und eine Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Fakten hätten schließlich dazu geführt, dass sie ihre Freikirche verließ. Ihre Haltung sei in vielen Bereichen neutraler und liberaler geworden.

Christfluencer Jonathan Albrecht erklärte ebenfalls, Angstmacherei beim Evangelisieren sei der falsche Ansatz. Trotzdem dürfe man die Wahrheit „aus Liebe heraus“ nicht verschweigen. Seiner Überzeugung nach gebe es bei der Frage nach der Rettung durch Glauben auf jeden Fall ein Entweder-Oder. „Ich glaube, dass es entweder Himmel oder Hölle gibt. Und da gibt es auch keinen Kompromiss.“

Tim Lahr, queerer evangelischer Pfarrer und auf Instagram beim Kanal „Amen, aber sexy“ aktiv, sagte, er habe damit Probleme, dass viele Christfluencer „Pfarrer spielen“ und die Bibel ihrem Verständnis nach „klar auslegen“. Die Bibel sei an vielen Stellen nicht so eindeutig, wie ihm das oft in solchen Social-Media-Beiträgen begegne. Seine Überzeugung sei: „Die Bibel ist nicht Gottes Wort. Sie enthält Gottes Wort.“

Adrian Rosetta, Atheist und Content Creator, findet es schön, wenn Menschen Christen sind und „ihren Glauben nach außen tragen“. Für ihn werde es allerdings problematisch, wenn man anderen Leuten etwas „wegnehmen“ wolle. Da sei der Fall, sobald Menschen aufgrund ihrer Lebensgestaltung diskriminiert oder in irgendeiner Weise ausgeschlossen würden.

„Sind Homosexuelle Sünder?“

Die gläubige Rapperin Rubi berichtete, dass sie syrisch-orthodox aufwuchs. Die Erziehung sei sehr strenggläubig gewesen. Sie hat positive Erfahrungen mit Christfluencern gemacht. Durch christliche Inhalte auf Social Media habe sie einen neuen Zugang zum Glauben und eine persönliche Beziehung zu Gott gefunden.

Die ZDF-Sendung schreckte auch nicht davor zurück, das heiße Eisen Homosexualität anzupacken. Moderator Jo Schück stellte die Frage: „Sind Homosexuelle Sünder?“ Die Gäste gingen in der Diskussion hierbei erstaunlich respektvoll miteinander um – bei dem Thema keine Selbstverständlichkeit. Christfluencer Albrecht bezog sich auf den Römerbrief und erklärte, homosexuell zu leben halte er für eine Missachtung von Gottes Gebot. Pfarrer Lahr, selbst homosexuell, sieht das anders: Er habe sich seine Homosexualität nicht ausgesucht. „Das ist meine Identität.“ Er empfinde die Haltung vieler konservativer Christen dazu als verletzend. Zum Beispiel, wenn den Betroffenen geraten werde, die eigene Homosexualität nicht auszuleben.

Model Dreher-Adenuga findet es schade, dass einzelne Themen aus der Bibel oft zu Streit unter Christen führen, obwohl sie oft nur einen kleinen Teil von Gottes Wort ausmachten. Leider würden bei vielen Streitthemen die Bibeltexte nicht im Kontext gelesen und nicht auf heute übertragen. Jesus habe seine Jünger in seinem Missionsbefehl dazu aufgerufen, die „frohe Botschaft“ zu verkünden. Er habe nicht gesagt: „Geht und zeigt mit dem Finger auf die Leute.“

Alle Gäste stellten fest, dass rechte Narrative unter christlichen Influencern immer mehr zu einem Problem zu werden scheinen. „Viele nutzen die Grenze des Sagbaren, um ihre menschenfeindliche Meinung unter das christliche Volk zu bringen“, sagte Marlin-Jakobi. Rapperin Rubi erklärte, es sei wichtig zu prüfen: Was habe Jesus wirklich gesagt und was sei nur die Auslegung des einzelnen Menschen?

Die ZDF-Sendung „Unbubble“ hat zum Ziel, dass die beiden unterschiedlichen Meinungsgruppen anschließend einen Kompromiss erarbeiten, auf den sich beide Seiten – mehr oder weniger – einigen können. Konsens gab es schließlich darüber: Es sei wichtig, sich bewusst zu machen, auf welche Stimmen man im Netz höre und welche Inhalte man konsumiere. Außerdem bedeute Nächstenliebe auch, diese vorzuleben. Auch auf Offenheit für andere Meinungen und auf die Bereitschaft zur Selbstkritik konnten die Teilnehmer sich einigen.

Das Format „Unbubble“ ist seinem Namen mit dieser Sendung gerecht geworden. Vertreter zweier verschiedener „Meinungsblasen“ trafen aufeinander und öffneten sich mithilfe von 13 Fragen des Moderators für die jeweilige Gegenposition. Ein positives Beispiel, wie ein sachlicher und respektvoller Austausch über polarisierende Themen gelingen kann – auch für die Zuschauer. Es wäre schön, wenn es davon mehr im deutschen Fernsehen gäbe.

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