Dieser Film beginnt mit einer recht skandalösen Theateraufführung, in der die Kirche mal so richtig durch den Dreck gezogen wird. Eben noch wurde da das berühmte Gemälde „Das letzte Abendmahl“ von Leonardo da Vinci von Laiendarstellern auf der Bühne nachgestellt – wenn auch nur wegen Personalmangels mit einer Besetzung von fünf Personen. Dann plötzlich wird das Stillleben zu einer wilden Party mit stampfender Musik und Sado-Maso-Leder-Outfit.
Zwischen Rave-Party und „Fraktus“-Aufführung wälzen sich die Darsteller nun in Kunstblut und Würstchen auf dem Boden. Ein Engel ruft dazu: „‚Ihr seid das Salz der Erde‘, hat er gesagt. ‚Ihr seid das Licht der Welt. Ihr alle seid Sünder.‘“ Aber dann: „Ihr seid die Völlerei!“ Die Tanzenden antworten: „Jesus, erlöse uns!“ Der „Erlöser“: ein Schwein. Hui, hier greift jemand aber ganz tief in die Kirchenkritik.
Die Zeit, in der man mit Schmutz auf die Kirche und die Bibel werfen und damit provozieren konnte, ist eigentlich längst vorbei. In dem Filmdebüt der Regisseurin Alison Kuhn geht es aber dennoch ganz doll kirchenkritisch zu, das verspricht jedenfalls die Ankündigung, und ein bisschen Kritik an Fleischkonsum ist wohl auch mit drin.
Die Geschichte, die hier erzählt wird, wurde leider nicht ganz für den Zuschauer nachvollziehbar verfilmt, da die vielen Zeitsprünge (vor und zurück und vor) quasi nicht als solche erkennbar sind. Im Publikum des provokanten Bühnen-Gezeters sitzt ein katholischer Geistlicher: Der Priester Oskar Iversen ist natürlich herrlich entsetzt über das alles, er bittet bei seinen Kirchenoberen um eine Versetzung. Er ist Däne. Aber er will ab sofort im Dorf Winteringen in Deutschland Dienst tun. Oder war das jetzt alles nur ein Rückblick?
Alle Klischees einer Dorfgemeinde. Wozu das Ganze?
Es folgen alle Klischees, die eine Nachwuchsregisseurin rund um die katholische Kirche und das Dorfleben bedienen muss. Es ist langweilig, die große Stadt viel spannender, in die Kirchengemeinde geht keiner mehr, alles ist sehr spießig, der Priester womöglich schwul, der einzige Messdiener im Dorf ist es auf jeden Fall, genauso wie er erwartungsgemäß nerdig ist. Es kommen hinzu: Ein Schwein, das ans Kreuz genagelt wird, Sex in der Kirche und schwäbelnde Hinterwäldler, die ihr Interesse an der Kirche nur heucheln.
Priester Oskar ist natürlich am heuchlerischsten, er erschleicht sich in einem Krankenhaus bei einer wildfremden sterbenden Frau deren Erbe, um damit eine Theateraufführung seiner Gemeinde zu finanzieren. Seinem Diakon erzählte er, er habe eine „ausgefeilte Spendenaktion“ im Sinn, um die Gemeinde zu retten. Dazu gehören „ein soziales Hilfsprojekt für einkommensschwache Menschen, eine aufwändige Renovierung des Altersheims und ein riesiges Theaterspektakel“.
Nein, das ergibt keinen Sinn, es ergibt aber auch keinen Sinn, dass nach einer Theateraufführung einer Kirchengemeinde in einem Dorf plötzlich eine Schar von Journalisten den Regisseur umringt, als handele es sich um die Biennale; es ergibt auch keinen Sinn, wenn der katholische Priester mit dem im Dorf-Krankenhaus liegenden Erzbischof (!) diese Unterhaltung führt: „Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, wie Sie sich ein Leben nach dem Tod vorstellen? Wissen Sie, jeder Mensch muss sich nach seinem Tod vor Gott verantworten.“
Eine wirkliche Kritik an irgendeinem konkreten Missstand der Kirche ist hier einfach nicht zu entdecken. Leider ist auch der Humor in diesem Film dumpf, und so gar nicht bissig. Man wünschte sich, die fröhlich-absurde Bühnenshow des Anfangs würde weitergeführt, die war wenigstens unvorhersehbar. Leider kann keiner der Schauspieler dieses miserable Drehbuch retten. Das Gefühl beim Zusehen schwankt zwischen der Scham, einer schlechten Laientheateraufführung beizuwohnen, und der Scham, das Aufwärmen alter „Mord mit Aussicht“-Folgen im Kino zu sehen. Angekündigt wird diese Produktion, an der sich der SWR beteiligt hat, jedenfalls als „Religionsgroteske“, als „ein absurdes Triptychon über Einsamkeit, Verantwortung und die katholische Kirche, über Glauben, Größenwahn und Fleischwaren“. Grotesk ist daran nur, dass so etwas immer noch finanziert werden kann.
„Holy Meat“, 117 Minuten, Regie: Alison Kuhn, ab 1. Januar 2026 im Kino