PRO: Tim, welche gute Nachricht der letzten Wochen oder Monate bräuchte deiner Meinung nach eine größere Bühne?
Tim Niedernolte: Da muss ich wirklich lange überlegen … vielleicht ist das schon ein Teil der Antwort.
Soll heißen: Gute Nachrichten gehen häufiger unter als schlechte?
Das nehme ich so wahr. Jetzt fällt mir doch etwas ein: Die deutsche Wirtschaft ist um 0,4 Prozent gewachsen, mehr, als man angenommen hatte. Wobei das ja auch ein Beispiel ist für eine negative Nachricht, die sich dann einfach als besser herausgestellt hat, als erwartet. Wirtschaft, Wetter, Ukraine, alles scheint schlecht zu laufen und wenn mal was Gutes passiert, dann ist das überraschend. Die Nachrichtenlage ist düster und die Medien transportieren das auch so. Wenn hunderttausend Menschen morgens mit dem Auto zur Arbeit fahren und einer verunglückt, dann gilt dem einen die Schlagzeile, nicht den 99.999, die sicher angekommen sind. Zu einem gewissen Grad ist das übrigens evolutionär bedingt. Der Mensch war in früherer Zeit darauf gepolt, Gefahr eher wahrzunehmen, damit er flüchten oder sich verteidigen konnte. Also eher den wilden Tiger zu sehen, als verträumt einem Schmetterling hinterherzuschauen. In der heutigen Zeit ist diese Gefahrenresistenz aber längst nicht mehr so gefordert oder nötig. Wir können also versuchen, umzulernen.
Warum sollten wir das tun?
Wer mehr positive Nachrichten konsumiert, ist eher bereit, sich gesellschaftlich zu engagieren. Dahinter steht der Gedanke: Es ist noch nicht alles verloren. Und andersherum: Wer denkt, alles gehe ohnehin schlecht aus, der bringt sich nicht ein oder spendet beispielsweise nicht. Negative Nachrichten haben also auch negative Effekte, nicht zuletzt auch für die Psyche. Im Übrigen habe ich in letzter Zeit wirklich oft von Menschen gehört, dass sie gar keine Nachrichten mehr schauen, weil sie das ganze Negative nicht mehr hören können.
Kommt die Daseinsberechtigung des Journalisten nicht gerade aus den schlechten Nachrichten? Wir sind ja nicht dazu da, von der heilen Welt zu erzählen, sondern Missstände anzuprangern, Intrigen aufzudecken, Lügner zu entlarven und so weiter.
Ich halte das für ein problematisches Selbstverständnis des Journalisten. Er soll Zustände beschreiben, ohne Partei zu ergreifen. Er soll die Welt zeigen, wie sie ist. Und da gibt es eben auch Positives. Natürlich müssen Medien über Kriegsgeschehen und andere schlimme Dinge aufklären. Aber da müssen sie ja nicht stehenbleiben. Sie können schauen, ob es irgendwo auf der Welt Lösungsansätze für das gezeigte Problem gibt. Nehmen wir das Beispiel Wohnungsnot. Natürlich sollen Journalisten darüber berichten und auch sagen, was für Fehler die Bundesregierung oder das Bauministerium gemacht haben. Aber am Ende könnte man noch Genossenschaftsprojekte vorstellen oder ein Beispiel, wo ein Investor dafür gesorgt hat, dass die Preise fallen. Konstruktive Ansätze zu zeigen, ist ja nicht gleich Schönfärberei.
„Müssten wir nicht alle viel fröhlicher durch die Welt laufen? Weil wir wissen, dass Gott uns liebt und uns so viel geschenkt hat?“
Was kannst du in deinem Job verändern? Immerhin arbeitest du ja bei der Boulevard-Sendung „Hallo Deutschland“.
Ich glaube, das hat sich schon alles ein wenig zum Guten verändert. Wir schauen, dass wir nicht zu viele schlimme Nachrichten haben und die Sendung auch in dieser Hinsicht ausgewogen ist. Doch es gibt bei uns zum Beispiel auch ein True-Crime-Format in der Sendung. Das boomt gerade. Immer wieder erlebe ich tatsächlich auch eine Sättigung der Kollegen und der Redaktion, was negative Nachrichten angeht. Ich merke das auch an, wenn es mir mal zu viel vorkommt.
Du hast ein Event ins Leben gerufen mit dem Titel „Endlich gute Nachrichten“. Was hat es damit auf sich und was willst du damit erreichen?
Vielen meiner Freunde und mir ist aufgefallen, dass es zu viele schlechte Nachrichten in den Medien gibt. Da kam mir irgendwann die Idee für ein Showformat, gezielt für gute Nachrichten. Eine Sendung, die auf leichte Art und Weise mutmachende Menschen, inspirierende Geschichten und positive Nachrichten rüberbringt.
Ist es nicht schwierig, so ein Format zu etablieren in Zeiten, in denen die TV-Anstalten immer weniger Geld haben, die Zuschauer wegbrechen, die Streamingdienste boomen?
Klar, der Markt ist gerade umkämpft, vielfach werden Stellen abgebaut. Ich glaube trotzdem, dass so ein Format Zukunft hat und dem Wunsch vieler Zuschauer entspricht. Parallel dazu habe ich gemeinsam mit dem ehemaligen World-Vision-Deutschland-Chef Christoph Waffenschmidt auf eigene Faust daraus ein Event organisiert. Er kennt ja sowohl die schlechten Nachrichten als auch die guten Geschichten, die sich aus humanitärem Engagement ergeben. Wir haben an dem Abend genau das gemacht, was ich auch in meiner Show machen würde: Es gab Musik, Spiele rund um gute Nachrichten, etwa „Cookie Cutter“, bei dem Leute aus dem Publikum gute Nachrichten aus der Zeitung ausschneiden und zusammenstellen sollten. Ein Quiz, Einspieler und Interviews, etwa mit einer Reporterin, die aus der Ukraine berichtet und dort auch viele positive Geschichten erlebt hat, trotz allem Leid. Das kam sehr gut an, es war ein total wohltuender Abend und wir werden das wiederholen. Außerdem hoffe ich, dass ich die Showidee auch bei Sendern oder Streaming-Diensten platzieren kann.
Wie kommt es, dass Christen oft eher negative Schlagzeilen machen? Ich denke etwa an die Jesus-Shirt-tragenden Fußballspieler, die im Mai in der „Tagesschau“ kritisiert wurden.
Natürlich ist die Herangehensweise mancher Journalisten da hinterfragbar. Da zieht jemand sein T-Shirt hoch und auf dem Hemd darunter steht „Ich gehöre zu Jesus“. Anstatt das einfach hinzunehmen, wird dann gleich geschaut, in welcher Gemeinde die Person ist, welche Verbindungen diese Gemeinde zu bestimmten Gruppen bis hin ins Ausland haben könnte und dann leitet man etwas über den Spieler daraus ab. Schwierig. Andererseits war das Christentum in allen Zeiten angefeindet, so gesehen gehört das wohl dazu. Christen wiederum kann man gelegentlich auch vorwerfen, sich öffentlich eher blauäugig zu äußern, weil sie mit Medien unerfahren sind und nicht hinterfragen, wie das rüberkommt oder aufgegriffen wird. Da wünsche ich mir etwas mehr Überlegtheit an mancher Stelle. Kritik geübt wird aber auch an anderen Gruppen, sei es an Umweltschützern, Unternehmern, Politikern. Es ist also nicht absolut spezifisch für Christen, auch, wenn die Toleranz für Glaubensrichtungen in Deutschland derzeit wirklich nicht sehr ausgeprägt ist. Vor allem, wenn man es damit vergleicht, für was alles Toleranz gefordert wird.
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Und andersherum: Warum konzentrieren sich viele Christen denn so sehr auf Gesellschaftskritik, auf Kritik am Zeitgeist oder an der Politik, anstatt wirklich gute Nachrichten zu verbreiten?
Auch da sage ich: Das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Es gibt dieses Experiment in der Schule. Eine Lehrerin hält ein weißes Blatt mit einem kleinen schwarzen Punkt darauf hoch und fragt die Kinder, was sie sehen. Die Kinder beschreiben ausnahmslos den schwarzen Punkt und niemand spricht über das weiße Blatt, obwohl es viel mehr Raum einnimmt. So ist es auch im echten Leben. Wir thematisieren die ausverkauften Croissants, den verschütteten Kaffee oder die Tatsache, dass die Kita angerufen hat und wir das Kind abholen mussten, anstatt uns darüber zu freuen, dass wir die Möglichkeit haben, beim Bäcker einzukaufen, Kaffee zu trinken oder die gute Betreuungssituation für unsere Kinder. Wir konzentrieren uns auf das Schlechte und übersehen die Möglichkeiten. Bei Christen denke ich oft: Müssten wir nicht alle viel fröhlicher durch die Welt laufen? Weil wir wissen, dass Gott uns liebt und uns so viel geschenkt hat?
Tim, vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview erschien zuerst in Ausgabe 4/2025 des Christlichen Medienmagazins PRO. Sie können die Ausgabe hier bestellen.