„Jesus ist der Respektvorleber par excellence“

Der TV-Moderator Tim Niedernolte hat ein Buch über Respekt geschrieben. Was das für die Corona-Krise bedeutet und warum Jesus bei dem Thema ein Vorbild ist, erklärt er im pro-Interview.
Von PRO
Tim Niedernolte moderiert unter anderem die ZDF-Sendung „Hallo Deutschland“

pro: Herr Niedernolte, Sie haben sich in Ihrem neuen Buch mit dem Thema Respekt in unserer Gesellschaft auseinandergesetzt. Wenn Sie es in einen Satz packen müssten, was heißt Respekt für Sie?

Tim Niedernolte: Respekt heißt für mich, nicht nur für sich alleine zu leben, sondern den oder die Nächste in seinem Alltag zu sehen und dafür zu sorgen, dass wir alle gut, wertschätzend und gemeinsam durchs Leben kommen.

In einer Talkshow haben Sie geäußert, es gebe Situationen in Ihrem Alltag, da seien Sie „verliebt in den Respekt“. War das Thema bei Ihnen Liebe auf den ersten Blick?

Das ist vor allen Dingen eine Liebe in Alltagsbegegnungen, die ich erlebe, in denen der Respekt eine Hauptrolle spielt und wo ich ein positives Gefühl bekomme. Zum Beispiel wenn ich sehe, wie andere Menschen glücklicher dadurch sind, dass ich respektvoll gehandelt habe. Oder auch wenn andere mir Respekt entgegenbringen. Stichwort „Verliebt sein“: Es geht um Situationen, in denen plötzlich der Respekt seine Kraft entfaltet und ich wahrnehme, was dadurch möglich ist.

Haben Sie heute schon einen solchen Moment erlebt?

Das Interview gerade ist zum Beispiel eine große Form von Respekt. Sie haben mir spontan zugestanden, unseren Termin um ein paar Minuten zu verschieben. da ich wegen der Vorbereitung einer wichtigen Moderation heute Abend etwas unter Zeitdruck bin und schnell noch mal zum Bäcker musste. Und ich habe heute Morgen eine E-Mail bekommen, in der mir jemand etwas sehr Schönes geschrieben hat als Rückmeldung zu meinem Buch. Die war sehr respektvoll. Das hat mir viel Rückenwind gegeben und auch große Dankbarkeit erzeugt.

Sie haben 2018 Ihr erstes Buch, „Wunderwaffe Wertschätzung“, geschrieben. Was ist für Sie der Unterschied zwischen Wertschätzung und Respekt?

Die Gemeinsamkeiten sind größer als die Unterschiede. Die Begriffe hängen zusammen wie Bruder und Schwester. Der Respekt ist wahrscheinlich der Ältere der beiden, der Tiefergehende. Wertschätzung wird oft als „nice to have“ bezeichnet und kommt leichter daher. Beim Respekt geht es mehr in die Vollen. Da kann man sich nicht rausreden. Respekt hat mehr Schlagkraft und ist gleichzeitig öfter gefährdet. Daher ist es umso wichtiger, dass wir ihn wieder ganz neu entdecken und ihn mehr leben.

Wenn der Respekt für Sie noch mal auf einer höheren Stufe steht, wo ging Ihnen dann Ihr erstes Buch nicht weit genug?

Vielleicht in dem Effekt und den erhofften Veränderungen (lacht). Die Welt ist seitdem zumindest nicht besser geworden, eher das Gegenteil. Also wollte ich noch mal nachlegen. Nicht, weil ich mir anmaße, dass dadurch alles anders wird. Aber die vielen positiven Rückmeldungen zum ersten Buch, die ich bis heute erhalte, haben mir Mut gemacht, weiterzugehen. Ohne all diese Feedbacks hätte ich gewiss kein zweites geschrieben. Ich hatte das Gefühl, wir brauchen noch mehr Respektgeschichten, Inspirationen und Anstöße, die die Menschen herausfordern. Das soll das zweite Buch tun: Es soll die Menschen herausfordern, etwas zu bewirken und zu verändern. Jeder da, wo er gerade steht.

Gibt es für Sie auch Grenzen im Ausleben von Respekt?

Ich finde, jeder Mensch soll respektvoll behandelt werden, das ist eine Grundbedingung, egal, ob man ihn nun mag oder nicht mag, solange er nicht gegen das Gesetz verstößt. Man kann natürlich zu jemandem, der ein schweres Verbrechen begangen hat, nicht sagen: „Alles fein, Hauptsache Respekt.“ So sieht es im Übrigen auch Jesus, der ja der Respektvorleber par excellence war und ist. Er hat sich auch mit Menschen umgeben, die vielleicht sozial weniger gut gestellt waren, die sich auch nicht immer so verhalten haben, wie es den Erwartungen entsprach. Aber er hat trotzdem immer den Menschen dahinter gesehen und konnte das trennen.

Tim Niedernolte: „Respekt!“, bene!, 192 Seiten, 18 Euro, ISBN 9783963401329 Foto: bene!
Tim Niedernolte: „Respekt!“, bene!, 192 Seiten, 18 Euro, ISBN 9783963401329

Bezogen auf das gesellschaftliche Verhalten während der Corona-Pandemie in Deutschland nennen Sie positive Tendenzen, wie das Nachfragen bei älteren Menschen, ob sie Hilfe beim Einkaufen benötigen, aber auch negative, wie den Kampf um die letzte Rolle Toilettenpapier im Supermarkt. Nun im Herbst 2020 steigen die Infektionszahlen wieder an. Was sollten die Menschen bei einer zweiten Corona-Welle besser hinbekommen?

Vielleicht die praktische Umsetzung: das Abstandhalten, Maske tragen und die Regeln befolgen, die nachweislich dafür sorgen, dass sich das Virus nicht so leicht überträgt. Die zweite Welle kommt ja nicht, weil die Jahreszeit einfach so ist oder weil es Pech ist, sondern weil zu wenig auf die Vorgaben geachtet wurde. Es gehört aber auch dazu, dass man – um beim Wort zu bleiben – respektiert, dass jeder Einzelne eine andere Meinung haben kann. Ich hoffe, wir haben es gelernt, auch einmal etwas so stehen zu lassen und mehr auf Augenhöhe zu diskutieren. So wie es aktuell aussieht, kommen harte Wochen und Monate auf uns zu. Auch mir fällt das nicht leicht. Ich wünsche mir aber, dass die Art und Weise, wie wir damit umgehen, eindeutig respektvoller ist als beim ersten Mal.

Sie setzen sich für gegenseitiges Zuhören ein, dafür, die Meinung des anderen einfach mal stehenzulassen, beschäftigen sich mit der Frage, inwiefern Tieren Respekt zugutekommen sollte, schreiben, Sie seien ein großer Fan der Genderdebatte. Wird unsere Gesellschaft bei all diesen vermeintlich neuen Fragen nicht sogar etwas zu sensibel? Fehlt sogar eine gesunde Härte im Umgang miteinander?

Nein, gar nicht. Die Härte schließt das alles ja nicht aus. Ich bin von Haus aus Fußballer und war auf dem Platz auch nicht immer der „Unhärteste“, aber solange es im Rahmen einer Fairness passiert, kann ich neunzig Minuten lang die Grätsche auspacken und den Gegner attackieren. Solange es respektvoll bleibt, kann man alles diskutieren, alles hinterfragen und zur Debatte stellen, weil jedem Einzelnen grundsätzlich klar sein müsste, dass es nur um die Sache geht.

Welche Rolle spielt für Sie der christliche Glaube beim Thema Respekt? Sie haben vorhin schon kurz die Rolle von Jesus angesprochen.

Jesus ist für mich eine große Inspiration, weil er den Respekt sehr hochgehalten hat. Ich glaube, bei Respekt, Wertschätzung und anderen Faktoren dieser Art geht es in erster Linie ums Vorleben. Wenn ich das nicht selber lebe und dadurch dem Respekt zur Umsetzung verhelfe, dann bringt alles Schreiben und Reden darüber nichts. Jesus hat genau das gemacht. Die Bibel ist voll von solchen Geschichten.

Haben Sie dazu eine bestimmte Stelle in der Bibel, auf die Sie sich beziehen?

Spontan fällt mir Zachäus ein. Der saß auf einem Baum und wurde von den Menschen, die auf Jesus warteten, nicht wahrgenommen. Aber Jesus sah ihn erst recht. Wahrscheinlich war Zachäus sogar noch peinlich berührt, sicher wollte er einfach nur besser sehen können, der kleine Mann. Jesus bittet ihn, herunterzusteigen, und kommt zu ihm zu Besuch. Das ist ein Beispiel dafür, wie Respekt im Alltag funktioniert: dass man mal rechts und links vom Mainstream schaut und Menschen wahrnimmt, die sonst durch das Raster fallen. Und die Geschichte geht ja noch weiter. Nämlich indem Zachäus seine Lebensweise verändert; indem er Dinge zurückgibt, um die er andere betrogen hatte, indem er ein neuer Mensch wird. Das ist für mich eine Stelle, die das wunderbar rüberbringt und zeigt, was gelebter Respekt auslösen kann. Davon gibt es ganz viele Beispiele, sei es in der Bibel, sei es in der Geschichte der Christenheit oder auch in anderen Religionen. Auch Menschen, die gar nicht gläubig sind, können wunderbar Respekt leben. Diese Geschichten inspirieren mich, um zu sagen: Mensch, Leute, guckt doch mal, wir können es doch! Warum kriegen wir es nicht viel öfter hin?

Vielen Dank für das Gespräch!

Bezogen auf das gesellschaftliche Verhalten während der Corona-Pandemie in Deutschland nennen Sie positive Tendenzen, wie das Nachfragen bei älteren Menschen, ob sie Hilfe beim Einkaufen benötigen, aber auch negative, wie den Kampf um die letzte Rolle Toilettenpapier im Supermarkt. Nun im Herbst 2020 steigen die Infektionszahlen wieder an. Was sollten die Menschen bei einer zweiten Corona-Welle besser hinbekommen?

Vielleicht die praktische Umsetzung: das Abstandhalten, Maske tragen und die Regeln befolgen, die nachweislich dafür sorgen, dass sich das Virus nicht so leicht überträgt. Die zweite Welle kommt ja nicht, weil die Jahreszeit einfach so ist oder weil es Pech ist, sondern weil zu wenig auf die Vorgaben geachtet wurde. Es gehört aber auch dazu, dass man – um beim Wort zu bleiben – respektiert, dass jeder Einzelne eine andere Meinung haben kann. Ich hoffe, wir haben es gelernt, auch einmal etwas so stehen zu lassen und mehr auf Augenhöhe zu diskutieren. So wie es aktuell aussieht, kommen harte Wochen und Monate auf uns zu. Auch mir fällt das nicht leicht. Ich wünsche mir aber, dass die Art und Weise, wie wir damit umgehen, eindeutig respektvoller ist als beim ersten Mal.

Sie setzen sich für gegenseitiges Zuhören ein, dafür, die Meinung des anderen einfach mal stehenzulassen, beschäftigen sich mit der Frage, inwiefern Tieren Respekt zugutekommen sollte, schreiben, Sie seien ein großer Fan der Genderdebatte. Wird unsere Gesellschaft bei all diesen vermeintlich neuen Fragen nicht sogar etwas zu sensibel? Fehlt sogar eine gesunde Härte im Umgang miteinander?

Nein, gar nicht. Die Härte schließt das alles ja nicht aus. Ich bin von Haus aus Fußballer und war auf dem Platz auch nicht immer der „Unhärteste“, aber solange es im Rahmen einer Fairness passiert, kann ich neunzig Minuten lang die Grätsche auspacken und den Gegner attackieren. Solange es respektvoll bleibt, kann man alles diskutieren, alles hinterfragen und zur Debatte stellen, weil jedem Einzelnen grundsätzlich klar sein müsste, dass es nur um die Sache geht.

Welche Rolle spielt für Sie der christliche Glaube beim Thema Respekt? Sie haben vorhin schon kurz die Rolle von Jesus angesprochen.

Jesus ist für mich eine große Inspiration, weil er den Respekt sehr hochgehalten hat. Ich glaube, bei Respekt, Wertschätzung und anderen Faktoren dieser Art geht es in erster Linie ums Vorleben. Wenn ich das nicht selber lebe und dadurch dem Respekt zur Umsetzung verhelfe, dann bringt alles Schreiben und Reden darüber nichts. Jesus hat genau das gemacht. Die Bibel ist voll von solchen Geschichten.

Haben Sie dazu eine bestimmte Stelle in der Bibel, auf die Sie sich beziehen?

Spontan fällt mir Zachäus ein. Der saß auf einem Baum und wurde von den Menschen, die auf Jesus warteten, nicht wahrgenommen. Aber Jesus sah ihn erst recht. Wahrscheinlich war Zachäus sogar noch peinlich berührt, sicher wollte er einfach nur besser sehen können, der kleine Mann. Jesus bittet ihn, herunterzusteigen, und kommt zu ihm zu Besuch. Das ist ein Beispiel dafür, wie Respekt im Alltag funktioniert: dass man mal rechts und links vom Mainstream schaut und Menschen wahrnimmt, die sonst durch das Raster fallen. Und die Geschichte geht ja noch weiter. Nämlich indem Zachäus seine Lebensweise verändert; indem er Dinge zurückgibt, um die er andere betrogen hatte, indem er ein neuer Mensch wird. Das ist für mich eine Stelle, die das wunderbar rüberbringt und zeigt, was gelebter Respekt auslösen kann. Davon gibt es ganz viele Beispiele, sei es in der Bibel, sei es in der Geschichte der Christenheit oder auch in anderen Religionen. Auch Menschen, die gar nicht gläubig sind, können wunderbar Respekt leben. Diese Geschichten inspirieren mich, um zu sagen: Mensch, Leute, guckt doch mal, wir können es doch! Warum kriegen wir es nicht viel öfter hin?

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Manjit Kohler

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