Kommentar

Warum unabhängiger Journalismus im Gaza-Krieg fehlt

Seit Monaten dominiert die Hamas den Medienkrieg gegen Israel. Fake News drängen Israel in der Öffentlichkeit immer wieder in die Defensive. Dabei macht Israel einen entscheidenden Fehler.
Von Martin Schlorke
Israelische Soldaten im Gazastreifen

Wer dieser Tage eine Zeitung aufgeschlagen hat, dem ist mehrfach das Bild eines abgemagerten Kindes mit einem Müllsack als Windel begegnet. Weltweit haben große Medienhäuer mit dem 18 Monate alten Mohammed ihre Artikel zur humanitären Lage im Gazastreifen aufgemacht. Grundtenor: Israel ist für dieses Leid verantwortlich. Wie sich nun jedoch herausstellte, leidet der Junge nicht an Hunger, sondern an eine Behinderung, die mutmaßlich durch eine genetische Erkrankung verursacht ist. Ganz bestimmt könnte dem Kind ohne Krieg sehr viel besser geholfen werden. Aber es als Symbol für die Hungersnot darzustellen, geht an der Wahrheit vorbei.

Im Krieg stirbt die Wahrheit zuerst. Das trifft wohl auf kaum einen Krieg so zu, wie auf den zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas. Ich erinnere mich noch gut an die Worte des israelischen Botschafters Ron Prosor wenige Tage nach dem Überfall der Hamas auf Israel. Schon damals – als Israel Terrorziele ausschließlich aus der Luft bekämpfte und noch keine Bodentruppen im Gazastreifen einsetzte – sprach der Botschafter seine Befürchtung aus, dass die Bilder der ermordeten und verstümmelten israelischen Kinder und Frauen in Vergessenheit geraten würden. Prosor wusste nur zu gut, dass die Hamas den medialen Krieg wie kaum jemand anderes beherrscht. Und er hatte Recht. Möglich machen das vor allem die sozialen Medien, die Naivität oder Böswilligkeit von westlichen Aktivisten und die Blauäugigkeit von so manchem Journalisten.

Doch es ist zu kurz gegriffen, die Ursache nur bei den eben Genannten oder den propagandistischen Fähigkeiten der Hamas zu suchen. Denn die Wahrheit im Krieg stirbt zuerst, weil die Kriegsparteien bestimmen, wer von vor Ort berichtet. Bis heute gewährt Israel westlichen Journalisten nicht die Einreise ohne Begleitung in den Gazastreifen. Ägypten übrigens auch nicht. Fakt ist, dass es keinen Völkerrechtsvertrag gibt, der Kriegsparteien verpflichtet, Journalisten Zugang in ein Kriegsgebiet zu gewähren. Doch Israel täte gut daran.

Westliche Journalisten müssten ins Kriegsgebiet

Israel argumentiert, dass es den Schutz der Journalisten nicht gewährleisten und deren Anwesenheit möglicherweise ein operatives Risiko für die Soldaten darstellen könne. Das stimmt sicherlich. Die Konsequenz ist aber, dass Informationen über die Lage vor Ort ausschließlich von der Hamas, von Israel oder von palästinensischen Journalisten kommen.

Erstere ist eine menschenverachtende Terrororganisation, die die eigene Bevölkerung als Schutzschild missbraucht. Sie taugt nicht als vertrauenswürdige Quelle. Traurig, dass das einige Medien bis heute nicht verstanden haben. Israel ist eine funktionierende Demokratie. Doch als Kriegspartei, die permanent medialen Angriffen und Vorwürfen ausgesetzt ist, versucht auch Israel die Darstellung des Krieges zu beeinflussen. Bleiben also noch palästinensische Journalisten, die bereits vor dem Krieg im Gazastreifen waren.

Während ich diese Zeilen schreibe, sitze ich in Berlin und kann mir nicht anmaßen, über die palästinensischen Medienschaffenden zu urteilen. Ich gebe aber zu bedenken, dass die Hamas seit fast zwei Jahrzehnten den Gazastreifen beherrscht und ebenso lang massiv gegen die Pressefreiheit vorgeht, wie „Reporter ohne Grenzen“ dokumentiert. Wie viel unabhängigen Journalismus kann es also überhaupt geben? Zudem sind auch die lokalen Medienschaffenden Betroffene der Kriegsschrecken. Objektive und unvoreingenommene Berichterstattung scheint da mindestens herausfordernd – verständlicherweise.

Was es bräuchte, wären westliche Kriegsreporter. Journalisten, die das Risiko kennen, es bereit sind einzugehen und in der Lage sind, in Kriegsgebieten zu arbeiten. Sie könnten helfen, indem sie unabhängig, wahrheitsgemäß und aus erster Hand berichten. Und das würde Israel besser dastehen lassen. Davon bin ich überzeugt. Wie ist die Versorgung mit Lebensmitteln? Erreichen medizinische Güter die Bevölkerung? Wer blockiert Hilfslieferungen – und warum? Wie sind die Zustände bei den Verteilstationen für humanitäre Güter? Bereichern sich die Terroristen an den Hilfslieferungen? Dabei würden wahrscheinlich auch Fehler der israelischen Armee aufgedeckt werden (die Israel nach eigenen Angaben auch untersucht). Aber dabei würde vor allem der Propaganda und den Fake News der Hamas ein Stück weit der Stecker gezogen.

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