„Philipps Geschichte wird immer aktuell sein“

Alexander Zehrer und Lukas Augustin gehen mit ihrer Doku „Real Life“ über das Leben und Sterben von Philipp Mickenbecker auf Tour in Kirchen, Hospizen und Schulen. Denn sie sind sicher: Philipps Geschichte gibt Antworten auf wichtige Lebensfragen.
Von Anna Lutz
In der Dokumentation spricht Philip Mickenbecker über seinen Umgang mit der Krankheit und seinem christlichen Glauben.

PRO: Alex, ihr startet im September eine „Real Life Tour“ und erinnert damit auch an den Tod von Philipp Mickenbecker vor vier Jahren. Was genau macht ihr?

Alexander Zehrer: Wir möchten mit dem „Real Life“-Film gezielt in Gemeinden, Hospize oder Schulen gehen. Dort zeigen wir ihn und sind als Filmemacher auch dabei. Bei manchen Vorstellungen werden auch einige der Real Life Guys vor Ort sein …

Jene Gruppe um Philipp, mit der er auf Youtube bekannt wurde und Millionen Follower generierte…

Ja. Unser Ziel ist es, die Hoffnung, die Philipp ausgestrahlt hat, ein weiteres Mal in die Breite der Gesellschaft zu tragen. Die Themen des Films, die Themen von Philipp, werden immer aktuell sein. Und es macht einen Unterschied, ob man ihn allein auf Netflix anschaut, oder gemeinsam in einer Gruppe, wo man dann auch einen Ort hat, über Tod, Schmerz, Vergänglichkeit und Hoffnung oder Glauben zu sprechen. Und wir machen unveröffentlichtes Material den Zuschauern zugänglich.

Foto: privat
Alexander Zehrer und Lukas Augustin wollen wertebasierte Filme machen

Wie kommt das an, wenn ihr im nichtchristlichen Kontext über Philipps Glauben sprecht? Eckt ihr an, haben die Menschen Fragen oder ärgern sie sich manchmal darüber?

Als der Film im Kino lief, kamen danach Menschen zu uns, etwa Mitarbeiter aus Kinderhospizen oder Schulen, die sagten, sie würden sich wünschen, dass zum Beispiel die Eltern von Sterbenden einerseits Philipps Glauben sehen, aber auch seinen Umgang mit dem Tod oder den seines Freundeskreises mit Philipps Leid. Wie begleitet man jemanden, der stirbt? Das ist eine von vielen Fragen, die für Menschen jenseits des Glaubens total relevant sind. Und unser Film kann Antworten geben oder zumindest anregen, nach ihnen zu suchen. 

Der Film hatte 2023 Premiere, seitdem haben ihn nach euren eigenen Angaben 130.000 Menschen gesehen. Was macht ihn für so viele interessant?

Wir bekommen immer wieder das Feedback, dass die Menschen es schätzen, dass wir Philipps Geschichte bis zum Ende erzählt haben. Bis hin zu seinem Tod. Es gibt, glaube ich, nicht viele Filme, die das Sterben so zeigen. 

Ihr seid bis zum letzten Atemzug dabei, zeigt auch mit der Kamera, wie Philipp Minuten vor seinem Tod Abschied von Freunden und Verwandten nimmt. 

Die Reaktionen darauf waren eindrücklich. Manche sagten, sie würden den Tod jetzt nicht mehr fürchten. Andere, sie hätten sich erstmals wieder Gedanken über den Glauben gemacht oder über den Sinn des Lebens. Daran haben wir gemerkt, dass dieser Film auch in einer säkularen Gesellschaft viel zu sagen hat.

Es gab zum Filmstart vor zwei Jahren die Kritik aus der Tageszeitung „taz“, ihr würdet mit der Doku das Leid Philipps instrumentalisieren, um evangelikales Christentum attraktiver zu machen.

Es war Philipps ausdrücklicher Wunsch, dass wir ihn so nah und so lange bis zu seinem Tod begleiten. Als Lukas an Philipps Todestag in sein Krankenzimmer kam, war die Kamera aus. Philipp hat ihn darum gebeten, zu drehen. Er wollte zeigen, dass zu allem Hoffen auf ein Wunder auch der Zweifel gehört und auch, dass Wunder manchmal nicht geschehen oder anders als gedacht. Und auch, dass der Tod dazugehört. Ich als Filmemacher weiß, dass wir Philipps Geschichte authentisch erzählt und eben keine christliche Propaganda gemacht haben. Während wir den Film geschnitten haben, haben wir Menschen dazugeholt, die keine Christen sind, und sie um ihre Meinung gebeten. Wir haben Testscreenings gemacht, um eben nicht nur eine evangelikale Bubble zu bedienen. Und was ist geschehen? Unser Editor hat sich zum Beispiel dafür ausgesprochen, fromme Kontexte in den Film hineinzunehmen. Es gibt diese Szene an Philipps Sterbebett, wo sich ein Freund, Erik, zur Taufe entscheidet. Unser Editor sagte: Das ist authentisch, lasst es drin. Kritik gibt es immer, aber es gab ja auch viele positive Rezensionen. 

Philipp Mickenbecker Foto: PRO/Jörn Schumacher
Philipp Mickenbecker starb am 9. Juni 2021

Tatsächlich zeigt ihr im Film auch hautnah die Momente kurz vor Philipps Sterben. Das mag mancher pietätlos finden…

Wir haben uns im Schnitt ganz lange diese Frage gestellt: Wie weit wollen wir gehen und was wollen wir zeigen? Philipps Bitte, auch am Sterbebett die Kamera laufen zu lassen, war sicherlich auch ein ausschlaggebender Punkt dafür. Er hat ja auch selbst noch ein Youtube-Video aufgenommen in diesen Momenten. Ja, das ist sicher für manche schwer auszuhalten. Aber wir wollten auch zeigen, wie die Freunde im Moment des Todes singen und Abschied nehmen. Wir wollten dem Leid Raum geben, aber auch dieser Gemeinschaft der Hinterbleibenden. Vor Veröffentlichung haben sowohl die Freunde als auch die Familie das alles ansehen können und keiner hat gesagt, wir würden zu weit gehen. Aber ja, wir muten dem Zuschauer etwas zu, das ist uns klar. 

Gibt es etwas am Film, bei dem ihr im Nachhinein sagt, das würden wir heute anders machen?

Wie saßen anderthalb Jahre im Schnitt. Jede Sekunde des Films ist da, weil sie da sein soll. Jeder Schnitt ist überdacht. Wir haben mit 50 Stunden Interviewmaterial gearbeitet und ausgewählt. Nein, ich würde nichts anders machen. Wir stehen zu 100 Prozent dahinter. 

Was wünscht ihr euch für die nun geplanten Vorführungen in Gemeinden?

Ich wünsche mir, dass die Menschen berührt werden und darüber miteinander ins Gespräch kommen. Sie sollen nicht allein bleiben mit dem Gesehenen. Und ich wünsche mir, dass sie sich gemeinsam mit anderen die Fragen stellen: Wie würde ich mit so einer Situation umgehen? Habe ich auch solche Freunde, die mich begleiten würden? Bin ich zufrieden mit meinem Leben, wenn es morgen enden würde? Was mache ich mit diesem einen Leben, das mir geschenkt wurde?

Habt ihr den Wunsch, dass Menschen durch den Film zum christlichen Glauben finden?

Die Vision unseres Filmstudios „Parable Studios“, das wir 2024 gegründet haben, ist, dass wir werteorientierte Geschichten erzählen. Christliche Werte haben für Lukas und mich eine große Bedeutung, weil wir Christen sind. Wir sind aber kein christliches Filmstudio. Unser Ziel ist es nicht, fromme Filme zu machen, die Menschen missionieren sollen. Wir möchten Geschichten erzählen, die sich mit den großen Fragen des Lebens beschäftigen. So auch mit dem „Real Life“-Film: Wir bewegen die Fragen, legen sie dem Zuschauer hin und er trifft seine eigene Entscheidung.

Was kommt als Nächstes aus eurem Studio?

Wir sind noch in der Gründungsphase. Gerade sind wir sehr damit beschäftigt, eine Community aufzubauen, die gemeinsam werteorientierte Geschichten erzählen will und sie in die Gesellschaft trägt. Dazu brauchen wir ebenso finanzielle Unterstützung wie Knowhow. Wir arbeiten an einigen Projekten, aber das ist alles noch in der Entwicklung. Uns liegt ein Drehbuch zu einem Spielfilm über Dietrich Bonhoeffer vor, das wir sehr gern in die Produktion bringen würden. Und wir sind in der Entwicklung einer Kinderanimationsserie über den Umgang mit den eigenen Gefühlen. Aber vor allem sind wir gerade mit der „Real Life“-Tour beschäftigt. Der Film selbst könnte bald auch international zu sehen sein, auch daran arbeiten wir.

Alex, vielen Dank für das Gespräch! 

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