Thierse verteidigt Kirche in Richter-Debatte

Wolfgang Thierse stellt sich in der Debatte um Richterkandidatin Brosius-Gersdorf vor die katholische Kirche. Kritik aus Kirchenkreisen sei keine Kampagne, sondern Ausdruck legitimer Überzeugungen, betont der SPD-Politiker.
Von Norbert Schäfer
Der ehemalige Präsident des Deutschen Bundestages, Wolfgang Thierse (SPD), erwartet von seiner Kirche Widerborstigkeit, nicht Stromlinienförmigkeit

SPD-Urgestein Wolfgang Thierse hat sich in der Debatte um die Richterkandidatin Brosius-Gersdorf an die Seite der katholischen Kirche gestellt. „Das ist nicht Kampagne, sondern da wird eine Überzeugung vertreten“, erklärte der ehemalige Bundestagspräsident in einem Interview von „Welt-TV“. Thierse reagiert damit auf Äußerungen von SPD-Fraktionschef Matthias Miersch, der in einem Interview der „Süddeutschen Zeitung“ Teilen der katholischen Kirche „unchristliches“ Verhalten und Beteiligung an Hetze gegen die Juristin vorgeworfen hatte.

Thierse stellt im Gespräch vom Mittwoch eine „unerhörte Aufregung“, Zuspitzung und harte Urteile in der Debatte um Richterkandidatin Brosius-Gersdorf fest – „und ohne Zweifel auch im Netz so etwas, was man Kampagne nennen kann“.

Davon sei allerdings zu unterscheiden, was Vertreter der katholischen Kirche gesagt hätten, die sich kritisch äußerten. „Da soll man sich nicht wundern, dass Katholiken ihre Grundüberzeugung von der Menschenwürde auch des ungeborenen Lebens vertreten – auch aus diesem aktuellen Anlass“, sagte der bekennende Katholik. Thierse weiter: „Das ist nicht Kampagne, sondern hier wird eine Überzeugung vertreten“. Dies sei Teil einer „notwendigen und unvermeidlichen“ Debatte.

„Bei Grundfragen können sich Kirchen nicht heraus halten“

Thierse äußerte den Wunsch, zunächst „Ruhe einkehren“ zu lassen, die Stimmung zu „entgiften“ und warnte davor, in öffentlichen Debatten um die Besetzung von Ämtern Menschen zu beschädigen. Kritische Äußerungen zu einem Vorschlag – wie etwa von Prälat Jüsten geäußert – seien Teil der öffentlichen Debatte und von heftigen Angriffen im Netz auf die Richterkandidatin zu unterscheiden. „Sich gegen Hetze zu wehren, ist das eine. Kritische Einwände ernst zu nehmen, ist etwas anderes.“

Auf die Frage, ob sich die Kirchen bei Debatten wie der Besetzung des Richteramtes aus der Politik heraus halten sollten, antwortete Thierse: „Wenn es um bestimmte Positionen geht – das Verfassungsgericht urteilt immer um Grundfragen unseres Zusammenlebens – da können sich doch die Kirchen nicht heraus halten.“

Alle Parteien sollten von den Kirchen nicht nur „erwünschte, zustimmende, apologetische Stellungnahmen“ zu ihrer Politik erwarten und abwehrend reagieren, wenn die Kirchen sich entgegen dem Zeitgeist äußerten. „Das ist doch auch ein Sinn von Kirche, durch Widerspruch zum Nachdenken, zum Überprüfen von politischen Entscheidungen anzuregen“, erklärte die SPD-Grande im Gespräch mit „Welt-TV“. Kirche werde überflüssig, wenn sie schweigend mitschwimme und alles geschehen lasse. „Nein“, betonte Thierse. „Bei Grundfragen des menschlichen Zusammenlebens haben sich die Kirchen zu äußern.“

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