Christen in Krimis: Kriminell und skurril

„Religiöse Menschen werden in Vorabendkrimis immer als randständige Personen dargestellt. Meistens sind sie kriminell“, sagt Beat Föllmi. Der Forscher hat fast 900 solcher Filme in der ARD analysiert: Welches Bild zeichnen sie von Christen?
Von Jörn Schumacher
„Mord mit Aussicht“, Folge „Sankt Kennedy“

In einer Folge der seit fast zehn Jahren in der ARD laufenden Unterhaltungssendung „Rentnercops“ sagt einmal eine ältere Dame von sich, sie sei Christin. „Wir religiösen Menschen werden heutzutage nur noch als Witzfigur angesehen“, sagt sie. Der Wissenschaftler Beat Föllmi kommentiert: „Und tatsächlich – sie selbst wird in dieser Serie ebenfalls nur als Witzfigur dargestellt!“ Der Forscher, der sich intensiv mit den Vorabendserien der ARD befasst hat, musste feststellen: „Die Folge bestätigt nur, was sie kritisiert.“

Der Schweizer untersuchte die Vorabendkrimis, die im Ersten jeweils von Montag bis Mittwoch zu immer derselben Sendezeit (18.50 Uhr) mit identischer Länge (48 Minuten) ausgestrahlt werden. Er sei privat selbst „ein zuweilen eifriger Konsument“ dieser Formate. Wissenschaftlich interessiert er sich dafür, weil man an ihnen erforschen könne, wie Religion in der Gesellschaft wahrgenommen wird, sagt er. Es gehe in diesen Krimis immer wieder auch um religiöse Fragen, um Schuld, Vergebung und Tod. Der Professor für Kirchenmusik und Hymnologie an der Universität Straßburg analysierte insgesamt 890 Filme aus zwölf verschiedenen Serien.

Von „Schmunzelkrimis“ sprechen die Fernsehmacher selbst gerne. Dieser Begriff bezeichne einen Krimi, der die Zuschauer dazu einlädt, Handlung und Inszenierung bewusst als „gemacht“ zu betrachten und sich an den skurrilen Dialogen und Situationen zu vergnügen, erklärt der Wissenschaftler. Er konstatiert: In 71 Serienfolgen kamen religiöse Themen vor. Das heißt im Umkehrschluss, dass in rund 92 Prozent der Filme keine religiösen Themen oder Figuren zu finden waren. Über seine Forschungsergebnisse hat Föllmi ein Buch geschrieben: „Kruzifix und Geisterbeschwörung. Religion in deutschen Vorabendkrimis.“

Voller Polemik gegenüber Religion

Motiviert wurde er durch den persönlichen Eindruck, dass religiöses Verhalten in vielen kulturellen Produkten der Gegenwart als „Abweichung“ von der Norm dargestellt wird. Föllmi ist dabei klar: „Populäre Medienformen wollen nicht nur unterhalten, sondern sie vermitteln auch Normen.“ Gleichzeitig beschrieben Fernsehserien auch teilweise eine Realität, jedenfalls das, was die Serienmacher sich darunter vorstellen. „Dabei kommen zahlreiche Stereotype zum Einsatz, die mit der Realität nicht unbedingt im Einklang stehen müssen, aber von den Rezipienten geteilt werden.“

Ein Ergebnis des Schweizer Serien-Fans lautet: „Da Religiosität in der Mehrheitsgesellschaft als Ausnahme gilt, treten religiöse Figuren in den Serienfolgen nur vereinzelt auf und ­werden stets explizit als solche markiert.“ Dabei seien die Ermittler und ihr Umfeld ohne Ausnahmen nicht-religiös, im Allgemeinen werde ihre religiöse Verortung überhaupt nicht thematisiert. Föllmi schreibt in seinem Buch: „Kommen die Figuren im Zuge ihrer Ermittlungen mit Religion in Kontakt, reagieren sie irritiert oder abweisend.“ Gegenüber einer klösterlichen Welt herrsche „größtenteils Unverständnis“ vor. 

Foto: privat
Beat Föllmi, Professor für Kirchenmusik und Hymnologie an der Universität Straßburg, schaute sich zu Forschungszwecken 890 Vorabendkrimis an

Oft gebe es in den Vorabendkrimis Polemik gegenüber Religion und religiösen Menschen, die manchmal Züge von Antiklerikalismus annehme. Das betreffe ausschließlich das Christentum, so Föllmi. Andere Religionen kämen in den Vorabendserien generell nur selten vor. Kirchenangehörigen würden recht pauschal Untaten vorgeworfen. In „Hubert und Staller“ etwa würden kirchenfeindliche und antiklerikale Klischees verbreitet, sagt Föllmi. Auf der Hinfahrt zu einem angehenden Pfarrer äußern sich die beiden Polizisten abfällig über Geistliche: „Die sind doch bekannt dafür, dass die nicht bloß brav die Hände falten.“ „Das stimmt, ja. Kreuzzüge …“, „… Hexenverbrennungen …“, „… Inquisition“, „Das ganze Programm.“

Freikirchen kämen zwar selten vor, dann aber fast immer im Kontext von Sekten. Da ist in der Serie „Alles Klara“ beispielsweise die Großfamilie, deren Mitglieder alle weiße Kleidung tragen; die Mädchen haben langes blondes Haar, alle ­strahlen sie Naturverbundenheit aus. Meistens gebe es in den Filmen ein Teenager-Mädchen, das unter dem moralischen Rigorismus der Gemeinschaft leidet und dann ausschert. Eine Ausnahme bildete die Folge „Der Amisch“ (2016) von „Großstadtrevier“. Hier wurde ein junger Amisch nicht negativ oder lächerlich dargestellt, sondern durchaus mit viel Einfühlungsvermögen und Verständnis. Natürlich kommen auch moderne „Lifestyle-Religionen“ immer wieder vor, so Föllmi. Da gehe es um Esoterik, Yoga, Aromatherapien und Gesundfasten. Die Personen würden dann fast durchweg als „skurrile Spinner“ dargestellt und meistens „völlig überzeichnet“.

Katholiken eignen sich besser für Klischees

In seinem Buch bringt Föllmi viele weitere Beispiele. Als Kommissar Paul Kleinert aus der Serie „Alles Klara“ in der Folge „Im Namen des Vaters“ (2013) seiner Sekretärin etwa telefonisch mitteilt, er sei gerade in der Kirche, erntet er nur ungläubiges Staunen „Sie?“ Er kontert: „Ja, wir beten auch nicht, wir ermitteln.“

Die Kommissarin Sophie Haas aus der erfolgreichen Serie „Mord mit Aussicht“ scheine eine besondere Aversion gegen Religion zu haben, stellt Föllmi fest. „Mehrere Male mokiert sie sich über Religiosität, insbesondere über den in der Eifel vorherrschenden Katholizismus.“ Auch in der Serie „Hubert und/ohne Staller“ gehört der Katholizismus vor allem im ländlichen bayerischen Milieu zum Lokalkolorit. Die Religion werde hier aber entsprechend dem klamaukigen Serienformat immer wieder persifliert, schreibt Föllmi.

In der Folge „Die letzte Ruhe“ (2014) werden die beiden Polizisten Hubert und Staller wegen ihrer Respektlosigkeit gegenüber religiösen Dingen sogar von der Mesnerin zur Rede gestellt: „Welcher Religion gehören Sie beide eigentlich an?“ Hubert antwortet mit dem bekannten Kalauer: „Ich bin Atheist. Gott sei Dank!“ Um sich in das „klerikale Milieu“ einzuarbeiten, vertieft sich Staller in die Lektüre der Bibel, was sein Chef Girwidz zur Bemerkung veranlasst: „Wenn Sie darin nach Mordmotiven suchen, kommen Sie aus dem Ermitteln nicht mehr heraus.“

Immer wieder tauche die Figur des religiösen Wahnsinnigen auf. Da ist die fanatisch-religiöse Mörderin aus der Serie „Alles Klara“, die jemanden mit Verweis auf ein Bibelzitat tötet: „Die Rache ist mein. Ich will vergelten, spricht der Herr.“ Diese streng religiösen Personen seien fast immer zugleich „lebens- und sexualfeindlich und sehr moralisch, gleichzeitig meistens dann aber auch heuchlerisch“, stellt Föllmi fest.

Katholische Geistliche eignen sich offenbar besser zur Stereotypisierung, schon wegen ihrer ikonografischen Erscheinung (Kleidung, religiöse Gegenstände). So kämen auch dort, wo eigentlich ein evangelischer Pastor erwartet werde, wie im protestantischen Hamburg, ikonografische und religiöse Versatzstücke zum Einsatz, die zum Katholizismus gehörten. Die evangelischen Pastoren scheinen dann aber insgesamt etwas besser wegzukommen. Wenig verwunderlich allerdings ist, dass im Zusammenhang mit katholischen Geistlichen auch häufig das Thema der Sexualität und Zölibat aufgegriffen werde – da tauche dann der Pfarrer auf, der ein Verhältnis mit seiner Haushälterin hat. Allerdings greife keine einzige Folge sexuellen Missbrauch auf, konstatiert Föllmi. „Ein Thema, das man nicht mit derselben Leichtigkeit ironisch hätte angehen können.“

Dieser Text erschien zuerst in der Ausgabe 3/2025 des Christlichen Medienmagazins PRO. Das Heft können Sie hier kostenlos bestellen oder online lesen.

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