Nele Neuhaus: Mordsmäßiger Glaube

Ein fiktives Telefonverhör mit der Bestsellerautorin Nele Neuhaus offenbart: Die „Queen of Crime“ hat direkte Verbindungen zu höchsten Stellen – und meint es todernst mit dem christlichen Glauben.
Von Norbert Schäfer
Nele Neuhaus

Nele Neuhaus ist die erfolgreichste Krimiautorin Deutschlands. Ihre Taunuskrimis haben eine Gesamtauflage von mehr als elf Millionen Exemplaren erreicht. Das Ermittler-Duo Oliver von Bodenstein und Pia Sander ermittelt seit Jahren auch erfolgreich im ZDF. PRO hat die Bestsellerautorin im Krimi-Genre zu einem fiktiven Telefonverhör einbestellt. Dabei kommt heraus: Die „Queen of Crime“ hat direkte Verbindungen zu höchsten Stellen – und meint es todernst mit dem christlichen Glauben.

PRO: Kriminalpolizei, Oliver von Bodenstein. Ich hätte ein paar dringende Fragen an Sie, Frau Neuhaus.

Nele Neuhaus: Das stimmt nicht! (lacht) Sie sind nicht mein Kriminalhauptkommissar. Die Stimme hätte ich erkannt. Aber gut. Was möchten Sie wissen?

Wo waren Sie Sonntag zwischen neun und zwölf Uhr?

Da war ich tatsächlich hier zu Hause, weil ich gerade am Vortag von München zurückgekommen bin. Und ich glaube, ich habe ein heißes Bad genommen.

Kann das jemand bezeugen?

Ja, mein Mann. Okay, der gilt vielleicht nicht (lacht). Weil er als Ehepartner ja befangen ist. Er ist leider mein einziger Zeuge.

Sie geben also vor, am Sonntag nicht in der Kirche gewesen zu sein. Sie werden aber verdächtigt, Verbindungen mit dem christlichen Glauben zu pflegen. Was sagen Sie zu dem Vorwurf?

Zu dem Vorwurf sage ich, dass ich zwar sehr gläubig bin, aber dass die Institution katholische Kirche, der ich lange Jahre angehört habe, mein Vertrauen leider nicht mehr so verdient, wie das all die Jahre gewesen ist und dass wir uns deshalb vor ein paar Jahren getrennt haben.

Uns sind Aufzeichnungen in die Hände gefallen. Demnach haben Sie gesagt, dass der Glaube an Gott für Sie wie ein Geländer ist. Was hat es mit der Aussage auf sich?

Ich habe in meinem Leben auch schon weniger schöne Zeiten erlebt, in denen ich in großer seelischer Bedrängnis gewesen bin. Und in dieser Zeit habe ich ganz besonders stark gemerkt, wie wichtig mir mein Glaube ist. Der Glaube an Gott. Diesen Glauben vergleiche ich gerne mit einem Geländer, das immer neben einem herläuft, aber an dem man sich nicht dauernd festhalten muss. In Zeiten der Bedrängnis und bei Schwierigkeiten ist es aber da und man kann sich daran festhalten und orientieren.

Hatten Sie unlängst ein Gespräch mit Gott und ist Ihnen sein Sohn bekannt?

Ja, natürlich, beides. Ich pflege direkte Kommunikation zum Chef selbst. Allerdings schließe ich natürlich auch den Sohn in meine Gebete mit ein, in meine Bitten und vor allen Dingen meine Danksagung. Ich bedanke mich sehr oft für das, was gut gelaufen ist. Und sei es nur zum Beispiel die Fahrt nach München und zurück, die unfallfrei verlaufen ist. Dann sage ich: „Vielen Dank für deinen Schutz.“ Ich bin quasi im ständigen Austausch.

Sie werben in der Öffentlichkeit ganz unverhohlen für das Diakonische Werk. Was sagen Sie zu den Vorwürfen, dass Sie mit dieser christlichen Organisation in Verbindung stehen?

Diese Vorwürfe bestreite ich nicht. Mit der Diakonie habe ich in der Vergangenheit wirklich schöne Sachen gemacht. Ganz handfeste Dinge, wie zum Beispiel die Unterstützung der Obdachlosenhilfe hier bei uns im Rhein-Main-Gebiet und in Hessen. Für so etwas bin ich immer zu haben. Sie mussten sich vor Jahren einer komplizierten Herzoperation unterziehen, bei der das Herz angehalten und die Funktion von einer Maschine übernommen wird.

Hat der Glaube an Gott Sie in dieser schweren Zeit gestärkt?

Ja, unglaublich sogar. Nicht nur, als ich damals die Herzklappe bekommen habe. Ein halbes Jahr vorher hatte ich mich von ­meinem ersten Mann getrennt – leider keine schöne und einvernehmliche Trennung – und es kam vieles zusammen. Es ist der Psalm 23, der mich immer durch mein Leben geführt hat und bis heute führt. „Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir.“ Das Psalmwort habe ich gebetsmühlenartig wiederholt zu dieser Zeit. Und ja, ich bin bis heute der Meinung, dass mir das in seelischer Hinsicht sehr geholfen hat. Und wenn die Seele gesund ist, dann wird es auch der Körper.

In Ihrem aktuellen Roman „Monster“ geht es unter anderem um einen abgelehnten afghanischen Asylbewerber, der ins Visier der Ermittler gerät. Sie leben als Erfolgsautorin vermutlich nicht in einem sozialen Brennpunkt in Frankfurt. Wie kommt es, dass Sie ­politisch werden?

Ich bin in der glücklichen Situation, dass ich im Vordertaunus aufgewachsen bin, im Frankfurter Speckgürtel. Was allerdings nicht bedeutet, dass ich die Augen vor dem verschließe, was sich um mich herum abspielt. Ich bin jahrelang mit der S-Bahn nach Frankfurt zur Arbeit gefahren. Und jetzt, durch mein karitatives Engagement, sehe ich oft auch die Schattenseiten unserer Gesellschaft. Es ist mir deswegen ein Anliegen, Dinge, die sich direkt vor unseren Augen ereignen und die Menschen beschäftigen, wie zum Beispiel das Thema Migration, in meinen Romanen aufzugreifen.

„Die Institution Kirche ist nicht mehr meins. Aber Gott an sich ist es nach wie vor.“

Engagieren Sie sich in der Asylarbeit oder in der Flüchtlingsarbeit?

Persönlich tue ich das nicht. Das liegt daran, dass mir einfach die Zeit dazu fehlt. Für den aktuellen Roman habe ich elf Monate am Schreibtisch gearbeitet, angefangen von der Recherche bis hin zum wirklichen Schreiben. Aber ich habe eine Stiftung, mit der ich doch einige Projekte unterstütze, und ich kann hier und da auf dem kurzen Dienstweg helfen. Da gibt es den ehemaligen Pfarrer aus meiner Gemeinde, bei dem ich damals Messdiener gewesen bin. Er ist heute weit in den Achtzigern, aber immer noch topfit und engagiert. Wenn er mit einem Anliegen zu mir kommt, kann ich unbürokratisch helfen. Aber ich mache zum Beispiel auch Lesungen in Obdachlosenheimen und Frauenhäusern in unserer Region und meine Buchpremieren sind immer Benefizveranstaltungen, deren Einkünfte ­sozialen Projekten oder Institutionen zugutekommen.

Der Institution Kirche haben Sie aber den Rücken gekehrt.

Ja, das habe ich. Musste ich. Das, was sich in der katholischen Kirche hinter den Kulissen abgespielt und immer totgeschwiegen wurde, war für mich nicht länger mit meinem Gewissen vereinbar. Die Art und Weise, wie mit Missbrauchsopfern umgegangen wurde und wie die Kirche bis heute mit dieser Thematik umgeht. Dann gab es bei uns im Bistum Limburg einen Bischof, der deutschlandweit dafür bekannt wurde, dass er sich auf Kosten der Kirchensteuerzahler eine prunkvolle Wohnung mit allem Luxus hat einrichten lassen – das war für mich der Tropfen, der das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht hat. Die Institution Kirche ist nicht mehr meins. Aber Gott an sich ist es nach wie vor.

Viele Künstler pflegen enge Beziehungen zu den Fans über die sozialen Medien. Sie scheinen dem aus dem Weg zu gehen. Wie pflegen Sie den Kontakt zur Leserschaft?

Ja, die sozialen Medien (seufzt)… Zu Beginn meiner Schriftstellerkarriere war das die Möglichkeit, überhaupt erst auf mich aufmerksam zu machen. Ich hatte nicht von Anfang an einen Verlag, sondern habe meine ersten drei Bücher in Eigenregie herausgebracht. Da war das aufkommende Facebook die Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen und das habe ich auch eifrig getan. Es war toll! Aber leider wurde es immer komplizierter und irgendwann wusste ich nicht mehr genau, wie das alles funktioniert. Damit wurde das für mich zu zeitaufwändig. Irgendwen damit beauftragen wollte ich nicht, und so habe ich die Aktivitäten in sozialen Medien auf ein Minimum reduziert. Den Kontakt zu meinen Leserinnen und Lesern halte ich durch Lesungen. Da kann man mich live erleben und ins Gespräch kommen. Oder man kann an mein Postfach schreiben. ­Jeden Brief, den ich erhalte, beantworte ich.

Jeden?

Ja. Ich nehme mir einmal im Monat Zeit und dann werden alle Briefe beantwortet. Besonders die Post von jungen Mädchen, die wissen möchten, wie es mit den Jugendbüchern, die ich schreibe, weitergeht. Weil jedes Kind mir individuell geschrieben hat, schreibe ich eben auch individuell zurück. Das ist Aufwand, aber das bin ich meinen Leserinnen und ­Lesern schon schuldig, finde ich.

Haben Sie eine besondere ­Gepflogenheit, die Ihnen dabei hilft, die ­Krimis und Jugendbücher zu ­Papier zu bringen?

Da bin ich ziemlich unprätentiös. Ich habe ein Büro, in das ich morgens fahre. Da wird dann am Schreibtisch gearbeitet. Viele haben falsche Vorstellungen von der Arbeit einer Schriftstellerin. Es ist leider nicht so, dass man irgendwo verträumt herumsitzt und ganz plötzlich weiß, was man schreiben soll. In der Realität, zumindest bei mir, ist es disziplinierte Arbeit. Recherchieren, lesen, herausfiltern von Informationen, schreiben, Seite um Seite füllen. Der Schreibberuf ist zu 60 Prozent ein Handwerk.

Wie gehen Sie mit dem Vorwurf um, dass die Gilde der Krimiautoren mit ihrem Werk die Gewaltbereitschaft von jungen Menschen möglicher­weise weckt – oder sogar befördert?

Das glaube ich nicht. Eher geschieht das durch Egoshooter-Videospiele, in denen junge Leute in die Rolle von Killern schlüpfen und andere Menschen erschießen. Mit meinen Kriminalromanen spreche ich zudem eine ganz andere Zielgruppe an, die sich wohl eher nicht von einem Buch zu einer Gewalttat inspirieren lassen. Insofern wasche ich meine Hände in Unschuld.

Frau Neuhaus, vielen Dank, Sie sind für heute entlassen.

Dieser Text erschien zuerst in Ausgabe 1/2024 des Christlichen Medienmagazins PRO. Bestellen Sie PRO kostenlos hier.

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