Eine Woche ist seit dem zweiten Release-Konzert der O’Bros Ende April in Berlin vergangen. Sechs Tage zuvor traten die Brüder Alexander und Maximilian in Stuttgart auf. Mehr als 10.000 Fans besuchten die beiden Konzerte. PRO traf Alexander in einem Café in Berlin-Mitte zum Interview. Sein Bruder Maximilian war via Videotelefonie aus Stuttgart zugeschaltet. Wegen einer Date-Night mit seiner Frau war er nur im ersten Teil des Interviews dabei.
PRO: Alexander, Maximilian, ihr seid mit eurem Album „To be honest“ auf Platz eins der deutschen Albumcharts gelandet. Und ihr habt zwei Release-Konzerte mit insgesamt mehr als 10.000 Fans gegeben. Seid ihr als Musiker mittlerweile Mainstream?
Alexander: (lacht). Mit unseren christlichen Texten werden wir vermutlich nie Mainstream sein. Aber wir merken, dass mittlerweile eine andere Aufmerksamkeit auf uns liegt. Davon sind wir überrascht, aber auch dankbar. Und daraus entsteht für uns auch eine neue Rolle. Anfangs waren wir einfach nur zwei Brüder, die im Kinderzimmer Musik gemacht haben.
Und jetzt?
Alexander: Die Brüder sind wir immer noch, durch die Bekanntheit haben wir aber eine andere Öffentlichkeit. Und müssen einfach überlegen, was das für uns bedeutet.
Habt ihr darauf schon eine Antwort?
Maximilian: Nein, definitiv nicht. Aber unsere neue Rolle ergibt sich zum einen aus unseren Möglichkeiten und zum anderen aus unserem Herzen. Durch die mediale Aufmerksamkeit haben sich unsere Möglichkeiten erweitert. Aber unser Herz ist gleichgeblieben. Das heißt, wir wollen Jesu Herz reflektieren und wir wollen Menschen durch unsere Musik die Möglichkeit geben, sich auf den Glauben einzulassen und sie dabei positiv beeinflussen.
Geld kann das Herz verändern. Die Zahlen zu eurem Erfolg habe ich gerade genannt. Seht ihr diese Gefahr?
Alexander: Ich sehe die Gefahr bei uns nicht. Nicht, weil unsere Herzen unantastbar wären. Sondern weil es keine direkte Korrelation zwischen Erfolg und Geld bei uns gibt. Und auch wenn wir da eigentlich nicht so gerne drüber sprechen, spenden wir sehr viel unserer Einnahmen. Auch das hilft. Beispielsweise haben wir die gesamten Erlöse unserer Albumboxen gespendet. Unser Ziel war es nie und wird es auch nie sein, Musik wegen finanzieller Anreize zu machen.
Maximilian: Wir versuchen beispielsweise auch die Ticketpreise bei Konzerten niedrig zu halten. Und zeitgleich ein richtig geiles Produkt anzubieten. Das kostet.
„Die Gefahr ist immer, dass man auf dem Weg, Gott zu dienen, Gott selbst vergisst.“
Alexander Oberschelp
Aber ihr könnt von der Musik leben? Oder seid ihr auf Spenden angewiesen?
Alexander: Wir können von der Musik leben und sind, außer zum Beispiel für den Gottesdienst in Stuttgart, auch nicht auf Spenden angewiesen. Das ist aber auch unser Wunsch. Wir wollen nicht von einem großen Label, einer Kirche oder anderen Institutionen abhängig sein, sondern unabhängig von Dritten unsere eigenen Entscheidungen treffen können.
Was bedeutet euch der Erfolg?
Alexander: Viel, und gleichzeitig nicht so viel.
Das müsst ihr erklären.
Alexander: Für uns ist das Album und die Platzierung der Abschluss eines langen Kapitels. Wir hatten schon vor vielen Jahren das Gefühl, dass Gott uns diesen Traum gibt, christliche Musik auf Platz eins der Charts zu bringen. Bei unserem letzten Album hat das ganz knapp nicht gereicht. Das hat mich persönlich beschäftigt und viele Fragen aufgeworfen: „Gott, warum gibst du uns diesen Traum und lässt das dann scheitern?“ Es fühlte sich so an, als würde Gott uns auf den letzten Metern hängen lassen. Aber diese Fragen und Zweifel haben sich mit Platz eins nun aufgelöst.Im Gegenteil – wir haben in der Phase zwischen den beiden Alben viel gelernt, und haben uns von quantitativen Zielen freigemacht. Damals hätte uns die Platzierung sehr viel bedeutet. Heute hat sie einenwesentlich geringeren Stellenwert.
Maximilian: Wir sind aus dieser Erfahrung heraus mit einem anderen Mindset an das neue Album herangegangen. Es liegt schlicht nicht in unserer Hand. Im Nachhinein sind wir Gott dankbar, dass es damals nicht geklappt hat. Denn wir haben viel gelernt, beispielsweise über Gottes Treue.

Verstehe ich das richtig? Anders als beim Album „Underrated“ war beim aktuellen Album nicht das Ziel auf Platz eins zu landen?
Alexander: Genau. Bei „Underrated“ hatten wir uns im Vorfeld überlegt, wie ein christliches Album aussehen könnte, das es in die Charts schafft. Diesmal nicht.
Habt ihr versucht, euch für dieses Ziel anzupassen?
Alexander: Wir haben unsere Strategie darauf ausgerichtet, in die Charts zu kommen, um als Christen Jesu Botschaft auch in der Musikindustrie zu reflektieren. Bei „To be honest“ dagegen haben wir bewusst gesagt, dass es nicht unser Ziel ist, auf Platz eins zu landen. Die Gefahr ist immer, dass man auf dem Weg, Gott zu dienen, Gott selbst vergisst. Deswegen war diesmal unser Ziel einfach, ein Segen für das Land zu sein. Der Traum hat sich nun erfüllt.
Was kommt als nächstes?
Alexander: Da wissen wir noch nicht genau. Aber ich bin mir sicher, dass sich Dinge ergeben werden. Nach einem abgeschlossenen Projekt dauert es bei uns immer ein paar Wochen bis wir wissen, was als nächstes kommt.
„Unser Ziel war einfach, ein Segen für das Land zu sein.“
Alexander Oberschelp
Aber zur Beruhigung eurer Fans: Kommt ein Album Nummer sechs?
Maximilian: (lacht) Darüber haben wir tatsächlich noch nie gesprochen. Aber ich kann versprechen, dass wir weiter Musik machen werden.
Dann bleiben wir bei „To be honest“. Werdet ihr nach dem Erfolg anders von der säkularen Musikszene wahrgenommen?
Alexander: Absolut. Meine Beobachtung ist, dass sich die Wahrnehmung von uns und christlicher Musik um 180 Grad gedreht hat. Mit Platz zwei der Albumcharts hatte sich keiner für uns interessiert. Plötzlich interessieren sich alle Medien für uns.
Maximilian: In der Musikszene ist es ähnlich. Da bekommt man schon mit, wer die Nummer eins ist. Spätestens jetzt kann keiner christliche Musik belächeln.
In einem Lied singt ihr über die Musikszene: „Deutschrap ist so toxisch, hat vergessen, wer Gott ist.“ Wusste Deutschrap jemals, wer Gott ist?
Maximilian: Die meisten wahrscheinlich nicht.
Alexander: Ich glaube aber dennoch, dass es eine gewisse, subtile Gottesfurcht in Texten geben kann, auch ohne direkt an Gott zu glauben. Aber deutscher Hip-Hop hat sich leider in den vergangenen Jahrzehnten nicht unbedingt auf einer inhaltlich gesunden Reise befunden. Viele Texte sind destruktiv. Frauen werden sexualisiert, Drogen glorifiziert und Gewalt verharmlost. Ich kann in solchen Texten nichts Gutes finden. Deswegen erfüllt es uns mit einer gewissen Freude, dass wir der Beweis sind, auch mit nicht destruktiven Texten im Hip-Hop Erfolg zu haben. Es herrscht dort der Glaube vor, solche negativen Texte seien notwendig, um Erfolg zu haben.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Musiker mit gewaltverherrlichenden Texten sehr erfolgreich sind.
Maximilian: Ja, man kann damit erfolgreich sein. Man muss es aber nicht. Und ich hoffe, dass wir den einen oder anderen Rapper zum Nachdenken anregen, sich selbst, aber auch seine Texte zu hinterfragen.
Alexander: Ich weiß nicht genau, ob das passieren wird. Aber …
Maximilian: Doch auf jeden Fall. Das ist nichts, was von heute auf morgen zu sehen sein wird. Aber ich bin davon überzeugt, dass etwas in den Herzen der einzelnen Künstler passieren kann.
„Unser Ziel ist es nicht, Menschen zu bekehren. Wir wollen aber sehr wohl authentisch von unserem Glauben an Jesus reden.“
Alexander Oberschelp
Mit dem Erfolg kommt auch Aufmerksamkeit. Der Schweizer „Blick“ wirft euch vor, missionieren zu wollen. Wollt ihr missionieren?
Alexander: Nein, wir wollen anderen Menschen nicht unseren Glauben aufdrücken. Ich glaube, Menschen im deutschsprachigen Raum haben oft erfahren, wie Christen ihren Glauben übergriffig kommunizieren. Das Geile an Musik ist aber, dass sie das Potenzial hat, nicht übergriffig zu sein. Keiner muss sie anhören. Und nochmal: Unser Ziel ist es nicht, Menschen zu bekehren. Wir wollen aber sehr wohl authentisch von unserem Glauben an Jesus reden, positive Impulse geben und eine Einladung an die Menschen auszusprechen, die das wollen.
Maximilian: Man kann auch außerhalb der Musik seinen Glauben kommunizieren, ohne übergriffig zu sein. Es braucht aber eine Reflektiertheit von uns Christen, wie wir Jesus vorstellen. Am besten kann das gelingen, indem man das selbst vorlebt.
Es gibt viele weitere Medienberichte, die euch beispielsweise eine Nähe zu Rechtsradikalismus vorwerfen.
Alexander: Das ärgert uns ungemein, weil es nicht stimmt. Wir fühlen uns unfair behandelt. Unsere Musik steht nicht für Rechtsradikalismus. Wir stehen für …
Maximilian: Liebe!
Alexander: Ja. Wir stehen für Einheit unter Christen. Wir wollen auch keine gesellschaftliche Spaltung. Wir distanzieren uns von jeder Form von Extremismus, Ausgrenzung und Hass. Das sind übrigens auch Dinge, gegen die Jesus aufgestanden ist. Wir haben noch nie, kein einziges Mal das Feedback bekommen, dass sich Menschen durch unsere Musik radikalisiert haben oder dass sie einen schlechten Einfluss auf das Leben unserer Fans hatte. Das Gegenteil ist der Fall.
Inwiefern?
Alexander: Wir haben erst vor Kurzem eine Nachricht von jemanden bekommen, der sich das Leben nehmen wollte. Durch Zufall hat er das Lied „Ich geb‘ mich nicht auf“ von uns gehört, es zwei Stunden in Dauerschleife laufen lassen und sich dann anders, nämlich für das Leben entschieden. Solche Nachrichten sind keine Ausnahme, sondern erreichen uns regelmäßig.
Maxi verabschiedet sich vom Interview. Er geht zur Date-Night mit seiner Frau.
Lass uns nochmal auf Politik zurückkommen. Über die Vorwürfe haben wir gerade gesprochen. Wie steht ihr grundsätzlich zum Thema Politik in eurer Musik? Wollt ihr politisch sein?
Alexander: Nein.
Aber eine Liedzeile wie „Bist du nicht links, bist du rechts“ könnte man durchaus politisch verstehen.
Alexander: Den Satz hätten wir sicherlich anders formulieren können: ‚Bist du nicht rechts, bist du links‘ oder noch anders. Es geht in der Zeile allerdings nicht um ein bestimmtes politisches Narrativ. Wir wollen damit eine gewisse Spaltung ansprechen, die es vielleicht in der Gesellschaft, aber auch in der Christenheit gibt.
„Entscheidend ist doch, dass es für jeden Menschen einen Zugang zu Jesus gibt.“
Alexander Oberschelp
Sollte christliche Musik insgesamt unpolitisch sein?
Alexander: Das ist eine Frage, bei der wir auch nach einer richtigen Antwort suchen. Instinktiv würde ich antworten, dass ich mich freuen würde, wenn christliche Musiker weniger politisch, dafür aber christuszentrierter sind. Als Christen verkünden wir doch das, wofür Jesus gelebt hat. Jesus hat sich um die Ausgegrenzten gekümmert. Er hat Barmherzigkeit gepredigt. Er hat Heuchelei angeprangert. Er ist für unsere Schuld am Kreuz gestorben und auferstanden. Darauf kommt es an. Dieses Wunder ist das Größte, das jemals auf der Erde passiert ist. Darauf sollten wir uns als Christen fokussieren.
Euer Album heißt „To be honest“ („Um ehrlich zu sein“). Warum dieser Titel?
Alexander: Tatsächlich hatten wir die Idee relativ am Anfang des Projekts. Wir befürchteten allerdings, dass er suggeriert, wir seien zuvor unehrlich gewesen. Und der Titel fordert mich persönlich heraus, mir den Spiegel vorzuhalten. So ein Album zu schreiben setzt tiefe, eigene Prozesse voraus, die in den Liedern dann ja auch öffentlich werden. Im Album kommt in mehreren Liedern der Aspekt des Zweifelns vor. Das gehört aber zu einem ehrlichen Leben als Christ dazu. Auch über Mobbing-Erfahrungen singen wir.
Tausende junge Menschen waren auf euren Konzerten. Was ist dein Wunsch, was sollen die jungen Menschen vom Konzert mitnehmen?
Alexander: Wir wollen, dass jeder Zuschauer mindestens einen Gedanken aus den Konzerten mitnimmt, der ihn langfristig positiv verändert oder zumindest bewegt. Wir wollen die Leute auf unseren Konzerten mit sich selbst konfrontieren und wir wollen, dass sie dabei die liebende Hand Gottes wahrnehmen. Ich war vor vielen Jahren mit meinem Vater, als er in einer schwierigen Phase war, auf einem christlichen Konzert. Ich spürte, wie sehr ihn dieses Konzert berührte und nachhaltig ergriffen hat. So ein Erlebnis wünsche ich allen unseren Zuschauern. Das wäre ultrageil.
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Ich war selbst auf eurem Release-Konzert in Stuttgart. Im Publikum waren viele Teenager, aber auch Ältere …
Alexander: Ich finde es richtig gut, dass es eine Diversität in unserem Publikum gibt. Dort sind viele Kinder, aber auch Großeltern, und alles, was dazwischen ist. Und auch theologisch gibt es eine Bandbreite von katholisch, über klassisch evangelisch bis hin zu freikirchlich. Jeder hat seinen Hintergrund, das ist auch völlig legitim. Ich persönlich bin charismatisch geprägt und erlebe in charismatischen Gottesdiensten Gottesoffenbarung. Aber es ist genauso legitim, wenn eine Schwester oder ein Bruder einen anderen Gotteszugang entwickelt. Entscheidend ist doch, dass es für jeden Menschen einen Zugang zu Jesus gibt. Völlig egal, ob du Zöllner, römischer Soldat, ein armer Fischer oder eine Prostituierte bist. Es wäre unfair, wenn der Zöllner sagt, sein Zugang zu Jesus sei der Einzige.
Also ist auch ein Queer-Gottesdienst auf dem Kirchentag ein solcher Zugang?
Alexander: Grundsätzlich ist es nicht meine Aufgabe, zu entscheiden, welcher Zugang zu Jesus legitim wäre, und welcher nicht. Dafür habe ich als Mensch einfach nicht die göttliche Weitsicht. Mein erster Impuls ist immer Freude, wenn Menschen sich an Christus wenden – da ist es mir egal, ob sie der queeren Community angehören oder nicht. Wichtig ist mir aber immer, dass es um Jesus geht. Ein Gottesdienst ohne Gott wäre natürlich kein Gottesdienst. Und ab da überlasse ich das Gott und vertraue ihm, dass er mit jedem Menschen seine Geschichte schreibt. Mit mir auch.
Vielen Dank für das Gespräch.